Erklärung

Innenminister Diestel hat durch seinen Beamten E(...) Strafanzeige wegen Hausfriedensbruches gegen uns, die 21 Besetzer, erstattet. Es stimmt, wir haben uns in einem Nebengebäude des Zentralarchivs der Staatssicherheit festgesetzt. Der Sinn dieser Aktion ist öffentlich bekannt. Uns wird zudem Sachbeschädigung und sogar Siegelbruch vorgeworfen.

Die Wahrheit ist, wir haben eine verschlossene Tür sanft aufgedrückt. Siegel, die aufzubrechen wären, gab es nicht. Das Wort Hausfriedensbruch ist geeignet, in dar Öffentlichkeit einen falschen Eindruck zu erwecken. Wir sind hier nicht in ein normales Haus eingedrungen, sondern in den Riesengebäudekomplex einer verbrecherischen Organisation, die liquidiert werden soll. Auch irgendein Friede konnte hier nicht gebrochen werden. Hier schwelt ein stiller Krieg um die Frage, ob und wie die Akten der Stasi vernichtet oder gebraucht oder missbraucht werden.

Wir sind weder Kinder noch Chaoten. Wir wiesen sehr wohl, dass unsere Aktion eine Ordnungswidrigkeit ist und sogar als Rechtsbruch hingestellt werden kann. Aber in Abwägung der Verhältnismäßigkeit unseres Handelns wissen wir, dass das Schicksal der Stasi-Akten schwerer wiegt als diese im Grunde friedliche politische Demonstration. Die Zeit drängt. Wir würden lieber heute als morgen in unseren eigenen Betten schlafen, statt hier auf dem Fußboden. Wir werden aber ausharren solange wir die Hoffnung haben, dass sich doch noch Politiker in Ost und West finden, die das zugeschnürte Paket des Staatsvertrages noch einmal öffnen. Das von der frei gewählten Volkskammer beschlossene Gesetz über den Umgang mit den Stasi-Akten soll dem Einigungsvertrag eingefügt werden.

Auch wenn die DDR nur noch ein paar Wochen dauert, halten wir es aus politisch-hygienischen Gründen für richtig, wenn der Ministerpräsident seinen Innenminister entlässt. Peter-Michael Diestel hat sich nach unserer Meinung nicht um die Auflösung der Stasi verdient gemacht. lm Gegenteil: er hat die Arbeit des parlamentarischen Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des MfS/AfNS eher behindert, und er hat die Arbeit des eingesetzten Überprüfungsausschusses gelähmt.

Berlin am 07.09.90

Die Besetzerlnnen im Haus 7 des ehem. MfS
Die Mahnwache