ANTI-KOHL-DEMONSTRATION
AM 19. DEZEMBER 1989

Da kommt er also, ein Gönner der Sozialhilfeempfänger ostdeutscher Nation, umgeben mit einer Aura von Coca-Cola-Büchsen und guter Laune, im Vorgefühl der zu erwartenden Huldigungen und als zukünftiger Reichskanzler gewillt, auch den mitteldeutschen Provinzen ein Gefühl nationaler Identität einzuhauchen.

Mit aufnahmebereitem Geldbeutel soll er empfangen und an den ihm widerrechtlich vorenthaltenen Sitz einer Regierung geleitet werden, die sich denkbar spät ihrer eigentlichen Freunde erinnert. - "Macht nichts", wird er sagen, "Spät, aber nicht zu spät" - oder so ähnlich, und denken wird er nicht mehr als sonst.

Lasst uns diesem freiheitlich-demokratischen Monstrum aus einer abendländischen Metropole, die sich auch mit Geld keine reiche politische Geschichte erkaufen kann, den Bissen ein wenig versalzen, bevor es ihn schluckt!

Lasst uns reinen Wein statt Rheinwein einschenken, vielleicht ist er erschrocken vor so vielen Trojanischen Pferden, die er sich einhandelt!

"Es gibt heute besonders viele Leute, gerade in der Bundesrepublik, die kein Recht darauf haben, dass sie Recht haben."

Der das 1970 sagte, war Ernst Bloch - aus der "sozialistischen" DDR vertrieben und wenig verstanden im freien Teil dieser Welt, ein gutes Beispiel dafür, dass die substantiellste Kritik am Stalinismus noch immer von Linken kam.

Wir brauchen keinen bundesdeutschen Mief, um die Situation unseres Landes zu beurteilen. Konsum ist nicht unser einziges Bedürfnis. Und auf einer Parkbank schläft man vielleicht sicherer, als auf der Deutschen Bank.

Demonstriert gegen Kohl!
Gegen Konsumterror und Erpressung!
Vereinigte Linke gegen Rechtsruck!
Für ein linkes Konzept, für europäische Integration ohne Eurozentrismus!

Initiative für eine Vereinigte Linke Halle Halle, den 1. Dezember 1989

aus: Die Aktion, Heft 60/63, Januar 1990, Zeitschrift für Politik, Literatur, Kunst