Billige Fernsehapparate und teure Mieten kommen über Nacht
Schrittweise und selbstbestimmte Reform wäre notwendig
Mit dem Vorschlag von Regierungschef Modrow wird die möglichst schnelle Bildung einer Währungs- und Wirtschaftsunion BRD-DDR auf die Tagesordnung der nächsten Wochen gesetzt. Die neuen großen Parteien stimmen dem zu. Die Aktienkurse hüpfen nach oben. Am Runden Tisch liegen Gutachten von Experten vor, die genau beschreiben, was bei Herstellung der Währungs- und Wirtschaftsunion passiert:
- Jeder verdient Westgeld, und das Angebot von Hertie und Aldi kommt in jede DDR-Kaufhalle.
- Bankrott von 60 bis 70 Prozent der DDR-Betriebe, da ihre Produkte der plötzlich einsetzenden Konkurrenz nicht gewachsen sind, eine neue Hochkonjunktur für BRD-Konzerne, die jetzt unsere Märkte übernehmen, Ausverkauf der meisten DDR-Betriebe zum Billigangebot des Winterschlussverkaufs. Einige Millionen Arbeitslose in der DDR.
- Reduzierung der Realeinkommen und Rechte der Werktätigen in der BRD stehen damit bevor.
- Die Einkommen in der DDR steigen sicher nicht auf das Niveau der BRD, u. a. wegen der nicht fachgerechten Qualifizierung.
- Umwandlung der DDR-Spareinlagen über einigen Tausenden Mark in Volksaktien, die sich aber kaum verkaufen lassen.
- Rechtsangleich an BRD-Gesetze, d. h. Wegfall der teilweise erreichten Mitbestimmung in den Betrieben und Einrichtungen, Wegfall vom Aussperrungsverbot, Verbot der Schwangerschaftsunterbrechungen u. a.
Dem setzen wir einen Weg der schrittweisen, selbstbestimmten Wirtschaftsreform entgegen, die die angebotene finanzielle und wirtschaftliche Hilfe der BRD und EWG nutzt. Nur sie kann die soziale Grundsicherung und die Vermeidung von Arbeitslosigkeit gewährleisten.
Es muss verhindert werden, dass wie bei Honecker und Mittag eine Politik gemacht wird, deren Konsequenzen von den neuen Berufspolitikern aus taktischen Gründen bewusst verschwiegen werden. Alle haben ein Recht darauf zu erfahren, was uns erwartet, um sich ihre Meinung selbst zu bilden. Nach drei Monaten Demokratie darf in dieser für viele Familien, Frauen, Jugendlichen und Rentner lebenswichtigen Frage nicht schon wieder nationale Euphorie zur Täuschung des Volkes benutzt werden.
Sagen wir der Regierung deutlich unsere Meinung. Treffen wir uns am 22.2.1990 auf dem Alexanderplatz um 17.00 Uhr zur Demonstration für die Fortsetzung der durch das Volk selbstbestimmten Entwicklung in der DDR, gegen den Sofortanschluss an die BRD!
F. T.
Vereinigte Linke
aus: Podium, die Seite der neuen Parteien, Initiativen und Gruppierungen in der Berliner Zeitung, Jahrgang 46, Ausgabe 35, 10.02.1990