Versuch, die Opposition zu kriminalisieren
Eine unserer wesentlichen Forderungen an die SEID im Herbst des vergangenen Jahres war die Herausgabe ihres unrechtmäßig erworbenes Vermögens an die Bevölkerung der DDR. Wie betrachten dies bis heute als ein berechtigtes Verlangen und als einen Teil der Aufarbeitung 40 Jahren DDR-Geschichte. Der sich auf diese Forderung berufende Beschluss der Volkskammer jedoch verfolgt aus unserer Sieht einte ganz anderen Zweck: die Zerschlagung einer starken oppositionellen Kraft. Dies lässt sich schon an der undemokratischen Verfahrensweise zur Durchbringung dieses Beschlusses erkennen, da sieh die Volkskammer unter Beugung ihrer eigenen Geschäftsordnung zur Behandlung des betreffenden Antrages nötigen ließ und sich noch mehrheitlich der Aufforderung zur parlamentarischen Kontrolle den die Parteivermögen verwaltenden Treuhandgesellschaft entzog und somit die Präsidalherrschaft der Regierungsparteien über die Opposition konstituiert. Die regierenden ehemaligen Blockparteien befinden sieh in der skurrilen Lage, ihr eigenes zum Teil ebenfalls unrechtmäßig erworbenes Vermögen treuhänderisch zu verwalten.
Besonders beunruhigt uns, dass dieser Prozess zeitgleich mit dem permanenten Versuch durchgeführt wird, die Opposition, ob links, ökologisch und/oder radikaldemokratisch zu kriminalisieren. Für alle Fernsehzuschauer sicht- und hörbar reagierten in der gleichen Volkskammersitzung einige Abgeordnete auf den stillen Protest einiger BürgerInnen gegen den Staatsvertrag - entrollten lediglich ein Transparent – mit Rufen wir „Euch kriegen wir auch noch!" Diese Sprache ist uns bekannt! Der derzeitige Zustand der parlamentarischen Demokratie ist politisch gesehen die Wiederherstellung der Verhältnisse vor Oktober 1989 unter anderen Vorzeichen und bestätigt uns in unserer Auflassung, dass die Rechte der DDR-BürgerInnen in des Volkskammer nicht vertreten werden und wieder auf der Straße eingeklagt werden müssen.
Eine aus unserer Sicht dringend notwendige Aufarbeitung der DDR-Geschichte ist durch die Arroganz der Macht und die Diktatur der parlamentarischen Mehrheit regelrecht abgewürgt worden, die Unfähigkeit im Umgang mit Geschichte in Deutschland erhält so eine traurige Kontinuität. Ein demokratisch gewähltes Parlament, was immer man darunter verstehen mag, leistet seinen Offenbarungseid und gibt die Macht an eine ferngesteuerte Regierung ab.
Politischer Beirat
der Vereinigten Linken Berlin
Neues Deutschland, Sa. 09.06.1990, S. 6