Am 14.1. begann in Leipzig die Aktionswoche GEGEN RECHTS, zu der die VL aufgerufen hatte. Nachfolgend einige Auszüge aus der Eröffnungsrede:
Aus der Geschichte lernen
Ich begrüße Euch im Namen der Vereinigten Linken Leipzigs zu unserer heutigen Kundgebung, die die demokratische Tradition der deutschen Linken, das Gedenken an Rosa und Karl, das von den Stalinisten zur Beweihräucherung des eigenen diktatorischen Machtanspruchs missbraucht wurde, wiedergewinnen will im Kampf gegen Faschismus und Rechtsradikalismus. Dabei haben wir den Akzent nicht ohne Überlegung auf Rosa gesetzt. Mit Ihrem Gedanken von der Freiheit, die immer auch die Freiheit des Andersdenkenden sei auf ihren Transparenten, werden mutige linke Kritiker noch vor drei Jahren verfolgt und des Landes verwiesen. Sie galt den Stalinisten schon immer als ein wenig träumerisch und spinnert, und ihre Gedanken wurden diffamiert. Und dies sicher auch, weil es Gedanken einer Frau waren. Denn es gehörte zum System den Stalinismus, dass die Frauen weiter der Möglichkeit realer Emanzipation beraubt wurden, dass sie weiter sozial benachteiligt waren und dass sie durch die heuchlerische Muttipolitik der SED und des DFD wieder an Herd und Kind gefesselt werden sollten.
Wir haben den Akzent auf Rosa gesetzt, weil sie am konsequentesten für wirkliche Demokratie eingetreten ist und dabei auch die Großen der Arbeiterbewegung, wie Lenin, nicht von ihrer scharfen Kritik ausgenommen hat. Wir alle, vor allem die deutsche Linke und insbesondere die der DDR, haben einen ungeheuren Nachholebedarf im Verhältnis zur Frauenfrage, die von zentraler Bedeutung im Kampf gegen rechts ist, für eine wirkliche demokratische Gesellschaft. Von diesem Nachholebedarf schließe ich mich persönlich nicht aus.
Rosa erkannte klar die Keime der späteren Entwicklung schon in der Revolution selbst. Die wirkliche Konterrevolution setzte mit der Zerschlagung der Räte und der Ermordung Zehntausender RevolutionärInnen durch Stalin ein. Und dies war nur der Beginn für den Mord an Millionen von Menschen im Namen des Sozialismus. Die Zehntausende von Opfern des Ceauşescu-Regimes waren hoffentlich die unwiderruflich letzten eines verbrecherischen Systems, das global die Idee des Sozialismus diskreditiert hat, die Hoffnungen von Millionen Arbeitenden betrogen und die Opfer von Hunderttausenden, die für eine neue sozialistische Gesellschaft gekämpft haben, sinnlos gemacht hat. Doch warum spreche ich hier über die Verbrechen des Stalinismus? Weil auf seinen Strukturen und durch seine Politik der Faschismus in diesem Land wieder das Haupt erhebt. Denn wir haben keinen importiertem Neofaschismus, sondern einen hausgemachten, und dieser hat nur deshalb eine Chance, weil die SED dieses Land an den sozialen und wirtschaftlichen Abgrund geführt hat. Konsequenter Antifaschismus kann deshalb nur im konsequenten Kampf gegen Stalinismus Wirklichkeit werden.
Vergessen wir nicht, dass die Völker der Sowjetunion den Kampf gegen den Hitlerfaschismus trotz Stalin gewonnen haben, und viele sowjetische Antifaschisten, die die KZ überlebt haben, anschließend in den Gulags zugrunde gegangen sind. Deshalb sind wir von der VL zutiefst erschrocken, erschrocken und wütend über die Schmierereien in Treptow. Wir wenden uns aber aufs entschiedenste dagegen, dass dieser Vorgang für den Wahlkampf missbraucht wird, dass die Bonzen und Bürokraten der SED-PDS diesen Vorgang dazu benutzen wollen, die wirkliche Zerschlagung des stalinistischen Repressionsapparates zu verhindern (Buh-Rufe und Pfeifen aus dem Publikum).
Deshalb meine Aufforderung an die Basis der SED-PDS: Hört nicht aus Angst vor der Rechten auf mit der Zerschlagung des alten Parteiapparates! Fegt endlich die Bonzen und Bürokraten hinweg, die nur die Macht sichern wollen, aber über keine Konzeptionen verfügen und Euch zu ihrem Machtmissbrauch missbrauchen wollen. Sorgt endlich dafür, dass die Regierung mit der Geheimnisdiplomatie und Verschleierungstaktik aufhört und sich einer wirklichen Kontrolle des Runden Tisches aussetzt. Arbeitet endlich an den Inhalten! Zeigt endlich, dass Ihr von der Basis her in der Lage seid, eine wirkliche Linkspartei zu werden, die die wirklichen Interessen der Arbeitenden vertritt! Sorgt endlich dafür, dass alle Gruppen und Parteien zu den Wahlen Chancengleichheit erhalten, und dies bedeutet, gebt endlich auch Euer Parteieigentum in die Hände des Volkes! Doch diese Forderung ist auch an die so genannten früheren Blockflöten zu stellen, die ihr Halleluja zu der undemokratischen Politik der stalinistischen SED lautstark flöteten und heute nach Auswechseln ihrer Betonköpfe gewendet nach der Macht streben. Sie haben dank ihren stalinistischen Sponsoren Vermögen und Besitz angehäuft, das ebenfalls in die Hände des Volkes gehört. Vorher ist Chancengleichheit eine Phrase! Und diese Chancengleichheit ist die Voraussetzung für eine wirklich tiefgreifende Demokratisierung, die nicht bei der Kritik bürgerlicher Modelle halt machen darf. Ohne diese wirkliche tiefgreifende Demokratisierung bleibt auch das Auftreten gegen Faschismus und Rechtsradikalismus verbal und letztlich wirkungslos. Wir brauchen keine Stasi oder ähnliche Dienste, wir brauchen Demokratie im Kampf gegen Rechtsradikalismus, und wir brauchen Rechtssicherheit. Dabei ist Gewalttätigkeit durch demokratisch kontrollierte Polizeiorgane wirksam zu bekämpfen. Sicherheitsdienste, so die Erfahrung auf der ganzen Welt, wenden sich letztendlich; weil sie nicht kontrollierbar sind, immer wieder gegen das eigene Volk, werden zu Unterdrückungsapparaten. Doch die Demokratie reicht im Kampf gegen Faschismus nicht aus, dazu gehört auch eine konsequent linke Politik, die vor allem die Demontage sozialer Gerechtigkeit in diesem Land verhindert.
aus: freie presse, Nr. 22, 26.01.1990, 28. Jahrgang, Karl-Marx-Stadt