Eine Bürgerbewegung im Kampf gegen Sozialabbau
JW-Gespräch mit einem der Sprecher: Michael M(...)
Vereinigte Linke - wer hat sich da vereinigt?
Den Kern bilden Leute, die früher gegen herrschende politbürokratische Verhältnisse opponierten. Verhältnisse, die mit Sozialismus ja überhaupt nichts zu tun hatten. Jetzt bilden wir ein breites Spektrum, was Vertretern von Öko-Bewegungen, Linkssozialisten und linken Christen, Marxisten, autonomen Antifaschisten u. a. Raum bietet.
Links ist ein weitgefasster Begriff - wie würdet ihr ihn begrenzen?
Dogmatismus, Extremismus und Terrorismus lehnen wir entschieden ab, sind aber konsequent für eine sozialistische Alternative zu Kapitalismus und Stalinismus. Dabei wollen wir gern mit allen zusammengehen, die sich zum Beispiel für eine soziale Selbstverteidigung der Werktätigen einsetzen. Ein Wahlbündnis schwebt uns vor. Leider haben wir mit Demokratie Jetzt oder der Initiative für Frieden und Menschenrechte keinen gemeinsamen Nenner gefunden.
Klingt da nicht auch ein Einzug in die Parlamente recht illusorisch?
Wir haben uns dieser Wahl gestellt, auch wenn es durch den frühen Termin erheblich schwieriger geworden ist. Aber drohender Sozialabbau muss verhindert werden. Dafür wollen wir uns einsetzen.
Wo seht ihr denn die Gefahren?
Im Moment vor allem darin, dass Emotionen sehr schnell die Oberhand gewinnen können, beispielsweise gegenüber ökonomischen Entscheidungen. Ich glaube, man sollte den Menschen in unserem Land viel stärker verdeutlichen, dass ein schneller Anschluss an die BRD nicht nur Coca-Cola und Bananen bedeutet, sondern vor allem den Ruin vieler unserer Betriebe, ein Heer von Arbeitslosen, Verlust von Eigentum an Grund und Boden, die Rückkehr der Frauen an den Herd - um nur einiges zu nennen. Das Ringen um gewisse Sicherheiten wird Zeit brauchen. Selbst das bestehende westeuropäische Wirtschaftssystem, mit einem viel geringeren Produktionsgefälle als zwischen der DDR und der BRD, hat bisher noch keinen gleichberechtigten Zusammenschluss geschafft.
Ihr seid demnach gegen ein geeintes Deutschland?
Die Zweistaatlichkeit muss nicht das letzte Wort der Geschichte gewesen sein. Aber wir wollen eine selbstbestimmte demokratische Reform. Hilfe aus der BRD darf nicht heißen, dass ihr politisches und wirtschaftliches System einfach auf unseres aufgepfropft wird.
Recht häufig, im Süden der DDR weniger, begegnen einem, Flugblätter eurer Bewegung. Oft sind es sehr junge Leute, die sich engagieren.
Der Zulauf junger Leute zu uns ist recht groß. Da ab 16 jeder zur VL kommen kann, sind wir fast eine Jugendorganisation. Bei vielen von ihnen wächst die Angst. Kürzung ohnehin knapper Freizeitmöglichkeiten, Schließung von Sportstätten, aber auch weniger billige Reisen. Dazu kommt, dass vielerorts so getan wird, als hätte es nie ein Jugendgesetz gegeben - mal ungeachtet seiner Schwächen. Verhindert werden kann das eigentlich nur über eine Vertretung der Jugend in den Parlamenten. Es darf doch nicht sein, dass ein Jugendklub nach marktwirtschaftlichen Regeln einfach verschachert wird.
Wie sollte es dann sein?
Die Verantwortung der Kommunen für solche Entscheidungen muss zunehmen. Bürgerkomitees, in denen dann auch Jugendliche einen festen Platz haben, müssen mitreden, wie vorhandene Mittel und staatliche Unterstützungen wofür am besten genutzt werden.
(Das Gespräch führte Kathi Seefeld)
Geschäftsstelle: Vereinigte Linke, Haus der Demokratie, Friedrichstr. 165, Berlin 1080, Tel. (...)
Übrigens . . .
. . . wurde die Vereinigte Linke in Dresden vor die Tür gesetzt. Besonders konservative Oppositionskreise unterstellten ihnen, sie würden Gewalt an sich binden, Unterschlupf für Terroristen und Extremisten bieten. Dabei handelte es sich nicht um irgendeine beliebige Pforte. - Es war die Tür des Hauses der
Demokratie!
aus: Junge Welt, Nr. 40 B, 16.02.1990, 44. Jahrgang, Linke Sozialistische Jugendzeitung