Gleiche Rechte für Frauen und Männer
Offener Brief an die Abgeordneten von Volkskammer und Bundestag
Für eine Weiterentwicklung der Gesetzgebung zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern plädieren in einem offenen Brief Mitglieder des "Frauenpolitischen Runden Tisches" an die Abgeordneten von Volkskammer und Bundestag. Für eine solche Weiterentwicklung würden jedoch mit dem vorliegenden Einigungsvertrag keine Ansatzpunkte geschaffen, heißt es darin. DDR-spezifische Regelungen würden nur noch für einen befristeten Zeitraum für das Territorium der DDR-Länder gelten. Nach Ablauf der jeweiligen Fristen käme dann automatisch bundesdeutsches Recht zur Anwendung. Damit sei die im Einigungsprozess liegende Chance vertan worden, für Frauen, Kinder und Familien eine über den derzeitigen Stand hinausgehende Gesetzgebung zu scharfen.
In dem offenen Brief wird darauf verwiesen, dass es im BRD-Rentenrecht keinen Anspruch auf Mindestrente gäbe. Das sei eine der wesentlichsten Ursachen dafür, dass Altersarmut überdurchschnittlich Frauen betrifft. Ausreichende und kostengünstige Kinderbetreuungseinrichtungen seien wesentliche Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Elternschaft. Mit dem Wegfall des Rechtsanspruchs auf öffentliche Kinderbetreuung sowie damit, dass der Bund sich nur bis zum 30. 6. 1991 an den Kosten der Kindereinrichtungen beteiligen wird, schränken sich die Möglichkeiten für Frauen ein, berufstätig zu sein. Verwiesen wird ebenso darauf, dass auch die bezahlte Freistellung von Eltern zur Pflege erkrankter Kinder wesentlich reduziert wird.
Die Unterzeichnerinnen fordern deshalb, einen Rechtsanspruch auf soziale Mindestsicherung für Rentnerinnen und die Ausweitung des bisher geltenden DDR-Rechts auf öffentliche Kinderbetreuung und auf bezahlte Freistellung von Eltern zur Pflege erkrankter Kinder auf das Gebiet des geeinten Deutschlands auszuweiten.
Die Vertreterinnen von IFM, Demokratie Jetzt Neues Forum, UFV, Grüner Partei, VL, PDS und SPD weisen darauf hin, dass es sich hierbei nur um Minimalforderungen handelt. In einer Stellungnahme zum Einigungsvertrag haben sie klargestellt, dass sie darüber hinaus die Erarbeitung einer neuen Verfassung fordern, die die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen sichert.
Podium
PODIUM - Die Seite der und für die BürgerInnen-Bewegungen, Initiativen und Minderheiten in der Berliner Zeitung, Nr. 219, Mi. 19.09.1990