Auf eine Darstellung der Auseinandersetzungen in der Vereinigten Linken (VL) haben wir verzichtet, da sie den Leser langweilen könnte. Folgende Erklärung der VL Leipzig finden wir immerhin der Mitteilung wert.
[Voranstellung der Zeitschrift telegraph]

Das Ende der Vereinigten Linken?

Wir protestieren auf das entschiedenste dagegen, dass die Ergebnisse eines Meinungs- und Diskussionsprozesses innerhalb der VL Leipzig durch den DDR-SprecherInnrat als von außen gesteuert diffamiert und damit abqualifiziert werden. Diese Art der Argumentation entstammt einer Zeit, in der politisch abweichende Meinungen grundsätzlich als unmündig und fremdbestimmt dargestellt wurden. Mit Erstaunen müssen wir feststellen, dass in einer so genannten "Vereinigtes Linken" der Umgang mit Minderheitenpositionen ein Problem darstellt, ja das sogar, um Stalins Willen, nichts davon in die Öffentlichkeit dringen solle. Wer könnte davor, dass statt des faden Extrakts einer Einheitsbrei-Diskussion ein deutlich pluralistisches Meinungsbild innerhalb der VL sichtbar wird, Angst haben.

Wir möchten noch einmal erklären, dass wir uns weder vom DDR-SprecherInnenrat noch anderweitig hochautorisierten Gewalten vorschreiben lassen, was wir wann und wo sagen, erklären und veröffentlichen.

Gleichzeitig möchten wir darauf verweisen, dass jedesmal dann, wenn innerhalb der VL Leipzig ein Prozess der Erneuerung und Stabilisierung einsetzt, dieser durch irgendwelche "Deutschlandeinigvaterlandparolenunterzeichner, Währungsunionseinführer und Listenplätzcheneinkäufer" massiv gestört wird.

Insbesondere nehmen die Berührungsängste junger AntifaschistInnen, Autonomer und der HausbesetzerInnen zur VL, die ihnen, und das nicht zu Unrecht, immer mehr als eine Gruppe von verhinderten MöchtegernpolitikerInnen erscheint, zu, bzw. sie lehnen eine Zusammenarbeit ganz ab. Unser Land wird in die EG und die NATO integriert. Der Verfassungsschutz sitzt in den Startlöchern. Unsere Volkswirtschaft steht vor dem Zusammenbruch. Wo sind unsere Antworten auf diese Situation?

In Nah-Ost übt sich die neue europäische Großmacht gemeinsam mit den USA in die neue Rolle des Weltgendarmen ein. Wie lange wollen wir dazu noch schweigen?

Für Sinti und Roma wurden die Grenzen dichtgemacht, das Schenger-Abkommen im ersten Akt. Die Faschisten formieren sich auf unseren Straßen... Die "Radikaldemokratischen Kräfte" wetteifern beim Verfassen von Petitionsschriften. Die VL schwätzt über Listenplätzchen und die Rolle ihrer Bedeutung...

Sollte es weiterhin so bleiben, dass innerhalb der VL die inhaltlichen Diskussion als auch die militanten Aktionen gegen das deutsche Kapital ersetzt werden durch wahltaktische Überlebensmanöver, werden wir, die VL Leipzig, die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Auf keinen Fall werden wir uns für die Legitimation von Herrschaftsstrukturen hergeben, deren einziges Ziel darin besteht, sozialen, kulturellen und politischen Widerstand zu integrieren und damit wirkungslos zu machen.

aus: telegraph, Nr. 14, 19.09.1990, Unterdrückte Nachrichten, Kommentare, Termine, Herausgeber: Umweltbibliothek Berlin