Entschließung der Volkskammer der DDR über die Grenze zwischen dem Vereinigten Deutschland und der Republik Polen

Die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik

- im Bewusstsein ihrer Verantwortung vor der deutschen und europäischen Geschichte,

- fest entschlossen, dazu beizutragen, die Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden, damit Deutschland als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa des Rechts und der Menschenrechte dem Frieden und der Freiheit der Welt dienen wird,

- in dem Bestreben, durch die deutsche Einheit einen Beitrag zum Aufbau einer Europäischen Friedensordnung zu leisten, in der Grenzen nicht mehr trennen und die allen europäischen Völkern ein vertrauensvolles Zusammenleben und umfassende Zusammenarbeit zum Wohle aller sowie dauerhaften Frieden, Freiheit und Stabilität gewährleistet,

- in dem Bewusstsein, dass dem polnischen Volk durch die Verbrechen, die von Deutschen und im deutschen Namen begangen worden sind, schreckliches Leid zugefügt worden ist,

- in dem Bewusstsein, dass Millionen von Deutschen, die aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden, großes Unrecht geschehen ist,

- in dem Wunsche, dass im Gedenken an die tragischen und schmerzlichen Seiten der auch ein vereintes Deutschland und die Republik Polen die Politik der Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Polen konsequent fortsetzen, ihre Beziehungen im Blick auf die Zukunft gestalten und damit ein Beispiel für gute Nachbarschaft geben,

- in der Überzeugung, dass dem Engagement der jungen Generation bei der Aussöhnung beider Völker besondere Bedeutung zukommt,

- in der Erwartung, dass der Deutsche Bundestag gleichzeitig eine gleichlautende Entschließung abgibt,

gibt ihrem Willen Ausdruck, dass der Verlauf der Grenze zwischen dem vereinten Deutschland und der Republik Polen durch einen völkerrechtlichen Vertrag endgültig wie folgt bekräftigt wird:

Der Verlauf der Grenze zwischen dem vereinten Deutschland und der Republik Polen bestimmt sich nach dem "Abkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Polen über die Markierung der festgelegten und bestehenden deutsch-polnischen Staatsgrenze" vom 6. Juli 1950 und den zu seiner Durchführung und Ergänzung geschlossenen Vereinbarungen (Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen über die Abgrenzung der Seegebiete in der Oderbucht vom 22. Mai 1989, Akt über die Ausführung der Markierung der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen vom 27. Januar 1951) sowie dem "Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen" vom 7. Dezember 1970.

Beide Seiten bekräftigen die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich gegenseitig zur uneingeschränkten Achtung ihrer Souveränität und territorialen Integrität. Beide Seiten erklären, dass sie gegeneinander keinerlei Gebietsansprüche haben und solche auch in Zukunft nicht erheben werden.

Die Regierung der DDR wird aufgefordert, diese Entschließung der Republik Polen förmlich als Ausdruck auch ihres Willens mitzuteilen.

Einen entsprechenden Beschluss verabschiedete gestern der Bonner Bundestag.

Neues Deutschland, Fr. 22. Juni 1990, Jahrgang 45, Ausgabe 143


In der Volkskammer stimmen am 21.06.1990 394 mit Ja, sechs mit Nein bei 18 Enthaltungen.
Im Bundestag lautete das Abstimmungsergebnis 486 Ja, 15 Nein bei drei Enthaltungen.


Horst Teltschik schreibt in seine Buch "329 Tage" über den 29.05.1990: "Nachmittags stimme ich mit dem Kanzler abschließend den Text der Polen-Entschließung ab, die von Bundestag und Volkskammer verabschiedet werden soll, und bespreche das weitere Verfahren. Kohl will an de Maizière schreiben, um den DDR-Entwurf vom Tisch zu bringen, der weitgehend auf die polnischen Wünsche eingeht. Gleichzeitig möchte er den Entwurf mit dem Präsidium der CDU, mit den Vorsitzenden der Koalitionspartner und mit der SPD abstimmen."


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