Entscheidungen frei nach Gewissen treffen

Gedanken über Zivildienstgesetz Ist Volkskammer dafür kompetent?

Die rund 50 im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt Zivildienstleistenden haben sich mit "Gedanken für ein Zivildienstgesetz" an die Öffentlichkeit gewandt. In deren Namen übergab Karsten Seifert dem ADN ein Schreiben, mit dem sie Anregungen für eine breite öffentliche Diskussion geben möchten. Dabei seien sich die Zivildienstleistenden bewusst, dass ein entsprechendes Gesetz nur ein erster Schritt zur Entmilitarisierung auf deutschem Boden und damit in Europa sein könne.

Als ersten Entwurfspunkt wird in den "Gedanken" der Grundsatz genannt, dass Bürgern, die aufgrund ihrer Überzeugung keinen Militärdienst leisten wollen, das Recht gewährt werden solle, einen Zivildienst anzutreten. Diese Entscheidung müsse jeder frei nach seinem Gewissen treffen können. Es wird vorgeschlagen, ein selbständiges Staatssekretariat für Zivildienst einzurichten. Ein Einsatz in militärischen oder paramilitärischen Einrichtungen solle grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Als mögliche Einsatzgebiete nennen die Zivildienstleistenden das Gesundheits- und Sozialwesen (Alten- und Behindertenpflege, Volkssolidarität, Jugendhilfe, Heimerziehung, Fürsorge), den Umweltschutz (Forst- und Wasserwirtschaft), den Katastrophenschutz, den Dienstleistungsbereich oder einen Einsatz im Ausland (im Rahmen der Entwicklungshilfe oder in Zusammenarbeit mit der Aktion Sühnezeichen).

Der Einsatz der Zivildienstleistenden müsse auf Grundlage des Arbeitsgesetzbuches erfolgen, wobei Festlegungen zur Entlohnung und das Recht auf Kündigung ausgenommen werden sollten, heißt es in dem Papier. Zivildienstleistende und Wehrdienstleistende müssten sozial und finanziell gleichgestellt werden, wobei der Zivildienst einmalig und in derselben Dauer wie der Grundwehrdienst geleistet werde. Im Gesetz sollte festgeschrieben sein, dass ein Reservistendienst wie in der Armee nur in Notstandssituationen (Ausnahmezustand) als Einsatz in dem jeweiligen Zivildienst-Gebiet möglich ist.

Die Dresdner Zivildienstleistenden fordern in dem Schreiben alle Parteien und demokratischen Gruppen auf, zu den Problemen Zivildienst und Wehrdienstverweigerung offen Stellung zu nehmen. Die derzeitige Volkskammer sei als Entscheidungsträger für den Beschluss eines entsprechenden Gesetzes wegen ihrer Entstehung und Zusammensetzung in ihren Augen nicht kompetent, heißt es abschließend in dem Papier.

aus: Neue Zeit, 45. Jahrgang, Ausgabe 304, 28.12.1989, Tageszeitung der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands