ENTWURF

für den Inhalt eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes
ausgearbeitet von der Gruppe für Betriebsarbeit
(Vereinigte Linke) vom 10.4.90

Bestimmung

1. Alle Lohn-, Gehaltsempfänger und Auszubildende (nachfolgend Werktätige genannt) in Betrieben und Einrichtungen haben das Recht, durch demokratisch gewählte Betriebsräte ihre Interessen gegenüber den Leitern wahrzunehmen.

2. Das Gesetz gilt nicht für Mitglieder von Genossenschaften, deren Arbeitsrechtsverhältnis auf dieser Mitgliedschaft beruht.

Die Wahl des Betriebsrats

3. In Betrieben mit drei regelmäßig Beschäftigten werden Betriebsräte gewählt.

4. Die Wahlen zu den Betriebsräten finden alle zwei Jahre statt.

5. Die Vorbereitung der Betriebsrätewahl erfolgt durch einen Wahlvorstand.

Der Wahlvorstand kann von dem bisherigen Betriebsrat benannt werden, von der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft gebildet werden oder sich selbst aus einer Initiativgruppe interessierter Werktätiger zusammensetzen.

Die Unterstützung durch Gewerkschaftsfunktionäre von außerhalb darf nicht behindert werden, sofern die entsprechende Gewerkschaft in dem betreffenden Betrieb vertreten ist.

6. Die Mitglieder des Wahlvorstandes dürfen im Zeitraum ihrer Tätigkeit nicht gekündigt und ohne ihre Zustimmung nicht versetzt werden. Der Zeitraum der Wahlvorbereitung und Betriebsratswahl darf acht Wochen nicht überschreiten.

7. Durch den Wahlverstand wird die Belegschaft des Betriebs in Wahlbereiche eingeteilt, entsprechend der Struktur und sozialen Zusammensetzung. Sie sollten aus den Produktionslinien, den Fertigungsbereichen oder Betriebsteilen mit einer Größe von 50 bis 200 Werktätigen gebildet werden.

Für kleine Betriebe bzw. Einrichtungen kann die Bildung von Wahlbereichen entfallen.

8. Durch den Wahlvorstand bzw. seine Beauftragten werden in den Wahlbereichen Vollversammlungen während der Arbeitszeit durchgeführt. Dabei erfolgt

die Bestätigung bzw. Konkretisierung der Wahlbereiche,

die Bestätigung des Wahlvorstandes,

die Aufstellung von Kandidaten zur Betriebsrätewahl.

Für die Arbeit im Betriebsrat sind besonders aktive und verantwortungsbewusste Mitarbeiter vorzuschlagen, die das Vertrauender Werktätigen haben. Dabei werden alle Vorschläge erfasst, sofern der Betreffende selbst damit einverstanden ist. Es ist möglich, sich selbst vorzuschlagen.

9. Wahlberechtigt sind alle Werktätigen des entsprechenden Wahlbereichs ausgenommen die Leiter der Betriebe und leitende Mitarbeiter.

10. Wählbar sind Werktätige ohne Leitungsfunktion, Ausnahmen sind in berechtigten Fällen möglich, darüber entscheiden die Werktätigen des Wahlbereichs.

Die Mitgliedschaft in Parteien oder Massenorganisationen (einschließlich der Gewerkschaft) darf nicht in Betracht gezogen werden.

11. Die Anzahl der Betriebsratsmitglieder regelt sich entsprechend der Anlage. Abweichungen davon sind in Abhängigkeit von der Betriebsstruktur möglich.

12. Zur Vorbereitung der Wahl sind Listen mit den Namen aller Mitarbeiter geordnet nach den Betriebstrukturen (Struktur- und Stellenplan) durch die Unternehmensleitung dem Wahlvorstand zu übergeben.

13. Die Wahl erfolgt geheim. Jeder hat eine Stimme, die er einem Kandidaten aus seinem Wahlbereich geben kann. Erreicht kein Kandidat mehr als 50 %, so ist die Wiederholung der Wahl im betreffenden Wahlbereich mit den Kandidaten mit der höchsten Stimmenanzahl nötig.

14. Die Kosten der Wahl trägt die Betriebsleitung. Ausfallende Arbeitszeit zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl wird von der Unternehmensleitung entsprechend bezahlt.

15. Im Betriebsrat sollten möglichst Vertreter der verschiedenen Beschäftigungsgruppen vertreten sei. Das Verhältnis von Frauen und Männern sollte dem Verhältnis im ganzen Betrieb entsprechen.

Um das zu gewährleisten, ist es möglich, eine Quotierung vorzusehen.

16. Es ist zu sichern, dass Minderheiten im Betrieb, wie z. B. ausländische Werktätige, Auszubildende, Jugendliche, Behinderte eigne Vertreter in den Betriebsrat delegieren können.

17. Die Abwahl von Betriebsratsmitgliedern ist jederzeit auf folgendem Wege möglich: Auf Verlangen von 25 % der Werktätigen eines Wahlbereichs oder des Betriebsrats ist die Vollversammlung des Wahlbereichs einzuberufen. Sofern mehr als 50 %. der Anwesenden den Rücktritt des Betriebsratsmitgliedes fordern, ist die Neuwahl durchzuführen.

Sofern eine Rechtsverletzung oder eine Verletzung des Betriebsverfassungsgesetzes durch ein Betriebsratsmitglied vorliegt, kann auch ein einzelner Werktätiger die Vollversammlung einberufen, sofern diese Frage im Betriebsrat nicht geklärt werden konnte.

Teilbetriebsräte

18. Entsprechend der Struktur und der Größe des jeweiligen Betriebes können in Betriebsteilen und Betriebsbereichen Teilbetriebsräte gewählt werden. Der Gesamtbetriebsrat wird dann aus Vertretern dieser Betriebsteilvertretungen gewählt.

Betriebsrat und Gewerkschaften

19. Der Betriebsrat führt seine Arbeit in Zusammenwirken mit der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft und mit ihrer Unterstützung durch. Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen in ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit nicht eingeschränkt werden. Sie können gleichzeitig Mitglieder der Betriebsgewerkschaftsleitung sein.

20. Die Gewerkschaft hat das Recht, sich im Betrieb zu organisieren. Sie ist berechtigt, entsprechend ihrer Satzung einen Vertrauensleutekörper zu bilden und im Betrieb dazu Wahlen durchzuführen. Die demokratisch gewählten Vertrauensleute und die Betriebsgewerkschaftsleitung genießen den gleichen Rechtsschutz wie die Betriebsratsmitglieder.

Die Wahlen der Betriebsgewerkschaft können mit den Betriebsratswahlen verbunden werden, indem für die Gewerkschaftsmitglieder die Stimmabgabe gleichzeitig mit der Wahl des Betriebsrats erfolgt.

Die Gewerkschaftsorganisation des Betriebes kann beschließen, auf die Wahl der Betriebsgewerkschaftsleitung zu verzichten und dafür aus den Gewerkschaftsmitgliedern des Betriebsrats die Betriebsgewerkschaftsleitung zu bilden.

21. Der gewählte Vorsitzende der Betriebsgewerkschaftsleitung erhält das Recht als Gast an jeder Tagung des Betriebsrats teilzunehmen, sofern er nicht selbst als Betriebsratsmitglied gewählt wurde.

22. Die Gewerkschaften haben das Recht für die tarifrechtlich zugeordneten Betriebe, zu erfassen, in welchen Betrieben Betriebsräte gewählt wurden und in welchem noch nicht. Vertretern der tarifrechtlich zuständigen Gewerkschaften ist der Zugang zu jedem Betrieb zu ermöglichen.

Zur Arbeitsweise des Betriebsrats

23. Der Betriebsrat führt in 14 Tagen mindestens eine Sitzung durch. Von jeder Sitzung wird ein Protokoll angefertigt.

24. Der Betriebsrat hat alle Werktätigen über seine Tätigkeit zu informieren.

Die Tagesordnung und Vorlagen der Ratssitzung sind fünf Werktage vor der Sitzung bekannt zu geben, so dass alle Werktätigen Anfragen und Vorschläge einbringen können. Der Betriebsrat sollte den Werktätigen die Teilnahme als Gast ohne Stimme ermöglichen, sofern sie es wünschen. In diesen Fällen sind die Sitzungen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen. Über die Ergebnisse der Beratungen ist zu informieren.

25. Der Betriebsrat ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder eingeladen wurden und 2/3 der Mitglieder anwesend sind. Als Stellvertreter der Betriebsratsmitglieder arbeiten die Kandidaten der jeweiligen Wahlbereiche, die die zweithöchste Stimmenanzahl erhalten hatten.

26. Der Betriebsrat wählt einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter. Diese haben organisatorische Aufgaben.

27. Alle Beschlüsse und inhaltlichen Entscheidungen kann nur der Betriebsrat als Kollektiv treffen. Ein übertragen der Entscheidungsbefugnis an den Vorsitzenden bzw. an einen geschäftsführenden Ausschuss ist unzulässig.

28. Der Betriebsrat hat das Recht zur Entscheidungsfindung Arbeitsgruppen zu berufen und Gutachten anzufordern. Diese werden vom Betrieb bezahlt. Der Betriebsrat ist berechtigt mit allen Stellen in Verbindung zu treten, sofern er das für die Wahrnehmung seiner Rechte und Aufgaben für erforderlich hält.

Seine Arbeitsgruppen können sich beispielsweise mit folgenden Fragen beschäftigen:

- Interessenvertretung der Auszubildenden und Jugendlichen oder anderer Minderheiten

- Schutz von Behinderten

- Gleichstellung der Frauen und Männer

- Wirtschaftsfragen (Planung, Kosten- und Preiskontrolle)

- Neugestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsbereichen

- Umgestaltung der Produktstruktur

- Personalplanung

- umweltgerechte Produktion

- Lohn- und Gehaltsgrundsätze

Die Freistellung von Werktätigen zur Arbeit in Arbeitsgruppen des Betriebsrats kann im Rahmen des Arbeitszeitfonds (Paragraph 32) erfolgen.

29. Durch den Betrieb sind alle Kosten der Tätigkeit des Betriebsrats zu tragen. Die Unternehmensleitung hat die sachlichen Bedingungen für die Tätigkeit des Betriebsrats (Arbeitsräume, Büroausstattung) zu schaffen.

30. Zur Beschlussfassung hat der Betriebsrat die Möglichkeit, sich zu einer geschlossenen Sitzung ohne Gäste und ohne Vertreter der Betriebsleitung zurückzuziehen.

31. Beschwerden und Anträge sind vom Betriebsrat entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Innerhalb von vier Wochen ist darauf zu antworten.

32. Die Mitglieder des Betriebsrats genießen Kündigungsschutz. Ihnen darf ohne Zustimmen des Betriebsrats keine Tätigkeit außerhalb ihres Wahlbereiches übertragen werden. Sie sind sofern es die Tätigkeit im Betriebsrat erfordert, bezahlt freizustellen. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Freistellung und die Aufteilung der Freistunden auf die einzelnen Mitglieder fällt der Betriebsrat als Kollektiv selbst.

Die Anzahl der freizustellenden Mitglieder des Betriebsrats ist der Anlage zu entnehmen. Die Freistellungen können auch auf mehrere Betriebsratsmitglieder aufgeteilt werden. Abweichungen davon sind in Abhängigkeit von der Betriebsstruktur möglich.

Jedes Betriebsratsmitglied hat während seiner Amtszeit Anspruch auf eine bezahlte Freistellung für 15 Arbeitstage für Schulungs- und Bildungszwecke pro Kalenderjahr. Der Zeitfond kann auch an Nachfolgekandidaten übertragen werden.

Betriebs- bzw. Wahlbereichsversammlung

33. Mindestens zwei Mal im Jahr ist in einer Vollversammlung der Belegschaft, bei Wahlbereichen zwei Versammlungen in den Wahlbereichen und zwei Delegiertenversammlungen des ganzen Betriebes pro Jahr, Rechenschaft über die Tätigkeit des Betriebsrats zu geben. Auf Verlangen der Betriebsleitung oder von 1/4 der Belegschaft sind außerplanmäßige Vollversammlungen einzuberufen.

Zweimal im Jahr kann die Vollversammlung bei besonderen Anlässen durch den Betriebsrat zusätzlich einberufen werden. Die genannten Vollversammlungen finden während der Arbeitszeit statt, sofern nicht die Eigenart des Betriebes eine andere Reglung zwingend erfordert.

34. Die Vollversammlung hat das Recht, dem Betriebsrat Aufträge zu erteilen und die vom Betriebsrat gegenüber der Unternehmensleitung zu vertretende Position mehrheitlich zu, beschließen.

35. Der Betriebsrat entscheidet selbst, ob zur Vollversammlung die Unternehmensleitung eingeladen wird, oder nicht.

Geheimhaltungspflicht

36. Der Betriebsrat ist verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Die Verpflichtung gilt nicht gegenüber Werktätigen des Betriebes, wenn deren berechtigte Interessen davon berührt werden. Die Geheimhaltungspflicht gilt ebenfalls nicht gegenüber Gewerkschaftsvertretern und Vertretern der Stellen, mit denen der Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Rechte und Aufgaben in Verbindung tritt.

37. Der Betriebsrat entscheidet selbst, welche Fragen auf seinen Sitzungen öffentlich für alle Werktätigen und welche Sachverhalte unter Ausschluss von Gästen behandelt werden müssen, damit die Geheimhaltungspflicht gewahrt bleibt.

38. Die Aufforderung zur Geheimhaltung ist für den Betriebsrat im Falle von Gesetzesverletzungen durch die Unternehmensleitung und im Fall der Verschleierung von umweltschädigendem Verhalten des Unternehmens nichtig. In diesem Fall hat der Betriebsrat das Recht auch öffentliche Medien zu informieren.

Informations- und Rechenschaftspflicht der Unternehmensleitung

39. Der Betriebsrat hat das Recht, in alle Dokumente und Daten des Betriebes einzusehen.

40. Dem Betriebsrat ist der Zugang zu allen Arbeitsplätzen, Räumen und Bereichen des Betriebs zu ermöglichen.

41. Dem Betriebsrat sind alle Anfragen durch die Unternehmensleitung innerhalb von fünf Werktagen ausreichend zu beantworten.

42. Die Unternehmensleitung hat mindestens einmal in drei Monaten dem Betriebsrat einen Bericht zur wirtschaftlichen Lage und Entwicklung des Betriebes zu geben. In Betrieben mit mehr als 1 000 Beschäftigten hat der Bericht schriftlich zu erfolgen.

43. Der jährliche Abschlussbericht ist dem Betriebsrat vorzulegen, damit die Prüfung und Beratung in den Arbeitsgruppen des Betriebsrats und mit Einbeziehung der Werktätigen erfolgen kann.

44. Dem Betriebsrat hat das Recht der Kontrolle der Preisbildung, der Gewinnberechnung und der ökonomischen Rechnungsführung im Betrieb.

45. Die Unternehmensleitung hat den Betriebsrat über folgende Fragen rechtzeitig, d.h. bereits im Stadium der Planung und umfassend, d.h. durch zur Verfügungstellung der schriftlichen Unterlagen sowie Mitteilung der mündlich getroffenen Vereinbarungen zu informieren und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Werktätigen darzustellen:

- sämtliche Betriebsveränderungen (Einschränkungen oder Stilllegungen von Produktionslinien, Verlegen oder Zusammenschluss von Betrieben, Veränderungen der Eigentumsformen, Änderung der Betriebsorganisation)

- Neu- oder Umbau von betrieblichen Einrichtungen, Erweiterungen, Neugestaltung von Arbeitsplätzen oder Arbeitsbereichen, Investitions- und Rationalisierungsvorhaben, Veränderung der Arbeitsorganisation

- Veränderungen in der Personalplanung (Abbau von Stellen oder Arbeitsplätzen, Information über Umbesetzungen, über freiwerdende Stellen)

- Veränderungen der Lohn- und Gehaltgestaltung

- Veränderungen bei den sozialen Leistungen und Einrichtungen.

46. Über Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, ist bis spätestens drei Monate vor dem geplanten Termin zu informieren.

47. Zur Sicherung der Informationspflicht der Leitung hat der Betriebsrat das Recht, an jeder Leitungssitzung der Unternehmensleitung teilzunehmen.

48. Bei Verhandlungen mit anderen Betrieben, die Kapital- oder Kooperationsvereinbarungen zum Ziel haben, ist die Teilnahme des Betriebsrats oder eines beauftragten Vertreters zu gewährleisten.

Mitwirkungsrecht

49. Der Betriebsrat hat das Recht, zu allen Angelegenheiten des Betriebes Stellung zu beziehen und Vorschläge zu unterbreiten. Die Unternehmensleitung ist verpflichtet, den Betriebsrat anzuhören und die Vorschläge gewissenhaft zu prüfen.

Mitbestimmungsrecht

50. Das Recht des Betriebsrats auf gleichberechtigte Mitbestimmung beinhaltet, dass darunter fallende Maßnahmen und Angelegenheiten nicht durchgeführt werden dürfen, bevor der Betriebsrat zugestimmt hat. Das Mitbestimmungsrecht bedeutet weiter, dass der Betriebsrat ein erzwingbares Initiativrecht in diesen Angelegenheiten hat, d. h. selbständig bereits getroffene Beschlüsse oder praktizierte Regelungen an Hand neuer Erkenntnisse zurückweisen kann. Dem Betriebsrat ist es gestattet, eigne Vorschläge auszuarbeiten und der Leitung zu unterbreiten.

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

51. Das Mitbestimmungsrecht betrifft folgende Sachverhalte:

- sämtliche Betriebsveränderungen (z.B. Einschränkungen oder Stilllegungen von Produktionslinien, Verlegen oder Zusammenschluss von Betrieben, Veränderungen der Eigentumsformen, Änderung des Produktionsprofils oder der Erzeugnisstruktur, Kooperationsvereinbarungen).

- Veränderungen der Organisationsstruktur, sofern es die Arbeit der Werktätigen betrifft.

- Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesens, der Neuererarbeit und den damit zusammenhängenden betrieblichen Reglungen.

Umweltschutz

52. Der Betriebsrat hat die Aufgabe darauf hinzuwirken, dass ausschließlich umweltfreundliche Produkte und Werkstoffe verarbeitet und hergestellt werden, dass umweltschädigende Produktionsverfahren abgelöst werden, dass eine Verschwendung von Material und Ressourcen verhindert wird und dass noch vorhanden Gefahren durch ausreichende Sicherheitstechnik beseitigt werden.

53. Der Betriebsrat muss es ermöglichen, dass eine Arbeitsgruppe umweltgerechte Produktion im Betrieb tätig ist.

54. Die Arbeitsgruppe ist bei der Prüfung neuer Arbeitsplätze, neuer Technologien sowie bei Investitionen und Rationalisierungsmaßnahmen mit einzubeziehen.

55. Sofern gegen geltende Vorschriften des Umweltschutzes durch die Unternehmensleitung verstoßen wird, hat der Betriebsrat das Recht diese Entscheidungen der Leitung außer Kraft zu setzen.

Mitbestimmung in sozialen Fragen

56. Das betrifft folgende Fragen:

- Neugestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsbereichen, Arbeitsabläufe, Investitions- und Rekonstruktionsmaßnahmen, insbesondere zur Frage der sozialen Verträglichkeit der Technik.

- Festlegung der Arbeitsinhalte, des Arbeitsumfangs einschließlich der Zahl der einzusetzenden Werktätigen.

- Fragen der betrieblichen Lohn- und Gehaltsgestaltung, insbesondere Aufstellung der Grundsätze, der Leistungs- und Akkordsätze, Verwendung der Prämien sowie der nicht in Anspruch genommenen zusätzlichen Mittel,
(Sofern im Betriebsrat und den Teilbetriebsräten und Sprechern der einzelnen Gruppen die Voraussetzungen bestehen, erlaubt das Betriebsverfassungsgesetz die Übergabe des Lohnfond zur vollen eignen Verfügung an den Betriebsrat mit Fixierung der damit verbundenen Bedingungen in der Betriebsvereinbarung)

- Fragen der Ordnung des Betriebes einschließlich Reglung der Arbeitszeit (Beginn, Ende, Pausen, Verteilung der Arbeitszeit auf die Werktage, Überstunden), Urlaubsplanung.

- Form und Höhe der Leistungen des Betriebes für soziale Zwecke (Kantinen, Ferienplätze, Kindereinrichtungen einschließlich Kinderferienlagen, Betriebssporteinrichtungen, Betriebswohnungen einschließlich Arbeiterwohnheimen).

- Maßnahmen zum Schutz von Behinderten, Jugendlichen, Auszubildenden, ausländische Arbeitern und älteren Werktätigen.

- Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.

- Sozialpläne für Rationalisierungsmaßnahmen, Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Werktätigen.

Sofern die Interessen der Werktätigen verletzt werden, gegen bestehende Rechtvorschriften verstoßen wird oder die Gefahr der ungerechten Behandlung einzelner Werktätiger oder von Gruppen besteht, kann der Betriebsrat seine Zustimmung verweigern.

Mitbestimmung in Personalfragen

57. Alle personellen Maßnahmen Einstellungen, Umgruppierungen, Versetzungen, fristlose Entlassungen, Kündigungen, Überleitungs- und Aufhebungsverträge bedürfen der Zustimmung des Betriebrats.

Der Betriebsrat kann seine Zustimmung verweigern,

- sofern gegen geltende Gesetze verstoßen wurde (Kündigungen von Müttern mit Kindern bis zu einem Jahr, allein stehenden Müttern mit Kindern bis zu drei Jahren, Schwangeren, Werktätigen während ihrer Krankheit oder des Erholungsurlaubs, Behinderten, Werktätige ab 5. Jahr vor der Rente),

- wenn Einstellungen gegen die zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung vereinbarten Richtlinien verstoßen,

- wenn durch Neueinsteilungen oder Umbesetzungen im Betrieb beschäftigte Werktätige gekündigt oder benachteiligt werden sollen, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

58. Der Betriebsrat hat das Recht zu verlangen, dass Arbeitsplätze und insbesondere alle Leitungsfunktionen, die besetzt werden sollen, innerhalb des Betriebes ausgeschrieben werden sollen. Das betrifft auch Leitungsfunktionen nach Umstrukturierungen.

Die Besetzung der Stellen kann durch den Betriebsrat für nichtig erklärt werden, sofern die Ausschreibung unterblieb.

59. Bei Unstimmigkeiten zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung erfolgt zunächst eine Verhandlung vor der Konfliktkommission. Sofern da keine Einigung erzielbar ist, entscheidet das Arbeitsgericht.

Schlichtung

60. Der Betriebsrat hat die Aufgabe, Interessenkonflikte zwischen den Werktätigen und der Betriebsleitung zu schlichten. Sofern es nicht gelingt, eine Einigung durch gegenseitige Information und Konsultation herbeizuführen, hat der Betriebsrat das Recht, eine Belegschaftsversammlung bzw. Vollversammlung der betreffenden Wahlbereiche einzuberufen.

Auf dieser haben beide Seiten des Konflikts die Möglichkeit, ihre Standpunkte zu verteidigen und eine Lösung mit Berücksichtigung der verschiedenen Standpunkte zu suchen.

61. Bei nicht zu beseitigenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat ist die Einigungsstelle hinzuzuziehen. Diese Stelle wird gebildet aus Beauftragten der Unternehmensleitung, des Betriebsrats und der zuständigen Volksvertretungen der Städte oder Gemeinden, auf deren Territorium sich der Betrieb befindet, zu jeweils gleichen Anteilen. Die Vertreter des Territoriums dürfen nicht Beschäftigte des Unternehmens sein. Die Einigungsstelle erarbeitet einen Schlichtungsvorschlag.

62. Kommt es nach den Schlichtungsverhandlungen zu keiner Einigung, ist der Betriebsrat berechtigt, Mittel des Arbeitskampfes anzukündigen und einzusetzen. Diese Mittel sind

- Durchführung eines Protestmeetings

- Urabstimmung zum Streik

- sofern mehr als 73 % der Werktätigen dafür stimmen

der betriebliche Streik.

Der Streik kann nur gemeinsam mit der Gewerkschaft organisiert und durchgeführt werden.

Betriebsvereinbarungen

63. Der Betriebsrat und die Unternehmensleitung schließen nach vorheriger Beratung in den Arbeitskollektiven jährlich Betriebsvereinbarungen und andere unbefristete Vereinbarungen ab, die aber gekündigt werden können.

Die jährliche Betriebsvereinbarung sollte folgenden Inhalt haben:

- Regelungen zur Ordnung im Betrieb,

- Reglung der Arbeitszeit, Grundsätze zur Urlaubsgestaltung,

- Regelungen zur betrieblichen Rente, Vorruhestandsreglungen, Arbeitslosenunterstützungen,

- soziale Leistungen durch den Betrieb,

- zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen,

- weitere Vereinbarungen entsprechend der Spezifik des Betriebs.

Sanktionen

64. Wer den Betriebsrat und seine Mitglieder bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Aufgaben behindert, ist schadenersatzpflichtig und wird entsprechend den Rechtsvorschriften disziplinarisch, ordnungsstrafrechtlich oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Anlage:

Betriebsgröße

    3 ...     20
   21 ...    50
   51 ...   100
 101 ...   200
 201 ...   300
 301 ...   400
 411 ...   500
 501 ...   700
 701 ...   800
 801 ...   900
 901 ... 1200
1201 ... 1500
1501 ... 1800
1801 ... 2000
2001 ... 2200
2201 ... 2600
2601 ... 3000
bis   20 000 je 2 000
über 30 000 je 3 000
Anzahl der Mitglieder
des Betriebsrats
 1
 3
 5
 7
 9
11
11
13
15
15
17
19
21
23
23
25
27
je 2 zusätzlich
je 2, zusätzlich
Freistellungen

-
-
-
-
1
1
2
2
2
3
3
4
4
4
5
5
5
je 2 zusätzlich
je 2 zusätzlich

Anmerkung:

Der vorliegende Entwurf basiert im Wesentlichen auf dem Betriebsverfassungsgesetz der BRD von 23.12.88. Mehrere Gründe machten eine Überarbeitung sinnvoll.

1. Das BRD-Betriebsverfassungsgesetz ist sehr unübersichtlich. Deshalb wurde eine Kurzfassung als Anleitung für die Bildung neuer Betriebsräte in der DDR erarbeitet.

2. In Berücksichtigung der negativen Erfahrungen der DDR, bei Amtsmissbrauch und Korrumtion der bis Oktober 1989 handelnden FDGB-Funktionäre waren Festlegungen vorzusehen, die eine möglichst effektive Kontrolle der Betriebsräte durch die Werktätigen erlauben. Aus diesem Grund wurde die in der BRD mögliche Listenwahl nicht vorgesehen, die Übertragung der Entscheidungsgewalt des Betriebsrats an den Vorsitzenden bzw. einen geschäftsführenden Ausschuss ausdrücklich verboten und die öffentliche Information über die Arbeit des Betriebsrats für alle Werktätigen festgelegt. Es wurde vorgesehen, dass die Vollversammlung der Werktätigen dem Betriebsrat Aufträge erteilen kann und eine Abwahl von Betriebsratsmitgliedern auch außerhalb der festgelegten Wahltermine einfach möglich ist.

3. Es war zu berücksichtigen, dass in der DDR Leiter, die aus politischen Gründen eingesetzt wurden, nicht über nötige Sachkenntnis, Verantwortungsgefühl und Risikobereitschaft verfügen. Um größeren Schaden von den Werktätigen abzuwenden und den Spielraum für Interpretationsmöglichkeiten zu verringern, wurden die Aufgaben der Leiter bei der Informationspflicht und der Mitbestimmung detaillierter ausgeführt als im BetrVG vom 23.12.88.

4. Um eine Meinungsbildung, der Werktätigen ohne direkte Beeinflussung durch die Leiter zu ermöglichen, wurde die Möglichkeit vorgesehen, Belegschaftsversammlungen ohne Anwesenheit der Leitung durchzuführen.

5. Durch die Verpflichtung der Werktätigen zur Geheimhaltung wurde in der DDR bisher viel Missbrauch zur Verschleierung tatsächlicher Missstände z.B. beim Umweltschutz getrieben. Daher ist die Reglung über die Geheimhaltungspflicht ebenfalls überarbeitet, um das für die Zukunft auszuschließen.

6. Berücksichtigt wurden weiterhin die in der DDR stark vertretenen Gewerkschaften in den Betrieben und Einrichtungen. Sofern nach den genannten demokratischen Gesichtspunkten gewählte Betriebsgewerkschaftsleitungen existieren, ist ihre Umwandlung in Betriebsräte möglich. Um die Spaltung der Interessenvertretung der Werktätigen in Betriebsrat und BGL zu vermeiden, wurde außerdem auch für die Zukunft die Möglichkeit eingeräumt, dass Betriebsrat und BGL ein gemeinsames Gremium bilden.

7. Die Möglichkeit zur Ausschreibung der Leitungsfunktion gibt dem Betriebsrat ein Mittel in die Hand, die in Folge des SED-Machtmonopols eingesetzten ungeeigneten Leiter abzulösen. Es ist nach dem geltenden BetrVG sofort möglich, solche Ausschreibungen durchzusetzen, da bisher in den wenigsten Fällen die Einsetzung der Leiter in Zustimmung einer demokratisch gewählten Interessenvertretung der Werktätigen erfolgte und somit ungültig ist.

8. Die Forderung nach einer umweltfreundlichen Entwicklung der Betriebe und Einrichtungen wird erfreulicher Weise von allen politischen Parteien und Bewegungen getragen. Da im BetrVG das noch nicht berücksichtigt ist, wurde hier ein entsprechender Abschnitt aufgenommen.

Die Ausarbeitung erfolgte unter Berücksichtigung des Betriebsverfassungsgesetz von 23.12.1988,
des Gewerkschaftsgesetzes vom 12.3.1990,
des Arbeitsgesetzbuches vom 16.6.1977,
der Grundsätze des DGB zur Weiterentwicklung der Betriebsverfassungsrechts vom 2.10.1982 und der Vorlagen über die Bildung von Betriebsräten im VEB BAE, VEB WF und im ZWG, des Arbeitspapiers zum Thema Betriebsräte im Prozess der Überführung von Staats- in Volkseigentum von Dr. Thomas Klein, des Entwurfs für ein Musterstatut für Personalvertretungen von Horst Schneider, der Materialsammlung über Betriebsräte in der DDR (1945-48) von Roland Höhne sowie der BetrVG-Entwürfe von Jürgen Molch, Wolfgang Wolf, Rainer Bluhm und Frank Täubner.

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