Satzung der Vereinigten Linken Halle

Die Initiative "Vereinigte Linke" geht zurück auf ein Treffen von Vertretern verschiedener sozialistischer Tendenzen, das Anfang September 1989 in Böhlen stattfand. Die Teilnehmer erarbeiteten sich eine vorläufige Plattform zum gemeinsamen Handeln gegen die stalinistische SED-Führung später aber auch gegen den Rechtsruck in der DDR. Ziel der Initiative blieb die Zersplitterung der Linken zu überwinden und gemeinsam nach einer Alternative im Interesse der Werktätigen zu suchen.

In der "lVL" können unterschiedliche linke Gruppen und Einzelpersonen (Marxisten, Trotzkisten, Anarchisten, religiöse Sozialisten) mitarbeiten, ohne ihre Autonomie zu verlieren. Sie ist offen auch für enttäuschte linke Mitglieder der SED sowie anderen Parteien und Bewegungen, lehnt aber die Einbeziehung von Stalinisten Terroristen und Opportunisten ab. Sollte eine linke Plattform innerhalb der SED entstehen, sieht die "VL" Möglichkeiten zu deren Einbeziehung bzw. zur Zusammenarbeit. Es muss aber deutlich darauf hingewiesen werden, dass die "VL" weder eine Geburt der SED noch gar deren Anhängsel oder Blitzableiter darstellt oder darstellen wird. Im Gegenteil dazu ist sie als integraler Bestandteil der Oppositionsbewegung der letzten Monate - und Jahre zu verstehen - sich dabei allerdings immer auf eine sozialistische Alternative orientierend.

Die "VL" betrachtet sich als Zweckbündnis und nicht als Partei. Trotzdem wird sie sich im Rahmen ihres Selbstverständnisses auch an einer Wahl beteiligen. Das heißt zunächst, die rechtliche Möglichkeit zu erkämpfen, dass nicht nur Parteien, sondern auch Wählerinitiativen oder Einzelgruppen kandidieren können. Darüber hinaus wird ein konkretes Wahlverhalten abgestimmt werden, das auf Empfehlung, Koalition oder eine eigene Wahlplattform hinauslaufen kann.

Aus bisherigen Diskussionen in Halle ergaben sich folgende Gemeinsamkeiten verschiedener linker Gruppen - Positionen:

- das Ziel, die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der DDR aufrechtzuerhalten,

- das Bestehen auf Dominanz gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln als wichtigstem Schutz vor Ausbeuterwillkür,

- konsequentes Auftreten gegen Rassisten, Faschisten, Militaristen sowie gegen Stalinisten,

- Schutz und Verwirklichung der ungeteilten Menschenrechte nach UNO-Definition,

- konsequente Basisdemokratie innerhalb der "VL" unter Beibehaltung ihrer Arbeitsfähigkeit,

- die Entwicklung direkt demokratischer Strukturen in allen Bereichen der Gesellschaft (u.a. Rätedemokratie)

Diskutiert werden weiterhin:

- Konzeptionelle Überlegungen zur Gestaltung einer sozialistischen Wirtschaft,

- die Einberufung eines unabhängigen Volkskongresses als verbindliche Grundlegung für die Programme zukünftig Regierender,

- die Bündnispolitik der "VL",

- Schritte zur Unterstützung und Propagierung alternativer Lebensformen und linker Bildungskonzepte,

- die Entwicklung gesellschaftsstrategischer Alternativen mit dem Ziel, unsere natürliche Umwelt zu erhalten bzw. wieder herzustellen,

- Möglichkeiten zur Unterstützung der Völker in ihrem Kampf gegen kapitalistischem Raubbau und Neokolonialismus,

- Schritte zur Entwicklung Europas,

- konkrete politische Aktionen

Die "Initiativgruppe" Halle wird folgendermaßen arbeiten:

1. Wir führen zunächst wöchentlich Vollversammlungen durch. Die Vollversammlung ist das Gremium, in dem alle grundlegenden Entscheidungen getroffen werden und dem gegenüber alle autorisierten Personen, Gruppen usw. rechenschaftspflichtig.

2. Stimmberechtigt sind alle, die sich an der Arbeit der beteiligen und die sich mit Name + Adresse in die Verteilerliste eintragen, Gäste haben stets beratende Stimme.

3. Die Vollversammlung wählt einen Sprecherrat, der die "IVL" Halle nach außen vertritt. Die Sprecher sind gegenüber der Vollversammlung rechenschaftspflichtig und können mit einfacher Mehrheit abgewählt werden. Alle sechs Monate kann ein neuer Sprecherrat gewählt werden.

4. Die beteiligten Gruppen behalten volle Autonomie, müssen aber, wenn sie im Namen der "IVL" sprechen, von der Vollversammlung autorisiert sein. Ihre Veröffentlichungen (Flugblätter, Anrufe ect.) unterzeichnen die Gruppen mit ihrem eigenen Namen und verweisen zugleich auf ihre Mitarbeit im Bündnis "Vereinigte Linke".

5. Kontakte zu anderen Parteien und Organisationen im In- und Ausland sollten in der Vollversammlung koordiniert werden.

6. Die Finanzierung gemeinsamer Projekte (u.a. Druckerzeugnisse) erfolgt durch wöchentliche Spenden. Die Vollversammlung autorisiert eine oder mehrere Personen zur Verwaltung der Finanzen, trifft Entscheidungen über deren Verwendung und nimmt Rechenschaft darüber entgegen.

7. Die "IVL" ruft regionale Arbeitsgruppen ins Leben und beteiligt sich an den überregionalen (nationalen und internationalen) Aktivitäten sowohl der "IVL" selbst als auch anderer Initiativen.

8. Die "IVL" schafft sich eine regionale und überregionale informelle Struktur. Angestrebt werden eine eigene Zeitung und ein eigenes Büro, für das auch als Zentrales Büro der "IVL" geworben werden soll.

Die "IVL" Halle ist unter folgender Adresse erreichbar

Büro der VL
Röpziger Straße 19
Halle
4020

Von hier aus werden Informationen an einzelne Mitarbeiter, Arbeitsgruppen etc. weitergereicht.

[ohne Datum]
aus gesammelte Flugschriften DDR `90, Heft 3, März 1990, erstellt von der Initiative für eine Vereinigte Linke, Technische Gestaltung, Produktion und Vertrieb: ASTA TU Berlin

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