Für den Unabhängigen Frauenverband antwortet:
Dr. Maria Pulkenat, 28 Jahre, Lehrerin, Sprecherin der Rostocker Fraueninitiative
Erstens: Notwendige Umstrukturierungen dürfen nicht zu Sozialabbau führen. Deshalb treten wir ein für die in der Verfassung garantierten sozialen Rechte, insbesondere das Recht auf Arbeit, für bezahlte Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramme, die Stärkung von Gewerkschaften, Betriebsräten, Frauenvertretungen. Zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit, für Frauen fordern wir gerechtere Bezahlung so genannter Frauenberufe, Anhebung der Renten für Trümmerfrauen, Erziehungsgeld, Absicherung und Verbesserung der Kinderbetreuung. Tarif- und Preiserhöhungen müssen durch Zuwendungen für Alleinerziehende, Rentnerinnen Niedriglohnempfängerinnen kompensiert werden.
Zweitens: Genaue Prognosen für die Entwicklung von Schiffbau und Hafenwirtschaft und die damit verbundene Arbeitskräftesituation können jetzt noch nicht gegeben werden. Neue Arbeitsplätze sind aber zu schaffen durch die Ansiedlung intelligenz- und arbeitsintensiven Industrien, durch den Ausbau des Gesundheits- und Sozialwesens, den Umweltschutz, die Förderung der aufstrebenden einheimischen mittelständischen Unternehmen.
Drittens: Oberstes Gebot muss die Gesundung unserer natürlichen Umwelt und die Bewahrung der mecklenburgischen Landschaft sein. Massentourismus, der die Umwelt zerstört, sowie der Bau von Hotelketten, die unsere Städte und Landstriche uniformieren, würden auf lange Sicht auch keinen ökonomischen Gewinn garantieren.
Viertens: Die Kommunen sollen Ihre Belange weitgehend selbständig regeln. Zur Sicherung ihrer Autonomie verfügen sie über einen Anteil der Steuereinnahmen, über Eigentum an Grund und Boden sowie eine Reihe für das kommunale Leben wichtiger Betriebe.
Fünftens: Frauen waren in der DDR juristisch den Männern gleichgestellt, aber auf vielfältige Weise, z. B. durch die Unterbezahlung so genannter Frauenberufe und die Doppelbelastung als Berufstätige und Mutter stark benachteiligt. Durch umfangreiche Förderungsmaßnahmen, z. B. Quotierungen, flexible Arbeitszeiten, muss gesichert werden, dass Frauen bis in die Spitzenpositionen hinein auf allen Ebenen von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft. Kultur und Kunst gleichberechtigt vertreten sind, um dort wirksam weibliche Erfahrungen, Sichtweisen, Werte einzubringen.
Gleichzeitig müssen Männer die Verantwortung für Kindererziehung und Haushalt zur Hälfte mit übernehmen. Durch Verzicht auf traditionelle Privilegien können Männer als Menschen nur gewinnen. Eine frauenfreundliche Gesellschaft ist immer auch eine menschenfreundliche Gesellschaft.
Sechstens: ...dass Frauen und Männer ihre Ohnmachtsgefühle überwinden, sich nicht als bloße Objekte von alten und neuen Mächten hin- und herschieben lassen, sondern durch BürgerInnen-Initiativen, Gewerkschaften, Betriebsräte, Frauenvertretungen die Umgestaltungsprozesse in ihrem Interesse aktiv selbst gestalten.
(Mit Dr. Maria Pulkenat sprach unser Redaktionsmitglied Elfriede Parnitzke)
aus: Ostsee-Zeitung, Nr. 57, 08.03.1990, 39. Jahrgang