Berlin, den 30. Juli 1990
Lagebericht Nr. 2
gegeben vom Vorstand der Treuhandanstalt vor dem
Verwaltungsrat am 30. 7. 1990
1. Zur Situation der DDR-Wirtschaft
Der Wirtschaftsablauf in der DDR ist im Bereich der gewerblichen Wirtschaft durch einen zunehmenden Leistungsrückgang, verringerten Absatz und ansteigende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Ende Juni betrug der Rückgang des Produktionswertes in der Volkswirtschaft gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres 7,3 %, darunter im Bereich der Industrie 7,0 %.
Nur 27 % der Industrieunternehmen erreichten eine gleiche oder höhere Leistung je Arbeitstag als im Jahre 1989. Insbesondere sind das Unternehmen der polygraphischen Industrie, des Schiffbaus, des Baus von luft- und kalte-technischen Ausrüstungen, der Vorfertigungsindustrie der Bauwirtschaft, des Schienenfahrzeugbau und des Chemieausrüstungsbaus.
Die Anzahl der Unternehmen, die einen Produktionsrückgang von über 20 % ausweisen, stieg auf 23 % der Unternehmen an. Betroffen davon waren fast ausschließlich Unternehmen der strukturschwachen und wenig konkurrenzfähigen Zweige der Chemie-, Leicht-, Textil- und Lebensmittelindustrie, aber auch einige Zweige des Maschinen- und Fahrzeugbaus, die insgesamt über 75 % des Produktionsrückgangs gegenüber dem Vorjahr in der Industrie verursachten.
Es ist in den nächsten Monaten von einem beschleunigten Rückgang im Volumen der Inlandverträge auszugehen.
Bereits derzeit ist über ein Drittel des Produktionsrückgangs in der chemischen Industrie auf fehlende Verträge zurückzuführen. In der Chemiefaserindustrie müsste die Produktion wegen sinkenden Abkaufs von textilen Fertigerzeugnissen auf 30 bis 50 % der Kapazität gedrosselt werden.
Hohe Vertragsstornierungen, unter anderem bei Zeitschritten-und Verpackungspapier, führten mit zu Einschränkungen in der Kapazitätsauslastung der Zellstoff- und Papierindustrie bis auf 15 % der Produktion.
Erstmalig in diesem Jahr verringerte sich im Juni das Volumen der 1990 insgesamt zu realisierenden Auslandsaufträge. Nach wie vor überwiegt die Orientierung auf den Vertrieb westlicher Produkte
Die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt nimmt erheblich zu. Mitte Juli lag die Zahl der Arbeitslosen bei 224 000. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 1,1 % Ende Mai auf ca. 2,5 % Mitte Juli.
Die Zahl der Kurzarbeiter betrug Mitte Juli ca. 500 000 Personen.
Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosen nahm um 7 % zu. Fast ein Fünftel der Arbeitslosen sind Jugendliche bis 25 Jahre.
Die höchsten Arbeitslosenzahlen wiesen die industriellen Ballungsgebiete Berlin (19 000), Halle (15 000) und die Bezirke Chemnitz, Magdeburg und Erfurt mit jeweils aber 12 000 auf.
Die Anzahl der offenen Stellen verringerte sich. Der Zugang an offenen Stellen im mittelständigen Sektor blieb unter den Erwartungen.
Rund 3 000 Bürger wurden im Juni in Umschulungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter einbezogen. Dies macht deutlich, dass die Maßnahmen zur Umschulung und Fortbildung schleppend verliefen.
Der Wirtschaftsablauf im Juni und Juli weist auf die Notwendigkeit hin, die mit den gesetzlichen Regelungen geschaffenen Ausgangspositionen für den Übergang zu marktwirtschaftlichem Wachstum konsequenter zur Wirkung zu bringen.
(Das betrifft vor allein die Forcierung des Tempos der Strukturanpassung und das Wirksamwerden der konjunkturellen Impulse aus dem privaten Verbrauch für die Leistungsentwicklung der Unternehmen in Konsumgüterbranchen.)
Es kann davon ausgegangen werden, dass sich der Rückgang des Vertragsvolumens für den Export in die RGW-Länder mit dem Wirksamwerden der "Richtlinie über die Gewährung finanzieller Hilfen zur Erfüllung von Exportverträgen mit den RGW-Ländern im 2. Halbjahr 1990" nicht in den bisherigen Größenordnungen fortsetzen wird. (Die Gewährung dieser Hilfen erfolgt ausschließlich dann, wenn die Verluste aus den entsprechenden Exportverträgen zu einem negativen Ergebnis der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens führen würden und der Nachweis über eigene Maßnahme des Unternehmens zur Minimierung der Verluste erbracht wird.)
Die rückläufige Wirtschaftsentwicklung bekräftigt die Notwendigkeit
- in schnellerem Tempo sanierungswürdige Unternehmen zu fördern,
- konsequenter Unternehmen stillzulegen, die keine Marktchance besitzen,
- die Privatisierung von Unternehmen zu forcieren, um schneller marktwirtschaftliche Bedingungen herauszubilden.
2. Liquiditätsituation im Juli und August 1990
Für den Monat Juli wurden durch die Banken an 7 655 Unternehmen 10 283 165 [000] DM (darunter 200 Mio. auf Grund Sonderbeschluss des Ministerrates für die Landwirtschaft) an Liquiditätskrediten unter einer Globalgarantie der Treuhandanstalt ausgereicht.
Damit wurden den meisten Unternehmen nur 41 % des angemeldeten Kreditbedarfes gewährt. Kreditbedarf unter 500 000 DM wurde ca. 3 000 antragstellenden Unternehmen zu 100 % ausgereicht. Insgesamt ist der sachlich begründete Liquiditätsbedarf damit bei einer großen Zahl von Unternehmen nicht überbrückt worden. Das wurde in einer Prüfung von Wirtschaftsprüfern in 82 Unternehmen grundsätzlich bestätigt, obwohl diese Prüfungen an einigen Stellen auch eine überhöhte Anmeldung nachweisen konnten. Die Begrenzung der Kreditausreichung auf 10 Mrd. DM führte zu zahlreichen Nachforderungen und Protesten von Unternehmen. Von 1 100 Nachforderungsanträgen wurden 90 abgelehnt, 290 bei erheblicher Kürzung gegenüber den Forderungen bestätigt. Weitere über 700 vorliegende Anträge (mit einem Volumen von bis zu 2 Mrd. DM) können nicht mehr genehmigt werden.
Der Monat Juli bekräftigt die Einschätzung, dass der am 1. Juli fast vollkommen unterbrochene Zahlungsstrom zwischen den DDR-Unternehmen durch den "Einschuss" von 10 Mrd. DM Liquiditätskrediten nicht im erforderlichen Maße in Gang gebracht wer-den konnte.
Auch die Wirtschaftsprüfer kamen auf Grund ihrer Untersuchungen zu der Meinung, dass die von der Treuhandanstalt besicherten Liquiditätskredite in Höhe von rund 41 % des angemeldeten Bedarfs nicht ausreichen, die Liquidität der Gesellschaften dauerhaft oder auch nur bis Ende September 1990 zu sichern. Sie kommen zu der Einschätzung, dass sich besonders im August, aber auch im September ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf ergehen wird. Nur ganz wenige Unternehmen werden in der Lage sein, die zugesagten Kredite bis Ende September zurückzuzahlen.
Ein weiterer erheblicher Kreditbedarf erwächst neben den strukturellen Schwächen der DDR-Industrie aus einer abwartenden Haltung aller am Wirtschaftsprozess Beteiligten, d. h. der Käufer, der Banken, der öffentlichen Hand, der westlichen Kooperationspartner und der Unternehmen selbst.
Diese Lähmung, die aus der Veränderung der gesamten volkswirtschaftlichen Struktur entstanden ist, kann nur überwunden werden, wenn die Mindestliquiditätsanforderungen der Unternehmen sichergestellt werden und der Staat darüber hinaus seine fiskalischen Möglichkeiten flankierend einsetzt.
Die Untersuchungen über die Liquiditätskreditierung unter der Globalbürgschaft der Treuhandanstalt im Juli haben aber auch Mängel dieses Verfahrens offenbart. Das Globalgarantie-Verfahren hat nicht dazu geführt, dass die Selektion von Unternehmen, die keine Marktchancen besitzen, gefördert wurde. Die Liquiditätspläne per Juli geben keine entscheidungsreifen Grundlagen dafür. Es wurden Kredite auch von jenen Unternehmen in Anspruch genommen, die über keine Entwicklungsperspektive verfügen.
Um den unterschiedlichen Verhältnissen in den einzelnen Unternehmen Rechnung zu tragen, müssen die bisher generellen Zusagen für Kreditgewährung durch Zusagen, die den speziellen Belangen der Unternehmen Rechnung tragen, ersetzt werden.
Es ist deshalb vorgesehen, das Verfahren zur Kreditausreichung für August und September neu zu gestalten.
Eine Bürgschaft wird von der Treuhandanstalt den Kreditinstituten nur gewährt, wenn
a) Unternehmen und Kreditinstitut versichern, dass der Liquiditätsbedarf für August/September ohne Bürgschaft nicht gedeckt werden kann;
b) sich das Kreditinstitut verpflichtet, bei Einzelprüfung von Anträgen ein eigenes Risiko gegen gesonderte Absicherungen am Umlaufvermögen (Forderungen/Vorräte) zu übernehmen;
c) das Unternehmen erklärt, dass es alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen und zur Senkung der Ausgaben, insbesondere auch durch Nutzung der Kurzarbeitszeitregelung und anderer flankierender Maßnahmen im Personalbereich ausgeschöpft hat;
d) dem Bürgschaftsantrag ein Sanierungskonzept beigefügt ist, mindestens aber anhand eines Geschäftskonzeptes glaubhaft gemacht wird, das bis zu einem anzugebenden Zeitpunkt durch konkret zu bezeichnende Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erreicht wird.
Das Verfahren soll dazu führen, bei der notwendigen Liquiditätsmobilisierung die öffentliche Hand und die Treuhandanstalt zu entlasten.
(Wegen der Übernahme eines Eigenoligos der Banken sind noch entsprechende Gespräche am 30. 7. 1990 vorgesehen. Zur Erweiterung der Sicherungsinstrumente für Bankkredite mit Eigenobligo hat das Parlament der DDR am 22. 7. 1990 eigens ein Gesetz verabschiedet, das den Banken erlaubt, Kredite auch auf der Basis von sicherungsübereigneten Vorräten oder auf Grund einer sog. Globalzession des jeweiligen Forderungsbestandes zu begeben.)
Für die Unternehmen und die Treuhandanstalt ergibt sich die Verantwortung, zunehmend aussagekräftige Unterlagen zu schaffen, die es erlauben, die überlebensfähigen und sanierungswürdigen Betriebe zu erkennen.
3. Sanierung von Unternehmen
Zur Beurteilung der Sanierungswürdigkeit von Unternehmen sind in schnellerem Tempo aussagekräftige Unterlagen in den Unternehmen zu schaffen.
In vielen Unternehmen sind mit Hilfe externer Beratungen erste Sanierungskonzepte erarbeitet worden.
Durch die Treuhandanstalt sind in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wirtschaft und dem Ministerium der Finanzen 66 Unternehmen (mit 260 000 Beschäftigten) ausgewählt worden, in denen die Sanierungswürdigkeit offensichtlich ist.
Darunter sind solche Unternehmen wie die Idola-Spielwaren GmbH (10 000 Beschäftigte), Ilmenauer Glaswerke GmbH (4 100), Print-Pack-AG (4 600), Deutsche Waggonbau AG (14 480), SKET Maschinen- und Anlagenbau AG (11 200), Robotron Büromaschinenwerk AG (12 300), SKI-Motoren- und Systemtechnik AG (8 000), Tridelta AG, Keramische Werke (6 900), Hennigsdorfer Stahl GmbH (8 000), Chemiefaser Guben GmbH (7 000), Pneumant Reifenwerke Fürstenwalde AG (9 400).
Durch die Außenstellen der Treuhandanstalt sind Unternehmen der örtlichen Wirtschaft hinsichtlich ihrer Sanierungswürdigkeit eingeschätzt worden.
Für die Stahlindustrie, Nichteisen-Metallindustrie, Kali-Industrie und Geologie liegen erste Strukturkonzepte vor, in denen Schwerpunkte und Arbeitsrichtungen für unternehmenskonkrete Sanierungskonzeptionen ausgewiesen werden. Für besondere Problemstandorte der Stahlindustrie (Eisenhüttenstadt, Riesa, Unterwellenborn und Brandenburg) werden regionale Strukturanpassungskonzepte ausgearbeitet. (Als ein Pilotprojekt dafür ist Brandenburg mit Unterstützung der EG vorgesehen.)
Branchenanalysen mit größerer wirtschaftspolitischer Bedeutung sind durch eine Regierungskommission in Auftrag gegeben für PKW-Produktion, mikroelektronische Industrie, Unterhaltungstechnik, Leichtindustrie, Energiewirtschaft, Mineralölwirtschaft, ausgewählte Bereiche der Grundchemie sowie Rechentechnik und Nachrichtentechnik.
Mit der Forderung ‚ die Einreichung von Anträgen auf Liquiditätskredite für August und September mit einem Sanierungs- bzw. Geschäftskonzept zu belegen, soll die Selektion und Begründung sanierungswürdiger Unternehmen wesentliche beschleunigt werden.
Dem dient auch die Übergabe eines Leitfadens zur Ausarbeitung von Sanierungskonzepten an die Unternehmen, der von der Treuhandanstalt in Auftrag gegeben wurde.
Es bestätigt sich, dass die Entwicklung sanierungswürdiger zu marktfähigen Unternehmen entscheidend davon abhängt, dass durch Partnerschaft mit Unternehmen der BRD und des Auslands eine unternehmerische Kooperation sowie durch Kreditinstitute eine finanzielle Begleitung geschaffen werden.
Für o. g. 66 und weitere Unternehmen sollte in kürzestmöglicher Zeit die Überleitung aus Liquiditatskreditierung in die Form der Sanierungskredititierung durch selbstverbürgte Bankkredite vorgenommen werden. Gezielt sollen im Rahmen der Kreditermächtigung lt. Staatsvertrag dafür vorgesehene Förderungsmittel zur Strukturanpassung zum Einsatz kommen. (Das Verfahren dafür sollte umgehend mit den Organen der Bundesregierung abgestimmt werden.)
Zur Förderung sanierungswürdiger Unternehmen durch Investoren aus der BRD und dem Ausland sind derzeit noch hemmende Faktoren umgehend zu überwinden. Sie betreffen vor allem:
a) Entscheidungen zur Behandlung sogenannter Kreditaltlasten (unverzüglich sollte ein Moratorium für Tilgung und Zinszahlung auf Altkredite ausgesprochen werden);
b) umgehend Tarifverhandlungen aufzunehmen, die den ab 1. 7. 1990 geltenden neuen sozialen Mitbestimmungsgesetzen Rechnung tragen und Entscheidungen zu den Rationalisierungsschutzabkommen einschließen sollen. (Im Geltungsbereich dieser registrierten Rationalisierungsschutzabkommen sind etwa 1,4 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt.)
c) die Gesetzgebung zur DM-Eröffnungsbilanz in kürzester Frist vorzunehmen und bereits im August mit der Einrichtung vorläufiger DM-Eröffnungsbilanzen zu beginnen.
4. Liquidation von Unternehmen
Dieser notwendige Vorgang wird zu zögernd angegangen. Die Hauptursache liegt darin, dass zur Entscheidung über Stilllegungen keine aussagekräftigen Unterlagen zur Verfügung stehen und auch die derzeitige Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen nicht in jedem Fall mit der Notwendigkeit ihrer Liquidation gleichzusetzen ist.
Im Juli gab es aber auch einen zu geringen ökonomischen Zwang für bereits offensichtlich stillzulegende Unternehmen auf Grund noch möglicher Aufnahme von Liquiditätskrediten. Auch werden soziale Konsequenzen bei Stilllegungen gescheut bzw. nicht aus‑reichend beherrscht. (Arbeitsförderung, Beschäftigungsgesellschaften u.a.)
Durch die Treuhandanstalt wurden gemeinsam mit dem Ministerium für Wirtschaft und dem Ministerium der Finanzen am 10. Juli 66 Unternehmen (mit 55 000 Arbeitnehmern) als hochgradig konkursgefährdet eingestuft, mit dem Ziel, sie umgehend stillzulegen bzw. in Liquidation zu führen. Darunter sind solche wie Sächsische Mähdrescher AG (mit 5 000 Beschäftigten), Pentacon Dresden GmbH (6 000), Funkwerk Köpenick GmbH (3 500), Anhaltinische Düngemittel- und Baustoff GmbH Coswig (2 400), Mansfelder Kupferbergbau (5 000).
Durch Wirtschaftsprüfer wurden einige der 66 Unternehmen im Rahmen der Liquiditätseinschätzung überprüft. Es erwies sich, dass in einigen Fällen auch diese ausgewählten Unternehmen noch nicht liquidationsreif sind.
Die Treuhandanstalt wird mit externen Kapazitäten die Selektion stillzulegender Unternehmen forcieren.
Darauf werden die Prüfungen der Liquiditätspläne für August/September konzentriert. In den 15 Außenstellen der Treuhandanstalt werden entsprechende Teams aus Wirtschaftsprüfern, Mitarbeitern der Treuhandanstalt und eines Büros des Ministeriums für Wirtschaft sowie von Kräften der ehemaligen Finanzrevision eingesetzt, um in dieser Hinsicht wirksam zu werden.
Für die nicht sanierungsfähigen Unternehmen werden Bevollmächtigt benannt. Diese sollen mit den Vorständen/Geschäftsführern bzw. Aufsichtsräten der Unternehmen unter Einbeziehung von Wirtschaftsprüfern, Banken u. a. die Geschäftsunterlagen der Unternehmen durcharbeiten und eine endgültige Entscheidung darüber vorbereiten, ob das Unternehmen bzw. Unternehmensteile noch sanierungsfähig sind oder der Konkurs einzuleiten ist.
Bei einer Entscheidung zur Nichtweiterführung des Unternehmens wird der Antrag auf Gesamtvollstreckung entsprechend den gesetzlichen Regelungen gestellt.
(Für eine Übergangszeit bis zum 31. 12. 1990 wurden durch die Regierung Regelungen beschlossen, die der Treuhandanstalt die Möglichkeit geben, im Rahmen eines 3monatigen Moratoriums die Einleitung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zeitweilig auszusetzen. Das gilt für Unternehmen, die zeitweilig in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, ansonsten berechtigte Chancen der Sanierung haben und deshalb vor dem Konkurs bewahrt werden sollen.)
5. Privatisierung von Unternehmen
Die Privatisierung von Unternehmen beginnt sich zu beschleunigen.
Sowohl der Treuhandanstalt als auch direkt bei den Unternehmen liegen vielzählige Angebote zum Erwerb von Unternehmen, Unternehmensteilen oder Geschäftsanteilen vor, darunter neben BRD-Unternehmen auch von ausländischen Bewerbern.
Verkäufe größerer Art stehen vor dem Abschluss, z. B. bei der GmbH Technische Gase, Interflug, Zigarettenfabriken. Der Kauf von weiteren Unternehmen wird über die Gründung von Betriebsführungsgesellschaften vorbereitet (z. B. Zementwerke Karsdorf und Rüdersdorf, Stahlwerk Brandenburg).
Verträge zum Erwerb von Anteilen am Gas-Verbundnetz und an der Stromversorgung werden zur Zeit neu ausgehandelt, um wettbewerbspolitischen Bedingungen zu entsprechen.
Bisher vorbereitete bzw. vollzogene Anteils- oder Unternehmensverkäufe weisen auf folgende Schlussfolgerungen hin:
a) Die Rechte und Pflichten von Vorständen/Geschäftsführern zum Verkauf von Treuhandanteilen sind eindeutig zu bestimmen, damit dem Treuhandgesetz zuwiderlaufende Handlungen unterbunden werden.
Vor allem ist zu gewährleisten, dass die Gewährung von Vorverkaufsansprüchen, der Abschluss von Pachtverträgen u. a. nicht den freien Wettbewerb zwecks Erzielung höchstmöglicher Verkaufserlöse einschränkt (siehe Pachtverträge der Interhotel AG).
b) Für die Privatisierung von Unternehmen sind immer mehrere Alternativen zu erarbeiten. Die Konkurrenzsituation ist voll zu nutzen In- und ausländischen Bewerbern sind gleiche Chancen zu gewährleisten.
c) Die Gewährung von Beschäftigungsgarantien sollte höchste Priorität bei Verkaufen einnehmen.
d) Auf Grund noch nicht vorhandener DM-Eröffnungsbilanzen ist den Bewertungsgutachten (Ertragswert) durch Prüfgesellschaften größte Aufmerksamkeit zu widmen.