Aber wir lieben Euch doch
DIE ANDERE: Frauen in die Politik - warum?
W. Schmitt: Weil sie ein anderes Verständnis für Möglichkeiten der Konfliktlösung haben als Männer. Sie sind eher bereit zum Experiment, sie halten mehr Unordnung aus, sie können Zwischenräume besser ertragen.
Auf der ganzen Welt funktioniert folgender Mechanismus: Wer nach Einflussnahme, nach Macht strebt, entwickelt das Bedürfnis zu gewinnen, der muss raffiniert sein, und nicht mehr ehrlich. So läuft das. Frauen sollten - und können - mithelfen, dass wir alle gemeinsam eine neue Kultur in der Politik finden. Wir - Frauen und Männer - müssen es lernen, Konflikte ohne Sieg und Niederlage zu lösen. Vielleicht schaffen wir das in 2 000 Jahren.
Unseren Verband haben wir in zehn Tagen gegründet, effektiv, mit politischer Weitsicht. Das hätten Männer nicht geschafft. Ich höre ununterbrochen, dass Männer so 'n Mist reden: "Aber wir lieben Euch doch! Und wir waschen schließlich auch ab." Darum geht's nicht. Es geht darum, die Geschlechter einander in allen Fragen gleichzustellen. Gleichstellung ist ein wichtiges Wort.
DIE ANDERE: Hältst Du die Quotierung dabei für notwendig?
W. Schmitt: Ja. Natürlich ist die Quotierung ein Formalismus. Aber es ist kein Formalismus, dass die Hälfte der Menschheit aus Frauen besteht. Die muss vertreten werden. Frauenpolitik, denke ich, heißt auch Durchsetzung des Leistungsprinzips. Aber nach welchen Kriterien? Übrigens: Es haben schon so viele inkompetente Männer auf Machtpositionen gesessen, da kann jetzt auch mal eine inkompetente Frau kommen - zwischen vielen kompetenten!
(Walfriede Schmitt ist Mitglied des Unabhängigen Frauenverbandes und kommissarische Vorsitzende der Gewerkschaft Kunst.)
aus: Die Andere, Nr. 3, 08.02.1990, Zeitung für basisdemokratische Initiativen im Auftrag des Landessprecherrates des Neuen Forum, herausgegeben von Klaus Wolfram