Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch bald passe?
Im Positionspapier der CDU wird im Abschnitt über die "medizinische und soziale Betreuung" der "Schutz des ungeborenen Lebens" und ein "verantwortungsbewusster Umgang mit dem Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch" gefordert.
Ich bin 30 Jahre alt. Ich habe selbst drei Kinder. Ich bin für den Schutz des ungeborenen Lebens. Ich bin für einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem genanten Gesetz. Aber ich befürchte, in diesem Passus den ersten Ansatz für eine Gesetzesänderung sehen zu müssen. Und da habe ich Vorbehalte! Gesetz und ständige Kontrolle sind, so denke ich, nicht der geeignete Weg, um moralische Werte, eine mündige verantwortungsbewusste Haftung zum Leben, auch zum ungeborenen Leben hervorbringen zu können. Auch muss jeder, der für ein generelles Verbot des Schwangerschaftsabbruchs ist, einkalkulieren: Eine Frau, die wirklich unter Druck steht, wird sogar unter Strafandrohung und mit großem Risiko für ihre Gesundheit einen Abbruch wagen. (Und dass vor Inkrafttreten des heute gültigen Gesetzes Frauen an den Folgen solcher Eingriffe gestorben sind, sollte bekannt sein.)
Weiter halte ich es für bedenklich, diesen Passus gerade jetzt wieder in das Papier und damit ins Gespräch zu bringen - in einer Zeit, in der der Sozialabbau beginnt, bereits begonnen hat, in einer Zeit, in der uns von allen Seiten unvermeidbare "soziale Härten" angekündigt werden, in einer Zeit, in der für ein Mehr an Leistung, (Leistung außerhalb des Hauses, im Betrieb) ein Mehr an Einkommen versprochen wird. - Setzt nicht all dies viele Frauen unter noch stärkeren psychischen und sozialen Druck?
Ich denke: Der beste Schutz des ungeborenen Lebens ist immer noch der Schutz des geborenen Lebern und die Schaffung einer kinderfreundlichen Umwelt! Wir sollten deshalb mit dem genannten Passus in Positionspapier sehr vorsichtig und verantwortungsvoll umgehen, in nicht als Knüppel missbrauchen, sondern zuallererst auf die soziale Sicherheit und den Schutz jedes geborenen Kindes dringen!
Dazu ist es notwendig, die Geburt, Pflege und Erziehung von Kindern endlich als überlebensnotwendige Leistung für den Gesamtbestand der Gesellschaft anzuerkennen und als solche zu honorieren. Das solle sich auch deutlicher in den Renten ausdrücken. - Es muss ein Ende damit haben, Kinder nur als Störfaktor zu sehen, der Leistung verhindert. Besonders allein lebende Frauen, die in traditionell-typischen Frauenberufen arbeiten und deshalb ein sehr niedriges Einkommen haben, sind auch unter marktwirtschaftlichen Verhältnissen in die Lage zu versetzen, sich und ihre Kinder zu vorsorgen und ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen, und das auch bei längeren Arbeitsausfällen. (Entsprechendes solle gelten für Familien mit mehreren Kindern und für alleinerziehende Väter.) Jeder Diskriminierung von Frauen mit Kindern, jeder Diskriminierung von Männern mit Kindern wegen häufiger, durch ihre Kinder verursachter Fehlstunden ist zu wehren. Den solche Diskriminierung stellt in der Konsequenz die Existenzberechtigung von Kindern überhaupt in Frage.
Denn nur eine Gesellschaft, die bereit ist, etwas für ihre geborenen Kinder zu tun, sowie für die sozial Schwachen aller Generationen, hat das moralische Recht, das ungeborene Leben zu beschwören.
Renate Bieritz-Harder, Berlin
Im übrigen ist es bezeichnend, dass die Worte von Frau Bieritz-Harder bei vielen CDU-Parteitagsdelegierten mit Unmut zur Kenntnis genommen wurden. Deshalb wandte sich die Autorin an den Unabhängigen Frauenverband
aus: FÜR DICH, 4/90, 28. Jahrgang