Pressemitteilung der "Initiative für eine Vereinigte Linke"
Seit Anfang September 1989 gibt es in der DDR den Versuch, unabhängige Linke und Sozialisten, innerhalb und außerhalb der SED, linke Christen und Marxisten, in oppositionellen Gruppen und in zugelassenen Parteien oder anderen Organisationen arbeitende Linke zusammenzuführen, um für den Sozialismus in der DDR politisch aktiv zu werden.
Wir können feststellen, dass immer mehr Menschen durch die Diskreditierung der Sozialistischen Perspektive durch Anwendung so verlogener Phrasen wie der einer "entwickelten sozialistischen Gesellschaft" auf die krisengeschüttelte DDR sich auch von dieser Perspektive abzuwenden begannen.
Wir erklären, dass eine sozialistische Zukunft für die DDR durch nichts anderes, als die dem Volk durch eine kleine Führungsschicht der SED mittels ihres riesigen Apparats aufgezwungene Politik in Gefahr gebracht wurde und noch wird.
Die sozialistische Perspektive auch für die DDR kann nur konkret rehabilitiert werden. Diese unsere Gesellschaft muss freier, sozialer, wirtschaftlich effizienter und ökologischer werden, als jene real existierende kapitalistische Gesellschaft, der heute noch hunderttausende DDR-Bürger den Vorzug geben.
Wir sind uns darin einig, dass eine Gesellschaft der sozialistischen Freiheit und Demokratie nicht nur eine echte Alternative zur politbürokratischen Entartung in Gestalt des "real existierenden Sozialismus", sondern auch zur kapitalistischen Gesellschaft und die größte Gefahr für beider Sachwalter wäre.
In diesem Sinne haben seit Anfang Oktober in Berlin Linke, verschiedener sozialistischer Tendenz damit begonnen, Wege für ein Zusammengehen auf der Grundlage
- des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln als die vorherrschende und perspektivische Grundlage sozialistischer Vergesellschaftung
- des Ausbaus der Selbstbestimmung der Produzenten in Verwirklichung realer Vergesellschaftung der gesamten ökonomischen Tätigkeit
- der konsequenten Verwirklichung des Prinzips der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Gesellschaftsmitglieder
- der politischen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, konsequenten Verwirklichung der ungeteilten Menschenrechte und freien Entfaltung der Individualität jedes Gesellschaftsmitglieds
- des ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft,
zu suchen.
Das Projekt einer "Vereinigten Linken" strebt den inhaltlichen Konsens in grundsätzlichen politischen Fragen, die konzeptionelle Ausarbeitung eines Übergangsprogramms der sozialistischen Umgestaltung, die gleichberechtigte Diskussion aller sozialistischen Tendenzen und die gemeinsame politische Arbeit in der Beteiligung am Streit um die Zukunft unseres Landes an. Wir sind uns einig, dass besondere Bedeutung für die Zukunft unseres Landes dem Handeln der Werktätigen, insbesondere gerade jetzt der Arbeiterin den Betrieben zukommt. Hier wird es darum gehen, wie schnell über die Wiederherstellung gewerkschaftlicher Interessenvertretung und demokratischer Mitbestimmung hinausgegangen und betriebliche Selbstverwaltung mit Arbeiterräten sowie wirkliche Vergesellschaftung über territoriale Räte und darüber hinaus vorangetrieben wird.
Es ist geplant, am 25./26. November in Berlin im "Haus der Jungen Talente" ein erstes Arbeitstreffen der Linken durchzuführen. Wir sind uns einig, dass einem organisatorischen Zusammenschluss der Linken der inhaltliche Prozess von Konsensbildung und konzeptionellem Streit aller sozialistischer Tendenzen vorauszugehen hat. Die Situation in unserem Land erlaubt kein Zögern.
Die Sprechergruppe der Berliner, Initiative "Für eine Vereinigte Linke"
Berlin, den 10.11.1989
aus 1. DDR - weites Arbeitstreffen der Initiative Vereinigte Linke 25./26. November 1989, Konferenz Reader, Herausgeber: Initiative Vereinigte Linke Berlin