Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (Verfassungsgrundsätze)
In der Erkenntnis, dass in der Deutschen Demokratischen Republik im Herbst 1989 eine friedliche und demokratische Revolution stattgefunden hat, und in der Erwartung einer baldigen Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands wird für die Übergangszeit die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik um folgende Verfassungsgrundsätze, die entgegenstehenden Grundsätzen der bestehenden Verfassung vorgehen, ergänzt:
Artikel 1
Freiheitliche Grundordnung
(1) Die Deutsche Demokratische Republik bekennt sich zur freiheitlichen, demokratischen, föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Grundordnung. Hinsichtlich der föderativen Ordnung gilt dies nach Maßgabe einer besonderen Ergänzung der Verfassung und noch zu erlassender gesetzlicher Vorschriften.
(2) Vorschriften der Verfassung und sonstiger Rechtsvorschriften sind entsprechend den Grundsätzen des Absatzes 1 anzuwenden. Regelungen, die den Einzelnen oder Organe der staatlichen Gewalt auf die sozialistische Staats-und Rechtsordnung, auf das Prinzip des demokratischen Zentralismus, auf die sozialistische Gesetzlichkeit, das sozialistische Rechtsbewusstsein oder die Anschauungen einzelner Bevölkerungsgruppen oder Parteien verpflichten, sind nicht anzuwenden.
Artikel 2
Eigentum
Privateigentum einschließlich des Erwerbs von Eigentum und eigentumsgleichen Rechten an Grund und Boden sowie an Produktionsmitteln wird gewährleistet. Dadurch wird die gesetzliche Zulassung besonderer Eigentumsformen für die Beteiligung der öffentlichen Hand oder anderer Rechtsträger am Wirtschaftsverkehr nicht berührt.
Artikel 3
Wirtschaftliche Handlungsfreiheit
(1) Jede natürliche und juristische Person hat das Recht, im Rahmen der Gesetze mit anderen Verträge zu schließen und sich insbesondere wirtschaftlich zu betätigen.
(2) Die Außenwirtschaft einschließlich des Außenhandels und der Valutawirtschaft darf gesetzlich geregelt, aber nicht staatlich oder anderweitig monopolisiert werden.
Artikel 4
Tarifvertragsparteien
(1) Jedermann hat das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ihnen beizutreten, aus solchen Vereinigungen auszutreten und ihnen fernzubleiben.
(2) Tariffähige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen frei gebildet, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhängig sein sowie das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen.
Artikel 5
Unabhängige Rechtsprechung
Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur der Verfassung und dem Gesetz unterworfen. Sie unterliegen insoweit keiner Aufsicht staatlicher oder gesellschaftlicher Organe. Eine Leitung der Rechtsprechung unterer Gerichte durch obere Gerichte ist nicht zulässig.
Artikel 6
Schutz der Arbeit
Die Arbeitskraft wird vom Staat geschützt. Der Staat fördert das Recht des einzelnen, durch Arbeit ein menschenwürdiges Leben in sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Freiheit zu führen.
Artikel 7
Neufassung
Artikel 106 der DDR-Verfassung wird wie folgt gefasst:
"Artikel 106
Die Verfassung kann nur von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik durch Gesetz geändert werden, das ausdrücklich als 'Verfassungsgesetz' bezeichnet ist. Staatsverträge der Deutschen Demokratischen Republik und andere völkerrechtliche Verträge sind, soweit durch sie die Verfassung geändert wird, durch ein Ausdrücklich als 'Verfassungsgesetz' bezeichnetes Gesetz zu bestätigen."