Wehrpass in Kunstharz gegossen

Volksfest im Lustgarten mit Totalverweigerern zog Tausende an

Am vergangenen Sonntag (23.2.) fand im Berliner Lustgurten ein Volksfest statt. Anlass war der 1. März: "Tag der Abschaffung der Wehrpflicht". Eingeladen zu diesem antimilitaristischen Volksfest hatte der "Freundeskreis Wehrdiensttotalverweigerer/Berlin". "Alle reden von Entmilitarisierung und Abrüstung ... Tun wir es!", so hieß es auf dem Einladungsplakat. Ihm waren etwa 2 000 Personen gefolgt.

Auf Informationstafeln erfuhr man einiges über die bisherige Arbeit. Dazu fand man am Infotisch Bücher, Flugblätter, Informationshefte über dir Situation in der DDR, aber auch über Kriegsdienstverweigerung in anderen Ländern (z.B. Spanien). Aufkleber in unterschiedlichen Größen mit dem Berliner Bären, der ein Gewehr zerbricht und der Aufschrift: "Berlin sagt nee - Wehrpflicht ade!" waren nicht nur bei Berlinern begehrt.

Einen zentralen Punkt bildete ein Tisch, an dem jeder seinen Wehrpass abgeben konnte. Die Entlassungsurkunde bescheinigt: ". . , dass der Inhaber dieser Urkunde vom antimilitaristischen Geist infiziert - und nicht mehr im Besitze einer militärischen Legitimation für den Dienst im Heere gänzlich ungeeignet, ja schädlich erscheint . . ." Mehrere Modelle zeigten, wie dir Wehrpässe aussehen, wenn sie dann in Kunstharz gegossen sind. Aus diesen soll dann bei einer nächsten Aktion ein Denkmal gebaut werden.

Die "Blechmarke" wurde zerbrochen, dir eine Hälfte kam in dir Lostrommel, die andere diente zur Legitimation beim Empfang der Preise bei der Großen Tombola.

Wie auf jedem Volksfest, fehlte auch hier die Schießbude nicht. "Der letzte Schuss" (nur zur Feier des Tages) stand über dem Wurfspießstand. Zielscheibe ein überdimensionaler Wehrpass. Musik gab es live. Mit Jazz, Liedermacher und Punk war wohl für die meisten etwas dabei.

Den Höhepunkt bildete nach 3 Stunden ein Demonstrationszug zum Museum für Deutsche Geschichte. Ihm voran trug man eine überdimensionale "Blechmarke". Sie wurde zerbrochen, die Wehrpflicht für beendet erklärt. Damit gehört sie in dieses Museum und wird dort hoffentlich bald, symbolisiert durch diese Schenkung, der Öffentlichkeit präsentiert.

Michael F(...)

aus: Berliner Zeitung, Nr. 53, 03./04.03.1990, 46. Jahrgang


[Das Museum für Deutsche Geschichte ist heute das Deutsches Historisches Museum.]