VORLÄUFIGES PROGRAMM ZU DEN VOLKSKAMMERWAHLEN AM 18. MÄRZ 1990
PRÄAMBEL
Wer ist die "Vereinigte Linke", und was will sie?
Die "Vereinigte Linke" ist das Aktionsbündnis linker Organisationen, Gruppen und Einzelmitglieder in der DDR.
Hier haben sich Sozialisten zusammengeschlossen, die in den Jahren des Machtmissbrauchs und der Korruption als Teil der Bürgerbewegung, aber vor allem als Linke in entschiedener Opposition zur stalinistischen Führung unseres Landes standen. Dieses Bündnis wächst mit allen Menschen, die heute mit uns der Kapitulation vor neuer Ausbeutung und verschleiertem Sozialabbau begegnen und die Volkssouveränität verwirklichen wollen.
Wir stehen auch in Zukunft ein für die einzige Alternative zu Stalinismus und Kapitalismus:
Für einen Sozialismus der Freiheit und Demokratie!
Wir treten ein
- für die Entwicklung von Volkssouveränität durch basisdemokratische Selbstorganisation, Räte und Formen direkter Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, konsequente Verwirklichung der ungeteilten Menschenrechte und freie Entfaltung der Individualität jedes Gesellschaftsmitglieds
- für den Stopp des wirtschaftlichen Ausverkaufs, die Bewahrung und Entwicklung öffentlichen Eigentums an den Hauptproduktionsmitteln durch demokratische Mitbestimmung und schließlich Selbstverwaltung des werktätigen Volkes
- für die Durchführung einer radikalen Wirtschaftsreform zur Entwicklung einer ökologischen Überlebensalternative durch bedürfnisorientierte Ökonomie und technische Modernisierung unter Wahrung der sozialen Sicherheit, Gerechtigkeit und unter Ausschluss von Arbeitslosigkeit
Unser Votum für einen eigenen Weg der DDR ist kein "linker Nationalismus". Wir haben nicht vergessen, wie wenig der die Weltwirtschaft beherrschende internationale Kapitalismus in der Lage war und ist, zur Lösung von nunmehr zu Überlebensfragen der Menschheit gewordenen Problemen des Massenelends, der globalen ökologischen Verwahrlosung und der Bedrohung durch eine nukleare Katastrophe beizutragen. Die umfassende politische und militärische Entspannung sowie eine internationale Zusammenarbeit zur Lösung dieser Probleme ist mehr denn je nötig. Während der Endphase des Zusammenbruchs stalinistischer Diktaturen haben sich die Räume für eine realistischere Politik in diesem Sinne durch eine Reihe außenpolitischer Initiativen osteuropäischer Länder, vor allem der Sowjetunion, erweitert. Doch diese Chancen werden wieder preisgegeben, wenn dem international organisierten Kapitalismus das Feld überlassen und ihm nicht im internationalen Maßstab mit Alternativen begegnet wird. Eine Kapitulation vor der Übermacht international organisierten Kapitals wird die weltweite Krise erneut eskalieren lassen. Deshalb treten wir ein
- für die aktive Teilnahme der DDR an der internationalen Zusammenarbeit zur Lösung der weltweiten politischen und ökologischen Probleme; für eine internationalistische Politik der Unterstützung des Befreiungskampfes der Völker gegen koloniale und neokoloniale Unterdrückung; für die Aufhebung einer Spaltung der Welt in den reichen Norden und den armen Süden;
Die Perspektive eines Sozialismus der Freiheit und Demokratie darf kein Bekenntnis bleiben, sondern muss eine Volksbewegung zur Verwirklichung konkreter Ziele werden! Unser Land ist über lange Zeit dem Diktat selbstherrlicher Bürokraten ausgeliefert gewesen, die ihre Misswirtschaft mit unerträglicher Sozialismusdemagogie verbrämten. Eine der verheerendsten Konsequenzen stalinistischer Politik ist es, dass viele Menschen in unserem Land den Stalinismus mit Sozialismus zu identifizieren begannen. Vielen Menschen, die den Mut aufbrachten, sich gegen die Herrschaft der Bürokraten zu wehren und die zu der Massenbewegung gehörten, die sie hinwegfegte, fehlt heute die Zuversicht, nun endlich die eigenen Angelegenheiten auch selbst in die Hand nehmen zu können. In der großen Koalition von Kohl bis Honecker hieß es, es gäbe keine Alternative zwischen Kapitalismus und eben jenem als "Sozialismus" auftretenden Stalinismus. Wir sagen: Jene Alternative ist auch heute noch SOZIALISMUS; ein Sozialismus der Freiheit und der Demokratie, ein auf Volkssouveränität beruhendes Gemeinwesen selbstverwalteter Betriebe und Kommunen, deren Räte unmittelbar die Interessen der Menschen vertreten. Er ist heute das Einfache, was nach vierzig Jahren Stalinismus nur noch schwerer zu machen sein wird. Er ist nicht gescheitert, weil er noch nicht begonnen wurde.
Wie sieht die "Vereinigte Linke" die heutige Situation in unserem Land?
Nach dem Sturz des alten Regimes durch das Volk haben Konjunkturritter des Ausverkaufs die Initiative ergriffen: Begünstigt von einer vor dem Druck des Auslandskapitals und den Wortführern des Anschlusses der DDR an die BRD immer weiter zurückweichenden Regierung behandeln Betriebsleiter das ihnen anvertraute Volksvermögen wie ihr Privateigentum. Als geübte alte Bürokraten schlüpfen sie problemlos in die neue Rolle der kleinen Selbstherrscher unter dem Banner der "Marktwirtschaft", schachern ohne jede Legitimation mit dem startbereiten Auslandskapital und liquidieren unter Ausnutzung der Gewerkschaftskrise soziale Errungenschaften. "Wirtschaftsreformer" zu sein heißt für sie in erster Linie, von Sachwaltern des alten Kommandosystems der Stalinisten zu Vorkämpfern des neuen Kommandos eines "freien Marktes" zu werden. Als geübte Bürokraten vollziehen sie diesen salto mortale um so brillanter, je weicher sie selbst dabei landen: Auf dem Geldsack der eigentlichen neuen Herren aus dem Westen oder auf dem Kreuz der wegzurationalisierenden Belegschaftsteile. So wachsen die sozialen Ängste in der Bevölkerung und schwindet ihr Bewusstsein in die eigene Kraft für einen eigenen Weg. Hinzu kommen die von der Modrow-Regierung geschürten Illusionen auf Lösung aller Probleme durch eine schnelle Wiedervereinigung mittels Wirtschafts- und Währungsunion mit der BRD. Hier drohen der Bankrott von mehr als der Hälfte aller Betriebe, Massenarbeitslosigkeit und vollständiger Verlust geldpolitischer Souveränität der DDR zugunsten der Bundesbank. Das BRD-Kapital hat nichts zu verschenken. Es wird dann erbarmungslos seinen Schnitt machen, das Lohnniveau in Ost und West drücken und ihre Geschäftsbedingungen zum Maßstab für den Zeitpunkt der so faktisch schon besiegelten Übergabe der DDR machen.
Wie steht die "Vereinigte Linke" zur Frage der deutschen Einheit?
Wenn wir für die entschiedene Wahrung der Werktätigeninteressen eintreten, so tun wir dies auch und gerade mit der Verteidigung der Souveränität unseres Landes. Eine "Vereinige Linke" muss das Bündnis mit allen suchen, die sich gegen die Preisgabe der DDR und seiner Bürger wenden.
Wir treten ein für die Verteidigung der Souveränität der DDR gegenüber allen Forderungen nach einer schnellen "Wiedervereinigung" als Angliederung an die BRD. Selbstbestimmung heißt für uns nicht Unterwerfung unter das politische und wirtschaftliche System des Kapitalismus, sondern eigenverantwortliche Gestaltung unserer Zukunft. Ebensowenig wollen wir den stufenweisen Ausverkauf zu den Bedingungen des Auslandskapitals: Die Verwandlung der DDR in ein Billiglohnland und eine verlängerte Werkbank der BRD. Wir wollen die schnelle Aufnahme von Verhandlungen mit der BRD über die langfristige Ausgestaltung des Grundlagenvertrags im Sinne einer Vertragsgemeinschaft entsprechend dem Grundsatz "Zwei Staaten - eine Nation" bei gegenseitiger staatsrechtlicher Anerkennung. Wir wollen die Entwicklung enger wirtschaftlicher und politischer Beziehungen bei Ausbau aller Aspekte des gemeinsamen nationalen Zusammenhangs und die Ausarbeitung eines verbindlichen Rahmens zur Wahrnehmung gesamtdeutscher Verantwortung, insbesondere für den Frieden. Wir fordern eine gemeinsame Garantieerklärung beider deutscher Staaten für die polnische Westgrenze.
Wie steht die "Vereinigte Linke" zu den politischen Kräften unseres Landes?
Wir haben uns nicht von der Diktatur einer stalinistischen Bürokratie befreit, um uns jetzt der Willkür von neuen Managern, der Ausbeutung durch unkontrolliertes Auslandskapital oder der Selbstherrlichkeit neuer oder mehrfach "gewendeter" Parteivorstände auszusetzen! So begannen zunächst Funktionäre der gestern noch allmächtig herrschenden SED, uns die verlogene Aussicht auf eine "Marktwirtschaft" als Grundlage ihres "demokratischen Sozialismus" schmackhaft zu machen. Und dies, nachdem eine Clique von Politbürokraten jener Partei die alte Vision einer freien und demokratischen Gesellschaft so gründlich verraten hat! Kaum, dass deren führende Vertreter vom Volk verjagt und an ihre Stelle tretende Wendehälse abgetreten sind, soll mit Billigung der neuen PDS-Führung der Name "Sozialismus" nun herhalten zur Rechtfertigung einer Kumpanei alter Staats- und Wirtschaftsfunktionäre mit neuen einheimischen und bekannten ausländischen Kapitalisten. Wieder soll durch Missbrauch dieses Namens eine Ausbeutungsordnung verschleiert werden! Die Funktionäre der SPD unseres Landes verzichten wenigstens ehrlicherweise mehr und mehr darauf, ihre Losung von der "sozialen Marktwirtschaft" noch mit der vom "demokratischen Sozialismus" zu verbinden und stehen nun rechts von der SPD-West. Doch die ehemaligen Blockparteien machen endgültig Schluss mit diesen Halbheiten: Sie haben nun ihr Herz für einen gediegenen Kapitalismus entdeckt - einen "sozialen" natürlich. Der "Demokratische Aufbruch" bedient in der konservativen Allianz mit CDU und DSU den modernen Zeitgeist durch ihre "sozial-ökologische" Forderung nach Reprivatisierung der Kombinate. Wer sollen wohl nach ihren Wünschen die neuen Herren sein? Sie spekulieren alle darauf, dass ein vom Stalinismus demoralisiertes Volk sich lieber besser bezahlt ausbeuten lässt, als sich nochmals und diesmal in eigener Sache und Verantwortung auf den Weg zu machen. Wie ihre neuen politischen Verbündeten im Westen wollen die bürgerlichen Parteien uns einreden, es gäbe nur noch die Wahl zwischen Stalinismus und einem sozial entschärften Kapitalismus. Dies ist auch auf die Bürgerbewegungen nicht ohne Wirkung geblieben. Und doch setzen wir viele Hoffnungen auf sie und auf alle durch die Werktätigen in eigener Initiative geschaffenen Organisationen. Je entschiedener die Bürgerbewegungen und authentische Gewerkschaften der sozialen Demagogie einer "solidarischen Gesellschaft" unter kapitalistischen Bedingungen entgegentreten und Ökologie nicht nur zum Lippenbekenntnis verkommt, bleibt die Alternative einer freien Gesellschaft lebendig.
Was hat die "Vereinigte Linke" einer kapitalistischen Restauration entgegenzusetzen?
Unsere Alternative ist nicht irgendein "dritter Weg". Wir wollen dafür arbeiten, dass der Entmutigung von zu "Vollbeschäftigteneinheiten" degradierten Menschen nicht ihre Entmündigung durch neue Manager folgt. Schon heute sehen wir, dass diese neuen Marktwirtschaftler nur zu oft die "gewendeten" alten Wirtschaftsbürokraten sind. Ebensowenig dürfen wir zulassen, dass die Ausbeutung der Werktätigen als Billiglohnarbeitskräfte durch Auslandsmonopole möglich wird. Doch wie kann dies in einem heruntergewirtschafteten Land nach 40 Jahren Stalinismus gelingen? Ist dies durch die am 18. März in der DDR stattfindenden Wahlen abzuwenden? Demokratie kann für uns nicht einfach nur das Recht bleiben, seine Stimme abzugeben. Das Volk wird seine Souveränität nur mit der Entfaltung basisdemokratischer Initiativen verteidigen. Straßendemonstrationen können Regierungen und herrschende Cliquen hinwegfegen. Wenn wir aber unsere eigenen Angelegenheiten nicht wieder aus der Hand geben und Parteien überlassen wollen, so müssen wir gemeinsam alle Formen direkter Demokratie entwickeln. Dies hat nicht nur im politischen Leben, sondern auch und vor allem im Bereich der Wirtschaft zu geschehen. Bürgerkomitees, Volkskontrollausschüsse sowie starke Gewerkschaften und Räte in den Betrieben und Kommunen können die Keimformen dieser direkten Demokratie sein. Basisdemokratische Kontrolle der Regierungsarbeit wird so zu wirklicher politischer Selbstbestimmung des Volkes, und über die Mitbestimmungsarbeit der Betriebsräte entwickelt sich die Selbstverwaltung des Werktätigen. Solche Formen direkter Demokratie verwirklichen Volkssouveränität lebendiger, als dies jemals durch Parlamentsparteien ermöglicht werden kann. Wenn uns dies gelingt, so sind wir wirklich auf dem Wege zum Sozialismus - wir sind es, wenn wir selbst ihn machen und uns nicht mehr in seinem Namen betrügen lassen.
Was ist angesichts der ökologischen Misere zu tun?
In der DDR wird seit langem schon ein Vernichtungskrieg gegen die Natur geführt. Die Natur befindet sich auf dem Rückzug und wird bei uns bald gestorben sein.
Die Rettung der Umwelt wird, wenn sie noch möglich werden soll, in letzter Minute erfolgen! Dies erfordert ein neues Denken, das Länder- und Systemgrenzen überschreitet und die Menschen als Notgemeinschaft handlungsfähig machen muss. Nur dann wird dies gelingen. Und die Möglichkeiten liegen auf der Hand, wenn etwa an eine koordinierte Umlenkung der Mittel zur Rüstungsproduktion gedacht wird, falls solche Reserven sich im Vollzug weltweiter Abrüstung erschließen. Diese Mittel können zur Welthungerbekämpfung und zur technologischen Modernisierung im Namen der "ökologischen Vorbeugung" (ressourcensparendes Wirtschaften, Ablösung umweltzerstörender Technologien ect.) eingesetzt werden, wenn dies gemeinsam mit einem Druck von unten, durch ökologische Basisbewegungen auf die Regierungen, einhergeht. Somit ist der Kampf um unsere Umwelt nicht nur ein administratives, technologisches oder ideologisches Problem, sondern vor allem ein politischer Kampf, in dem wirtschaftliche Sonderinteressen nur zu oft und immer noch den Schaden vergrößern.
UNSER PROGRAMM
Wirtschaft
Was sind die Voraussetzungen einer neuen Wirtschaftspolitik?
Heute geht es in erster Linie um die Verteidigung der Werktätigeninteressen und um die Verhinderung des Sozialabbaus. Doch linke Politik ist nur dann auch politisch tragfähig, wenn sie überdies eine wirtschaftspolitische Perspektive anbietet, welche die Interessen der Werktätigen und ihre sozialen Errungenschaften nicht nur schützt, sondern sie auszubauen erlaubt und die wirtschaftliche Entwicklung an gesellschaftliche und nicht an partikuläre Interessen bindet.
Das heutige Staatseigentum muss durch die Werktätigen in Volkseigentum verwandelt werden. Nicht der Gedanke volkswirtschaftlicher Planung ist gescheitert, sondern der als "Planung" ausgegebene staatszentralistische Dirigismus. Weder der bürgerliche Mythos "selbstheilender Kräfte des Marktes" noch die bürokratische Ignorierung der Rolle des Wertgesetzes werden eine Alternative schaffen. Diese Alternative wird sich entwickeln auf dem Wege der schrittweisen Verwirklichung betrieblicher Selbstverwaltung und der wirtschaftsregulierenden Rahmensetzung legitimierter Organe der Volkssouveränität auf allen Ebenen. So wird sich in der Perspektive auch die Möglichkeit einer ökonomisch gerechtfertigten Planung volkswirtschaftlicher Proportionen eröffnen, die den differenzierten gesellschaftlichen Bedürfnissen und ökologischen Notwendigkeiten endlich Rechnung trägt.
Die Produktion muss sich an den konsumtiven Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren, ohne wachsenden Verbrauch zu stimulieren. So hat die Regulierung der Marktproduktion von Konsum- und Massenbedarfsgütern einschließlich des Außenhandels der betreffenden Branchen durch gesellschaftliche Räte der Konsumenten und Produzenten zu erfolgen. Sie hat sowohl die territorialen Rahmensetzungen der örtlichen Volksvertretungen als auch die von demokratisch legitimierten Organen zu vertretenden gesamtgesellschaftlichen Erfordernisse (ökologische und sozialpolitische Festlegungen) zu beachten. Die marktwirtschaftliche Produktion der anderen Erzeugnisse findet auf der Grundlage gesellschaftlich festzulegender Rahmenpläne einer Struktur- und Außenhandelspolitik statt.
Insofern halten wir folgende Voraussetzungen für unverzichtbar:
- Die Bodenschätze, der in Gemeineigentum überführte Grund und Boden, die Energieversorgung, das zentrale Verkehrswesen und die zentralen Medien, Post und staatliches Bauwesen, die Großindustrien sowie der gesellschaftliche Wohnungsfonds dürfen nicht privatisiert werden.
- Die Umwandlung staatlicher in genossenschaftliche Betriebe, die Bildung von Genossenschaften und Unternehmen mit privater und ausländischer Kapitalbeteiligung sowie die Gründung von Privatunternehmen ist nur zulässig, wenn die gewerkschaftlichen Rechte, die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte, die Gültigkeit der Arbeits- und Sozialgesetzgebung der DDR für deren Werktätige und der Schutz der Umwelt garantiert sind.
Wir wenden uns entschieden gegen jene, die eine Rücknahme der Bodenreform propagieren und damit Ambitionen der Junker auf Wiederherstellung ehemaligen Besitzstands begünstigen. Wir treten für die Förderung genossenschaftlichen Eigentums in der Landwirtschaft ein.
Wir fordern die Offenlegung potentieller Quellen des von der Regierung Modrow/Luft avisierten "nationalen Kapitals" und die Verhinderung der Reinwaschung unrechtmäßig erworbenen Vermögens.
Vom Staatseigentum zum Volkseigentum
Die Mittel für den Staatshaushalt müssen unter dem Gesichtspunkt des Abbaus eines überdimensionierten Eigenverbrauchs (Verwaltung) unter Berücksichtigung der eingeschränkten staatlichen Befugnisse wirtschaftsregulativer Tätigkeit dimensioniert werden. Die Neubestimmung der Nettogewinnabführung zwingt auch den Staat zu ökonomischem Verhalten.
Es ist Kommunaleigentum durch Direktabführung normativen Nettogewinns an die Kommunen zu bilden. Damit ist der Zerfall der Infrastruktur, der Wohnsubstanz und der kommunalen Wirtschaftseinheiten der Städte und Gemeinden wirksam aufzuhalten.
Grundlage der Selbständigkeit von Betrieben muss das selbstverwaltete Betriebseigentum werden. Die stufenweise Fondsübergabe an Arbeitskollektive (beginnend bei den Lohnfonds) fördert die Entwicklung von Eigenverantwortung und das ökonomische Interesse an ressourcensparender Produktion, hoher Flexibilität und leistungsgerechter Lohnfondsverwendung. Gleichzeitig verhindert dies Technikerneuerung auf Kosten der Arbeits- und Lebensbedingungen. Wir stehen entschieden an der Seite von Betriebsräteinitiativen, die gemeinsam mit den Gewerkschaften ihr erkämpftes Mitbestimmungsrecht und Errungenschaften selbstverwalteten Eigentums gegen Fremdbestimmung durch ausländische Kapitaleigner verteidigen.
Wie kann die Demokratisierung der Arbeitswelt erfolgen, und wie ist eine bedürfnisorientierte Produktionsstruktur von unten durchsetzbar?
Kern einer neuen Wirtschaftspolitik müssen die durchgängige Demokratisierung der Arbeitswelt und die Ausrichtung der Produktion an den Bedürfnissen der Konsumenten sein. Dies kann weder das Resultat von bürokratischen Verwaltungsentscheidungen noch von Marktautomatismen mit dem Regulativ der zahlungsfähigen Nachfrage sein. Vielmehr ist es das Resultat eines ständigen Anpassungsprozesses, der von Partnern mit unterschiedlichen Interessenlagen in höchster wirtschaftlicher Effektivität und Wahrung sozialer Gerechtigkeit, also von unten, vollzogen werden muss. Dies bedeutet:
- die demokratische Wahl von Räten durch die Belegschaften in den staatlichen Betrieben und Gütern sowie in Forstwirtschaftsbetrieben, wissenschaftlichen Lehr- und Forschungseinrichtungen, den zentralen Medien, den Betrieben des Kultur- und Bildungswesens, des Gesundheits- und Erholungswesens sowie des Sports
- die Wahrnehmung der Rechtsträgerschaft durch gewählte betriebliche Räte und die Sicherung der gewerkschaftlichen Interessenvertretung der Werktätigen
- die Einbeziehung der Nutzer, Hauptanwender und Kooperationspartner in die betrieblichen Entscheidungsprozesse
- die überbetriebliche Formierung betrieblicher Räte und genossenschaftlicher Vorstände zu gleichberechtigten Legislativorganen neben den gewählten territorialen Volksvertretungen, um den Interessenausgleich zwischen Konsumenten und Produzenten im Territorium zu vermitteln. Insbesondere können territoriale Konsumentenräte innerhalb der Volksvertretungen arbeiten.
Was vermögen Räte in den Betrieben, und warum sind sie das wichtigste Instrument einer betrieblichen Demokratisierung?
Die Betriebsräte realisieren in staatlichen Betrieben die Eigentümerfunktion der Werktätigenkollektive. In der ersten Etappe ihrer Tätigkeit verwirklichen sie schrittweise die Kontrolle und Mitbestimmung der Werktätigen im Betrieb.
Die einzelnen Kollektive der Arbeiter und Angestellten wählen ihre Vertreter in den Betriebsrat. Der Wahlmodus hat zu gewährleisten, dass die Mitgliedschaft von KollegInnen in Parteien oder Massenorganisationen (einschließlich Gewerkschaft) weder Hindernis noch Voraussetzung ihrer Kandidatur (Wählbarkeit) für den Betriebsrat ist. Kriterien ihrer Wahl sollen ausschließlich das Vertrauen der Kollektive in sie und ihre Eignung für an sie gestellte Anforderungen sein. Dies schließt jederzeit die Möglichkeit ihrer Abberufung durch die Kollektive (mit einfacher Mehrheit) und die Neuwahl ein. Bei Selbstbeschränkung der Räte auf die Kontrolle betrieblicher Leitungsentscheidungen ist die Wahl von Betriebsleitungsmitgliedern in die Räte ebenso unzulässig wie die sonstige Einflussnahme der Betriebsleitung auf die Zusammensetzung und die Arbeit der Räte.
Die Kontrollaufgaben der Räte bauen auf der Informationspflicht der Betriebsleitung auf.
Die jährlichen und längerfristigen Entwicklungspläne der Betriebsleitung sind dem Betriebsrat vorzulegen und sind von ihm zu bestätigen. Die strategischen betriebspolitischen Entscheidungen der Leitung gelten mit dem Zustimmungsvorbehalt des Betriebsrats (Mitbestimmung, aufbauend auf dem Vetorecht).
Die Mitbestimmung bei strategischen Entscheidungen (neue Technologien und Investitionen, einschneidende Rationalisierungsmaßnahmen, Strukturveränderungen in Produktion, Sortiment, Absatz, Finanzierungsstrategien ect.) auf der Grundlage der Offenlegung der Bilanzen und Eckdaten und in Personalfragen (insbesondere bei der Besetzung der Leitungsfunktionen) ist ebenso zu sichern wie die Mitentscheidung über innerbetriebliche Gewinnausschüttungen. Heute ist dabei den Aufgaben der Entbürokratisierung, der Ablösung inkompetenter Kader und der Durchsetzung von Produktionsdemokratie auf allen Ebenen Vorrang zu geben. Dem Betriebsrat sind innerhalb des Betriebs von der Betriebsleitung die notwendigen Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und der Schutz seiner Mitglieder zu verankern. In den großen staatseigenen Betrieben ist heute ein Mitbestimmungsmodell in Gestalt eines Verwaltungsrats aus Vertretern des Betriebsrats, des Staates (u.a. der heute noch vom Staat eingesetzten Betriebsleitung), der Gewerkschaften und der territorialen Körperschaften (kommunale Räte) zu verwirklichen.
Das Recht auf Eigentum der Werktätigen an ihrem Betrieb darf nicht mit dem Recht jedes einzelnen Werktätigen auf kollektiv zu organisierenden Schutz seiner Interessen gegenüber dem Betrieb identifiziert werden! Weil die Interessenvertretung der (gewerkschaftlich organisierten) Werktätigen gegenüber dem Betrieb infolge der Vertrauenskrise gegenwärtig auf sehr unterschiedlichem Niveau gesichert ist, wird heute mitunter ein Betriebsrat den Schutz der Betriebsangehörigen (Einhaltung des AGB, Gesundheitsschutz, soziale Ansprüche gegenüber dem Betrieb ect.) mit wahrnehmen müssen und damit über seine eigentlichen Aufgaben (Kontrolle der Betriebsleitung und Mitbestimmung) hinausgehen. Es gibt daher ein wohlverstandenes Interesse der Räte in staatseigenen Betrieben an funktionsfähigen Gewerkschaften. Andererseits gibt es ein Interesse der Gewerkschaften, gewisse ihnen zugebilligte und bis heute nur formal eingelöste betriebswirtschaftliche Mitbestimmungsrechte an die Betriebsräte abzugeben, um sich auf die Interessenvertretung der Belegschaft (auch hinsichtlich der Folgen solcher von den Räten mitverantworteten Entscheidungen) konzentrieren zu können. Insofern sind bis zur Verabschiedung eines Betriebsverfassungsgesetzes die Zuständigkeiten innerhalb des BKV neu festzulegen. Wir treten für die verfassungsrechtliche Verankerung des Streikrechts als Kampfmittel der Gewerkschaften, des Aussperrungsverbots und für das Recht der Urabstimmung ein. Die Errungenschaften des AGB der DDR zum Schutz der sozialen Sicherheit aller Beschäftigten müssen ebenso verteidigt und ausgebaut werden, wie der Kampf um echte Mitbestimmung heute mit aller Konsequenz zu führen ist. In den Betrieben aller Eigentumsformen ist heute zumindest paritätische Mitbestimmung über von der ganzen Belegschaft demokratisch gewählte Betriebsräte in den Aufsichtsräten zu gewährleisten. Mitbestimmungsrechte über Betriebsräte in staatlichen Betrieben sind in Richtung betrieblicher Selbstverwaltung auszubauen. Aus dieser Perspektive ist der Betriebsrat das höchste Organ des selbstverwalteten Betriebs. Dies bedeutet u.a., dass die Betriebsleitung vom Betriebsrat eingesetzt oder vom Betriebsrat bestätigte Kandidaten (Ausschreibung und Kandidatenvorprüfung) von der Belegschaft bestätigt werden.
Wie steht die "Vereinigte Linke" zur Frage der Wirtschaftsreform?
Wir treten ein für eine drastische Wirtschaftsreform und fordern deshalb:
- die Reduzierung der wirtschaftsleitenden Tätigkeit des Staates auf Prognostizierung, Koordinierung, Information und Steuergesetzgebung; auf die Schaffung und Unterhaltung sowie den Ausbau der Infrastruktur; auf die Gestaltung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die selbständige betriebliche Außenwirtschaftstätigkeit (rahmenplangebundene Präferenzen, Zölle und Tarife).
- eine gerechte Steuergesetzgebung, welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betriebe, Genossenschaften und privaten Unternehmen im Interesse sich ständig verbessernder Lebensqualität, also einer stetigen Verbesserung
- der natürlichen Umweltbedingungen
- der städtischen und ländlichen Infrastruktur
- des Gesundheits- und Bildungswesens
- der sportlichen, touristischen und kulturellen Einrichtungen stimuliert und in diesem Sinne eine gerechte Aufteilung der Steuern auf Staat, Länder und Kommunen vollzieht.
- die öffentliche Kontrolle der Banken sowie der Geldmengen- und Währungspolitik durch Organe der Volksvertretungen bei unmittelbarer Unterstellung der Zentralbank unter die zentrale Legislative
- die Dezentralisierung staatlicher Finanzpolitik zur Sicherung des finanziellen Eigenaufkommens der territorial-politischen Gemeinschaften sowie einen Lasten- und Finanzausgleich zwischen den Gemeinden
- die wirtschaftliche Selbständigkeit der Betriebe, ihre Eigenfinanzierung mit Rentabilitätszwang und die Durchsetzung des Wertgesetzes nach einem Stufenplan, der den sozialen Besitzstand der Werktätigen, insbesondere ihr Recht auf Arbeit, die soziale Sicherheit und die Geldwertstabilität garantiert.
- die Verbesserung der sozialen Lage der arbeitenden Menschen, insbesondere die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Entwicklung persönlichkeitsfördernder Arbeitsinhalte, sowie die Verkürzung der Arbeitszeit durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt und Rationalisierung der Wirtschaft ohne Arbeitslosigkeit.
Wie kann die Wirtschaftstätigkeit und Kooperation von perspektivisch auf Selbstverwaltung orientierenden Betrieben funktionieren?
Auf der Grundlage einer Dezentralisierung der Industrieproduktion nach den Kriterien einer optimalen Betriebsgröße und organischen Standortverteilung
- schließen selbständige Betriebe nach Markt- und Staatsbedarf untereinander Wirtschaftsverträge ab.
- stellen Betriebe über eigene Marktforschung und Trendeinschätzungen beauftragter Forschungseinrichtungen eigene Produktions- und Absatzpläne auf und handeln untereinander Vereinbarungspreise aus. Die so gewährleistete synthetische Planung "von unten nach oben" unter den Voraussetzungen des sich in Volkseigentum verwandelnden Staatseigentums garantiert eine bedürfnisadäquate Versorgung von Konsumenten unter Marktbedingungen und die auf Staatsaufträgen basierende stimulierende Strukturpolitik. So stellt sich auf der Grundlage von Arbeitereigentum, Mitbestimmung und Rahmenplanung eine planmäßige Proportionalität in volkswirtschaftlicher Dimension her. Der Scheinwiderspruch von Markt und Plan, von dem ganze Generationen bürgerlicher Nationalökonomen lebten, wird so ad absurdum geführt. Nur so werden Bedürfnisse der Menschen und der Gesellschaft befriedigt und nicht lediglich der Bedarf (die zahlungsfähige Nachfrage) abgedeckt.
Wie kann eine staatliche Rahmenplanung aussehen?
Die bisherige Kommandowirtschaft hat das Planungsprinzip nicht angewandt, sondern Willkürentscheidungen als "Planung" ausgegeben und den realen Boden für ökonomisch begründete Volkswirtschaftsplanung permanent aufgeweicht. Nicht nur durch ein völlig verzerrtes Preissystem, unzureichende Anwendung von Krediten und Zinsen für die Ökonomisierung und eine irrationale Bilanzpolitik, sondern auch infolge Konzeptionslosigkeit waren weder die betriebswirtschaftliche Kalkulation der wahren Kosten und der wirklichen Leistung noch perspektivisches volkswirtschaftliches Handeln möglich. Jedoch kann keine entwickelte Wirtschaft ohne staatliche Rahmenplanung bestehen. Zur Durchsetzung staatlicher Strukturplanung ist neben steuerpolitischer Regulation und Vorgabe längerfristiger leistungsbezogener Lohn- und Einkommensnormative nur wirtschaftsvertraglich geregelte Staatsauftragstätigkeit und ökonomische Stimulierung (über Abgabe- und Zuschusspräferenzen, Kredite, Preise, Zölle usw.) zulässig. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden volkswirtschaftlich entscheidende Modernisierungsprojekte und bestimmte Strukturwandlungen noch durch zentrale Mittel (aus dem Staatshaushalt und Branchenzuschüsse) ermöglicht, beschleunigt bzw. sozial abgesichert werden müssen. Wenn so die volkswirtschaftlichen Grundproportionen zwischen Aufkommen und Verwendung des Nationaleinkommens sowie seiner Teilung in Akkumulation und Konsumtion gewährleistet werden sollen, erfordert dies unter anderem eine konsequente Industriepreisreform und die ökonomische Bewertung von Ressourcen, insbesondere der Naturressourcen. Es muss auf gesamtwirtschaftliche, territoriale und regionale Rahmenplanung der wichtigsten Entwicklungsrichtungen (Wachstum, Ökologie, Wissenschaft und Technik, Rohstoffbasis) sowie auf begründete Konzepte der Industriezweigentwicklung und der landwirtschaftlichen Produktionsstrukturen orientiert werden.
In diesem Sinne sind unrentable, umweltzerstörende und sozial gefährliche Zweige zu sanieren, umzustrukturieren bzw. abzubauen (z. Bsp. Braunkohleverstromung, Automobilbauindustrie, Atomkraftwerke), überdimensionierte Zweige zu reduzieren bzw. zu spezialisieren (z. Bsp. Mikroelektronik), Schlüsselzweige zu modernisieren (z. Bsp. Chemieindustrie) und innovationsgünstige Zweige mit langer Fertigungstradition umweltschonend auszubauen (z. Bsp. Maschinenbau, Feinmechanik, Glas-Keramik-Industrie). Die DDR bedarf einer völlig neuen langfristigen Energiekonzeption. Der Ausstieg aus der Kernenergie und die Reduzierung des Anteils der Braunkohle am Primärenergieaufkommen ist aus Gründen der Sozialverträglichkeit und Ökologie ebenso unverzichtbar wie der Umstieg auf alternative Energiequellen, Steinkohle- und Öl-/Gasimporte nur mittel- und langfristig machbar. Auf Grund ihrer Brennstoffsituation muss die DDR an einem europäischen Energieverbundnetz interessiert sein. Auch Sofortmaßnahmen, wie Energiesparprogramme, werden in volkswirtschaftlicher Größenordnung nur durch den Breiteneinsatz von modernen Verbraucherregelsystemen wirksam. Wir haben es also insgesamt mit einer Herausforderung nicht nur kostenintensiver, sondern auch technologischer Natur zu tun. Dies erfordert ebenso langen Atem, wie Konsequenz.
Das territoriale Süd-Nord-Entwicklungsgefälle ist durch Lastenausgleich schrittweise zu regulieren. Für den Ausbau und die Verbesserung des Massen- und kommunalen Verkehrsnetzes ist der Individualverkehr steuerlich differenziert mehr zu belasten (zusätzliche Ökosteuer für katalysatorfreie Kfz) und so gleichzeitig auch die beizubehaltende Subventionierung der Tarife zu finanzieren.
Es ist eine Teilung der Deviseneinnahmen zwischen Staat, Betrieb und Belegschaft zur Ankurbelung des NSW-Exports durchzusetzen, um so die hohe Verschuldung abbauen zu können.
Wie steht die "Vereinigte Linke" zum Leistungsprinzip?
So wie ohne eine radikale Wirtschaftsreform der sich selbst reproduzierenden Mangelwirtschaft nicht beizukommen ist, kann ohne Leistung keine bedürfnisgerechte Versorgung gewährleistet werden. So wie ohne Mitbestimmung das bekannte Desinteresse anhalten wird, bleibt ohne leistungsgerechte Entlohnung die verbreitete Leistungszurückhaltung und der anhaltende Arbeitsverdruss obligatorisch. Wir fordern:
- individuelle und kollektive Entlohnung der Arbeiter und Leiter in strikter Abhängigkeit von der Leistung (in einer Spanne von bis zu 40 % der Einkommen)
- gleiche Lohnsteuern und Übergang zum Nettoprinzip
- Abbau der Durchschnittslohnzahlung für Stunden ohne Leistung
- Ausarbeitung einer leistungsgerechteren Arbeitsklassifizierung, Mitentscheidungsrechte der Arbeitskollektive bei Normenveränderung und Aufhebung der Unterbewertung von frauentypischer Berufstätigkeit
Wie sollen Leistungsprinzip und soziale Sicherheit vereinbart werden?
Mit dem Übergang zu marktregulierter, bedürfnisorientierter Wirtschaftstätigkeit selbstverwalteter Unternehmen ist der Erhalt und Ausbau der sozialen Sicherheit nicht nur nötig, sondern in verstärktem Maße und außerhalb einer rein profitorientierten Marktwirtschaft auch möglich. Wir fordern:
- leistungsunabhängiges Recht auf Arbeit für alle, aber leistungsabhängige Arbeitsplatzsicherung
- leistungsunabhängiges Recht auf Urlaub, aber leistungs- und altersabhängige Zahl der Urlaubstage
- staatliche Absicherung der Werktätigen bei Rationalisierungs- und Strukturmaßnahmen (Überbrückungs-, Umschulungs- und Ausgleichszahlungen durch den Betrieb und aus dem Staatshaushalt)
- normierte und ökonomisch gestützte Beschäftigung von physisch und psychisch Behinderten und Geschädigten einschließlich Arbeitsplatzgarantie
- Sondersicherung von Vorrentnern und werdenden Müttern
- leistungsunabhängige Stützung des sozialen Grundbedarfs bei Abbau auskauf- und vergeudungsfördernder Subventionen.
Wie soll die internationale Wirtschaftskooperation aussehen?
Im Handel mit den entwickelten kapitalistischen Ländern und auf dem Gebiet der joint-ventures ist eine einseitige Ausrichtung auf die BRD durch Diversifikation insbesondere zugunsten der anderen EG-Länder abzuwenden. Die Möglichkeiten des Ausbaus aller Wirtschaftsbeziehungen mit Osteuropa im Rahmen eines reformierten RGW und insbesondere mit der UdSSR müssen extensiv genutzt werden.
Ein Stabilisierungsverbund osteuropäischer Länder, der als "Schuldnerkartell" die Möglichkeiten einer engen Zusammenarbeit mit der EG prüft, wird die guten Möglichkeiten, die das westeuropäische Währungssystem auf der Grundlage der ECU bietet, nutzen können, wenn Bereitschaft zu beiderseits vorteilhafter Kooperation besteht. Wir stehen einer engen Zusammenarbeit der RGW-Länder mit der EG positiv gegenüber und setzen die Priorität auf die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen in einem reformierten RGW. Ein einseitiger EG-Beitritt der DDR mit allen Konsequenzen würde heute nichts anderes als den nominellen Verlust der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unseres Landes bedeuten.
Sofortige Währungsreform in der DDR hin zu voller Konvertibilität der Mark ohne parallelen Leistungsanstieg in der Wirtschaft hieße heute Abwertung der Währung, Entwertung von Löhnen und Spareinlagen und Preisanstieg. Eine "Reform" der Wirtschaft nur über Geldmechanismen und ohne dämpfende Staatsregulation ist eine unkontrollierte Schocktherapie. Dies hieße Aufgabe der DDR statt Sanierung ihrer Wirtschaft - also ihre Auslieferung an die Wirtschaftsübermacht der BRD. Hier würden die Folgen bisheriger bürokratischer Misswirtschaft auf Europa abgewälzt, statt dass in europäischer Kooperation die DDR aus eigener Kraft diese Folgen beseitigt. Wir wollen schrittweise eine im Volk diskutierte Konzeption des Abbaus von verschwendungs- und effektivitätshemmenden Subventionen durchführen und die Angleichung der wichtigsten Industriepreise an die des Weltmarkts vornehmen. Dies darf nicht auf Kosten der sozial Schwachen geschehen. Die Erreichung einer Teilkonvertibilität der Mark über einen gesamteuropäischen Währungsfonds würde den Wechselkurs stabilisieren, einen Entwicklungskredit mit freier Verfügung ermöglichen und zum erforderlichen Leistungsanstieg beitragen.
Sozialpolitik
Heute geht es um die Verteidigung der sozialen Grundabsicherung im Interesse vor allem der einkommensschwachen Bevölkerungsteile. Das Bündnis der Linken mit den Gewerkschaften ist hier zwingend. Wir fordern die Kontrolle dieser und jeder künftigen Regierung hinsichtlich der Absichtserklärung, dass der wirtschaftlich vernünftige Abbau von Subventionen keine zusätzliche Einnahmequelle des Staatshaushalts bildet. Freiwerdende Mittel sind vornehmlich in Form von personengebundenen Zuschüssen zum Ausgleich von Mehrausgaben sozial Betroffener oder zur Stützung sozial Schwacher (insbesondere der Rentner) einzusetzen. Die hohen, bisher an die Konsumenten weitergegebenen produktgebundenen Abgaben für Konsumgüter sind abzubauen. Preisreformmaßnahmen bei Artikeln des Grundbedarfs dürfen grundsätzlich nicht zu Lasten der Personengruppen mit niedrigem Familieneinkommen gehen. Wir sprechen uns gegen die Freigabe der Mieten im Rahmen des Grundbedarfs an Wohnraum aus und sind für Mietzuschüsse für sozial Schwache, für eine progressive Mietsteigerung bis hin zur Kostendeckung bei Mehrbedarf unter Beibehaltung des Mieterschutzes für Rentner und Behinderte.
Wir verlangen die gesetzliche Verankerung einer automatischen Anpassung der Löhne und Gehälter, der Renten und anderer Sozialleistungen an die Inflationsrate (skala mobile).
Wir sprechen uns aus für:
- besondere Stützungen für sozial Schwache beim Subventionsabbau
- eine qualitative Verbesserung altersgerechter Betreuung und die Förderung von Rentner- und Alteninitiativen
- die Beibehaltung der unentgeltlichen medizinischen Versorgung der Bevölkerung
- die Verbesserung der Rehabilitation von Behinderten und chronisch Kranken
- den Ausbau von Maßnahmen der Integration psychisch Kranker in die Gesellschaft, statt ihrer Verwahrung in Kliniken
- die Förderung von Selbsthilfegruppen und alternativen Rehabilitations- und Integrationsmodellen.
In Abhängigkeit vom Tempo und vom Grad des Anstiegs der Produktivität orientieren wir auf die kontinuierliche Verkürzung der Arbeitszeit bei sofortiger Einführung der 40-Stunden-Woche sowie auf die Erhöhung des Grundurlaubs. Ebenso orientieren wir auf mehr Urlaub für Eltern, gestaffelt nach der Anzahl der Kinder. Alleinstehenden Frauen/Männern mit Kind/ern bzw. Familien mit behinderte/n Kind/ern muss die Möglichkeit geboten werden, an Orten Urlaub zu machen, an denen die Betreuung des/der Kindes/r gewährleistet ist. Die generelle Verbesserung der Urlaubsmöglichkeiten für Behinderte gehört für uns ebenso zu einer sozialen Gesellschaft.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern, der Schutz der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Schule und Familie und eine Änderung der Haltung gegenüber neuen Formen des Zusammenlebens in Gemeinschaften ist nicht per Gesetz zu erreichen. Dazu bedarf es eines tiefgreifenden Wandels des Bewusstseins und der Kultur unserer Gesellschaft:
Frauenpolitik
Wir fordern:
- die Einrichtung eines Staatssekretariats für die Gleichstellung der Geschlechter mit Vetorecht gegenüber allen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen, die eine aktive Gleichstellungspolitik behindern
- die Aufnahme der Tätigkeit von Gleichstellungsbeauftragten auf allen Ebenen der Volksvertretungen und in allen Betrieben (innerhalb der Betriebsratsarbeit) mit Vetorecht
- die Einführung einer 50 %-Quotierung in den Volksvertretungen
- den besonderen Schutz der Freiheit und Würde von Frauen und Kindern durch entsprechende Gesetzgebungen und eine öffentliche Diskussion über Sexismus in der Alltagssprache, den Medien (Werbung) ect.
- Maßnahmen zum Abbau der teilweise ausschließlich geschlechtsabhängigen Zugangsmöglichkeit bei bestimmten Berufen
- die Förderung der Eltern- und nicht der Mutterschaft (Elternjahr und Arbeitszeitverkürzung für Mütter oder Väter)
- die Verbesserung materieller Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vor allem für alleinerziehende Frauen und Männer, insbesondere durch Ausbau des Dienstleistungssektors und durch besondere Arbeitszeitregelungen
Kultur, Bildung und Erziehung
In der Kultur findet die Fähigkeit einer Gesellschaft zur individuellen und auch kollektiven Selbstreflexion und bewussten Zukunftsgestaltung unmittelbarsten Ausdruck. Im Prozess der Entwicklung einer Kultur ist umfassende Demokratisierung und freie Entfaltung aller kulturellen Äußerungen zu gewährleisten. Als Ort unmittelbarsten Ausdrucks von Individualität und (kollektiver) Kreativität, der auch die Bereiche der Alltagskultur und die Gestaltung urbanen Lebensraums einschließt, verbietet sich jedes Kunstdiktat durch politische Parteien und jede Diskriminierung bestimmter Formen des Ausdrucks. Die bisher auf Repräsentanz und Prämierung ideologischer Ergebenheitsadressen ausgerichtete Kunstförderung darf keinen Platz mehr haben. Um so mehr ist aber heute der drohenden flächendeckenden Kommerzialisierung künstlerischer Arbeit zu begegnen. Marktorientierte Korrumpierung vernichtet ebenso künstlerische Potenz wie politische Prostitution. Bildung, Erziehung und Kunst müssen als Investitionen in Lebensqualität begriffen werden. Nichtkommerzielle Kunst ist daher besonders zu schützen und vorzugsweise auf kommunaler Ebene finanziell zu fördern. Vor allem betrifft dies alternative Kunst- und Kulturprojekte (multikulturelle, feministische und interdisziplinäre Kunstformen) sowie den Bereich der Amateurkunst.
Ein zukünftiges Bildungs- und Erziehungskonzept kann nur dann Erfolg haben, wenn es im Ergebnis einer breiten Diskussion und Mitarbeit aller Gesellschaftsschichten entsteht und keine normative Persönlichkeitsbildung anstrebt. Mit zur Demokratisierung der Schulen, Kindergärten und Heime der Jugendhilfe gehören schon heute:
- die Wählbarkeit der Direktoren durch die Kollektive und die Verwirklichung von Elementen schulischer Selbstverwaltung
- die Konstituierung unabhängiger Vertretungen der Kinder und Jugendlichen, der Eltern und der LehrerInnen sowie ErzieherInnen
- die Erarbeitung klarer Rechtsgrundlagen für die Arbeit der Vertretungen im Interesse wirksamer Mitsprache sowie die Fixierung der Rechte der Kinder/Schüler und Lehrer selbst. Im Sinne der Maxime, dass ".. die freie Entwicklung eines jeden zur Bedingung für die freie Entwicklung aller wird" (K. Marx), sind
- der freie Meinungsstreit ohne Ausgrenzung und die individuelle Selbstverwirklichung ohne Diskriminierung zu fördern
- die differenzierte und persönlichkeitsbedingte Anwendung unterschiedlicher Lehr- und Lernmethoden
zu entwickeln. Hierzu gehört auch die Aufwertung der Horterziehung und die Gleichstellung der HortnerInnen und der Lehrerinnen sowie die Einrichtung von Elternschulen und der Abbau rollenspezifischer Erziehungsklischees.
Unbedingt ist die Errungenschaft kostenloser gleicher Allgemeinbildung für alle, die von der materiellen Lage der Familien unabhängig zu haltende prinzipielle Chancengleichheit des Zugangs zu höheren Bildungseinrichtungen, die Begabtenförderung auf allen Ebenen und die Sonderförderung sozial Benachteiligter, Geschädigter oder Behinderter zu erhalten und auszubauen. Dies muss den zweiten Bildungsweg einschließen. Bei alledem ist der Bildung von "Behinderteninseln" physisch oder psychisch geschädigter Kinder und Jugendlicher durch möglichst weitgehende Integration in die allgemeinen Schulen zu begegnen. Die Schulen sind von selbständigen territorialen Verwaltungen finanziell und materiell zu tragen und ein Lastenausgleich zur Gewährleistung einer landesweiten Bildungsgerechtigkeit zu verankern.
Politisches System
Was heißt Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Volkssouveränität für die "Vereinigte Linke"?
Die verfassungsmäßige Festschreibung der demokratischen Rechte und Freiheiten der Bürger und die Sicherung ihrer individuellen und kollektiven Freiheitsrechte schließen für uns ein:
- das Recht auf Arbeit und die Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes einschließlich des Rechts auf Gründung einer selbständigen Existenz als Freiberufler oder im Rahmen eines Betriebs sowie des Rechts auf Gründung einer Genossenschaft oder eines volkseigenen Betriebs
- die Reisefreiheit und die Freiheit der Wahl des Wohnsitzes innerhalb des Landes einschließlich des Rechts auf ständige Ausreise
- die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Rede- und Versammlungsfreiheit
- die Vereinigungsfreiheit einschließlich des Rechts jeder Belegschaft, sich ihre Interessenvertretung (Räte) zu wählen, sich mit anderen Belegschaften zu Interessenverbänden zusammenzuschließen und gemeinsame Interessenvertretungen zu wählen sowie des Rechts auf Bildung von Gewerkschaften und Berufsverbänden und des Rechts auf Bildung spezieller Interessenverbände der Frauen, der Jugend sowie von Minderheiten und sozial Schwacher
- das Recht zu wählen und gewählt zu werden sowie das Recht von Vereinigungen, mit eigenen Listen an Wahlen auf allen Ebenen teilzunehmen (freie Wählervereinigungen)
- die Freiheit der Wahl durch das verfassungsmäßig garantierte Wahlgeheimnis im Rahmen allgemeiner freier und geheimer Wahlen auf allen Ebenen
- das Recht, jederzeit die Abberufung von Mandatsträgern zu verlangen, und gesetzlich geregelte Verfahren und Voraussetzungen ihrer Abberufung
- die Klausel eines 2/3-Votums des Wahlkreises bei Abgeordneten, die für eine zweite Wahlperiode kandidieren
- Freistellung der in ständigen Organen der Legislative tätigen Mandatsträger von der beruflichen Arbeit, ihre soziale Sicherstellung aus Mitteln des Staatshaushalts einschließlich der Finanzierung von Maßnahmen zur garantierten beruflichen Wiedereingliederung nach Ablauf der Mandatszeit (maximal 2 Wahlperioden)
- Immunität und Kündigungsschutz für alle demokratisch gewählten Volksvertreter und betrieblich gewählten Interessenvertretungen.
Medien- und Informationspolitik
Das Verfügungsmonopol eines selbstherrlichen Staats- und Parteiapparats über die Ermittlung von Daten, ihre Interpretation und selektive Bekanntgabe sowie die totale Medienzensur bildeten ein wesentliches Element der Machtausübung politbürokratischer Diktatur. Es gilt, jedes derartige Monopol zu beseitigen, seine neuerliche Entstehung zu verhindern und gleichzeitig Mechanismen des Schutzes vor Daten- und Informationsmissbrauch auch im Rahmen einer liberalisierten Medienlandschaft zu installieren. Die Verwirklichung moderner Kommunikationssysteme, insbesondere die zu erwartende Digitalisierung des Fernsprechnetzes machen technisch einen totalen Überwachungsstaat durchaus möglich.
Wir fordern daher:
- das Verbot einer Zensur
- die Presse-, Verlags- und Medienfreiheit und Umbildung der Massenmedien (insbesondere der elektronischen) in Medien des öffentlichen Rechts unter Sicherung des Medienzugangs für alle Bürger
- die verfassungsmäßige Garantie und volle Herstellung breitester Öffentlichkeit in allen öffentlichen Angelegenheiten
- das informationelle Selbstbestimmungsrecht, d.h. das Recht jedes Bürgers, die Bereitstellung oder Weitergabe von persönlichen Daten zu verweigern.
Die Propagierung von Gewalt gegen Andersdenkende, Faschismus, Rassismus und Sexismus schließt die Inanspruchnahme der Rede- und Versammlungsfreiheit, der Medien- und Pressefreiheit sowie der Vereinigungsfreiheit aus.
Ausländerrechte und Minderheitenschutz
Das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und seinen Schutz ist unteilbar. Besondere Sorgfalt hat dem Schutz der Rechte sozialer, ethnischer und anderer Minderheiten zuzukommen. So ist etwa der Schutz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und von Wohngemeinschaften im Sinne der Gleichstellung mit dem Rechtsschutz von Ehe und Familie endlich zu gewährleisten.
Aus dem Erbe und der Bewältigung der faschistischen Vergangenheit erwächst die Pflicht der besonderen Förderung und des Schutzes jüdischer Kultur und Religion. Sinti und Roma haben in der DDR ebenso eine Heimstatt, wie die konsequente Politik der rechtlichen Gleichstellung und des Schutzes aller ethnischen Minderheiten (Sorben) selbstverständlich sein muss. Weiterhin ist auch die DDR verpflichtet, klare verfassungsrechtliche Regelungen für die Rechte von in der DDR einreisenden oder lebenden Ausländern zu schaffen. Statt eines gesonderten Ausländerrechts sind im geltenden Recht der DDR jene zusätzlichen Regelungen zu verankern, welche eine völlige Gleichberechtigung von in der DDR lebenden Ausländern in allen Belangen des täglichen Lebens festschreiben.
Zusätzlich werden wir uns dafür einsetzen, dass
- unseren ausländischen Mitbürgern Möglichkeiten der Wahrung ihrer kulturellen Identität geschaffen werden (Kulturzentren), die Begegnungen mit DDR-Bürgern der Verständigung dienen können (Begegnungszentren ) und ihnen eigene Interessenvertretungen offen stehen
- die DDR der Genfer Flüchtlingskonvention beitritt und ein Asylrecht für politisch und rassisch Verfolgte verabschiedet
- alle in Kraft befindlichen zwischenstaatlichen Vereinbarungen über den Einsatz und die Ausbildung ausländischer Arbeitskräfte veröffentlicht und alle aus solchen Verträgen ableitbaren oder auf andere Weise entstehenden diskriminierenden Verhältnisse abgestellt werden.
Volkssouveränität und Rechtsstaatlichkeit
Im Rahmen einer durchgängigen Demokratisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens setzen wir uns für die funktionelle Gewaltenteilung auf der Grundlage der Volkssouveränität und die Durchsetzung voller Rechtsstaatlichkeit ein. Dazu gehören:
- die Trennung von Staat, Wirtschaft und Justiz
- die Möglichkeit juristischer Anfechtung von Entscheidungen des Staates und von Unternehmen im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit über Verwaltungsgerichte bis hin zum Verfassungsgericht
- Verfassungszwang für die vollziehenden Gewalten, im Falle ökologischer Notstände auch Notstandsmaßnahmen anzuordnen
- die volle Inanspruchnahme des Rechts, insbesondere des auf Verteidigung mit Rechtsbeistand unabhängig von den persönlichen Vermögensverhältnissen, bei Gleichheit vordem Gesetz
- eine Verwaltungsreform einschließlich der Wiedereinführung einer Länderstruktur, die Teilung der legislativen Gewalt im Rahmen der Verfassung gemäß dem Territorialprinzip nach Ländern (sozialistisches Föderativprinzip), Bildung einer Länderkammer nach dem Senatsprinzip aus den Volksvertretungen der Länder und die Selbstverwaltung aller territorialen politischen Gemeinschaften (Gemeinden, Kreise)
- weitgehende Dezentralisierung staatlicher Entscheidungsbefugnisse auf die Länder- und Kommunalebene sowie deren rechtliche Fixierung in einer Kommunalgesetzgebung
- Wahrnehmung der ständigen Kontrolle der Exekutivorgane (Regierung, Polizei, Armee, Abwehrdienste, Diplomatie) einschließlich der Zentralbank durch ein paritätisch zusammengesetztes ständiges Organ der obersten gesetzgebenden Körperschaft; desgleichen die Wahrnehmung der ständigen Kontrolle der Exekutivorgane auf Landes- und Kommunalebene durch paritätisch zusammengesetzte ständige Organe der Volksvertretungen der Länder und Kommunen.
Der unumkehrbare Bruch mit der stalinistischen Vergangenheit der DDR erfordert eine unverzügliche Justizreform, die Entfernung belasteter Richter und Staatsanwälte aus dem Justizdienst, die Untersuchung stalinistischer Verbrechen in der DDR und die Bestrafung der Schuldigen, die konsequente Aufarbeitung der Geschichte sowie die Rehabilitierung und Entschädigung aller Opfer.
Wir haben uns im Innern vor rechtsextremen und faschistischen Kräften und vor dem in Kadern des ehemaligen MfS personifizierten Stalinismus zu schützen! Der legitime Schutz der Verfassung kann sich wirksam nur auf die basisdemokratisch organisierte Volksbewegung und Rechtssicherheit im Innern stützen. Ein Verfassungsschutz ist nicht nur unter Parlamentskontrolle zu stellen, sondern seine Verselbständigung als Apparat ist durch Volkskontrolle zu verhindern. Ist dies gesichert, so kann auch eine solche Einrichtung zum Schutz der Verfassung beitragen. Die Notwendigkeit eines Nachrichtendienstes zur Gewährleistung äußerer Sicherheit versteht sich für uns von selbst und muss wie die Armee ebenso der Kontrolle unterworfen sein.
Direkte Demokratie
Die Erfahrung in Ländern mit Systemen eines parteienzentrierten Parlamentarismus zeigen, dass die jetzigen Parlamente auch auf kommunaler Ebene ihre Exekutive nicht wirksam zu kontrollieren imstande und gewillt sind. Die parlamentarische Kontrolle der Regierungsarbeit und Verwaltung ist problematisch, weil die Regierungsparteien zu oft eine daran interessierte Opposition neutralisieren. Die enorme Bedeutung gerade des Verwaltungshandelns der Exekutive für die Bürger erfordert die Entwicklung vielfältiger Formen direkter Demokratie und die starke basisdemokratische Kontrolle bzw. Verankerung staatlicher Gewalt. Im Mittelpunkt der Tätigkeit ihrer Organe steht neben der unmittelbaren problemorientierten Bürgerinteressenvertretung die Beendigung des Zustands, dass Parteien und ihre Mandatsträger unkontrolliert ihre eigenen Angelegenheiten regeln und nicht den Bürgern rechenschaftspflichtig werden. Die breite Bürgerbewegung gegen den Stalinismus in der DDR hat eindrucksvoll die große politische Bedeutung außerparlamentarischer und staatlich nicht reglementierbarer Initiativen sogar im nationalen Maßstab bewiesen. Wir setzen uns ein für:
- die gesetzlich geregelte Anerkennung zeitweiliger oder ständiger basisdemokratischer Initiativen wie Bürgerinitiativen, Bürgerkomitees und Volkskontrollausschüsse durch Verpflichtung der gewählten Volksvertretungen zur Information und zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit der Komitees und Ausschüsse
- die gesetzliche Regelung von Voraussetzungen der Auslösung von Volksabstimmungen in regionalen und überregionalen Fragen durch basisdemokratische Initiativen und demokratische Massenorganisationen und ihres Rechts auf das Einbringen von Gesetzesinitiativen.
Außen- und Verteidigungspolitik
Wie sollen sich nach Auffassung der "Vereinigten Linken" die internationalen Beziehungen der DDR entwickeln?
Wir treten dafür ein, dass die DDR
- eine konsequente Politik der politischen und militärischen Entspannung, der Völkerverständigung und der Zusammenarbeit in Europa und in der Welt betreibt
- die schrittweise und schließlich vollständige Abrüstung auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge anstrebt und so die Auflösung der militärischen Blöcke befördert
- in ihrer Außenpolitik die Abschaffung jeder Geheimdiplomatie und die unmittelbare Kontrolle der Außenpolitik durch die zentrale Legislative verwirklicht
- für eine Neugestaltung der Weltwirtschaftsordnung nach den Prinzipien der Gleichheit, gegenseitigen Hilfe, des internationalen Schutzes unseres Lebensraumes wirkt und gegen jede Form des Neokolonialismus auftritt
- sich für eine verstärkte Zusammenarbeit von Betrieben und Unternehmen gesellschaftlicher Eigentumsform verschiedener Länder einsetzt und der Reform wirtschaftlicher Zusammenarbeit im Rahmen des RGW Vorrang gibt
- nationale Befreiungsbewegungen politisch und materiell unterstützt und ihr Recht auf bewaffneten Kampf ohne fremde Einmischung anerkennt.
Wir treten ein für:
- die Aufnahme von Verhandlungen mit der BRD über die langfristige Ausgestaltung des Grundlagenvertrags im Sinne einer Vertragsgemeinschaft entsprechend dem Grundsatz "Zwei Staaten - eine Nation"
- die gegenseitige staatsrechtliche Anerkennung
- die Entwicklung enger wirtschaftlicher und politischer Beziehungen unter Berücksichtigung der Existenz zweier souveräner Staaten gegensätzlichen sozialökonomischen Charakters bei Ausbau aller Aspekte des gemeinsamen nationalen Zusammenhangs
- die Ausarbeitung eines verbindlichen Rahmens zur Wahrnehmung gesamtdeutscher Verantwortung - insbesondere für den Frieden - bei Wahrung der Souveränität beider deutscher Staaten
- das Ergreifen gemeinsamer abgestimmter weitreichender Initiativen für die militärische Abrüstung und politische Zusammenarbeit in Europa und eine gemeinsame Garantieerklärung beider deutscher Staaten für die polnische Westgrenze.
Weiche verteidigungspolitischen Auffassungen hat die "Vereinigte Linke"?
Für uns ist die Perspektive nicht der einseitige Austritt, sondern eine Auflösung beider Blöcke als Resultat (nicht als Voraussetzung) politischer Entspannung, vertraglich geregelter kontrollierter Abrüstung und auf Defensivkonzepte umgestellter Militärdoktrinen beider Seiten. Wir leben in der Region mit der höchsten Dichte an Waffen. Die deutsche Chance liegt in der Rolle des Schrittmachers in Europa bei forcierten (auch einseitigen) Abrüstungsschritten.
Der neu zu fassende Verteidigungsauftrag der Armee muss die zwingende Option zur Demilitarisierung bei Wahrung der Verteidigungsfähigkeit einschließen. Diese Option ist auch in der Verfassung zu verankern. Die Ausarbeitung einer neuen Verteidigungskonzeption im Rahmen der 1987 in der WVO entwickelten Doktrin der "hinreichenden Verteidigung" (Defensivverteidigungsdoktrin) ist fortzusetzen.
Die DDR nutzt alle Möglichkeiten, gemeinsam, insbesondere mit der BRD, vertrauensbildende Maßnahmen über schon existierende vertragliche Regelungen hinaus voranzutreiben (entmilitarisierte Zonen, paritätischer Truppenabbau ect. bis hin zur strukturellen Nichtangriffsfähigkeit).
Die Umstrukturierung gemäß der neuen Doktrin und das zu erarbeitende neue Ausbildungskonzept innerhalb der NVA müssen der Volkskontrolle unterworfen und von Soldaten- und Matrosenräten durchgesetzt werden. Die Tätigkeit der Räte ist gesetzlich zu regeln, und ihre Mitglieder sind gegen Disziplinierung zu schützen.
Die Verkürzung der Ausbildungszeit auf 9 Monate ist mit äquivalenten Reduzierungsaufforderungen in Richtung Bundeswehr zu verbinden.