Die Partei und das Haus
PDS und Bewegungen streiten sich um das Haus der Demokratie
Fast unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit demonstrierten am 17. Juni in der Leipziger Innenstadt ungefähr 2 000 Menschen für die Enteignung der PDS und der ehemaligen Blockparteien. Aufgerufen hatten die im Leipziger Haus der Demokratie vertretenen Gruppierungen. Deutlich wurde, dass hier nicht die gleiche Art der Enteignung gemeint war, die der Regierung vorschwebt.
Die SED-PDS habe im Dezember ihre Schuld an der Krise der DDR eingestanden und sei damit für den entstandenen Schaden auch materiell haftbar. Auch ohne Schuldeingeständnis träfe Gleiches auf die Blockparteien zu. Doch es gab einen näherliegenden Grund, sich bei der Enteignungsforderung trotzdem mehr auf die PDS zu konzentrieren: das Haus der Demokratie selbst. Das war bis Dezember eines der SED-Gebäude, die dann an die Oppositionsgruppen übergeben wurden. Verantwortlich sollte die Stadt sein, und alles Rechtliche sollte sich später klären. Die SED-PDS sprach seinerzeit von Übereignung an die Stadt. Doch schriftlich hat man in Leipzig darüber nichts. Darum hatte man sich nicht gekümmert, schließlich war ja fast noch "Revolution".
Als die Volkskammerwahlen vergangen waren und die PDS nicht mehr als demütige, gestürzte Staatspartei sondern als neue gewandelte demokratisch-linke Partei auftrat, waren die mündlichen Aussagen vergessen. Die Gruppierungen im Haus der Demokratie erinnerten die Eigentümerin daran, dass ihnen das Haus versprochen war, doch wusste bei der PDS Leipzig niemand etwas davon. Die Genossen antworteten auf einen Brief, der im Haus der Demokratie beherbergten Gruppierungen vom NEUEN FORUM bis zur Vereinigten Linken die von ihnen allen aufgestellten Behauptungen seien Lüge, die Wahrheit sei, dass die Stadt für das Haus nur als Verantwortungsträger befristet aufgetreten sei und für die Gruppen nur von Nutzungsverträgen gesprochen worden sei. Die PDS ist entschlossen, ihr Eigentum zu behalten. Die mietfreie Nutzung der Räume im Haus der Demokratie ist offiziell im Mai abgelaufen. Seitdem sind die Gruppen dort eigentlich ohne jede Rechte, denn Mietverträge haben sie nicht. Das erregte den Unmut der Alt- und Wiederopposition, sie erklärten das Haus für besetzt.
Am 8. 6. interpretierte es der Hausrat so: Aus grundstücksrechtlicher Sicht läuft die mietfreie Nutzung weiter. Fraglich ist nach dem Regierungsbeschluss über die Zwangsverwaltung des PDS-Eigentums, inwieweit die PDS selbst bei bestem Willen überhaupt in der Lage wäre, das Haus an die Oppositionsgruppen zu übertragen. Diese bekamen Informationen zugespielt, dass schon die Vermietung an ein Institut für Verwaltungsrecht, eine Firma Alarmservice und ein westdeutsches Rechtsanwaltsbüro geplant sei. Außerdem solle das Haus für Schulungen und Kongresse angeboten werden. Die PDS mochte sich nicht dazu äußern.
Das Haus wurde erst 1983 von der SED für 880 000 Mark erworben. An Baumaßnahmen hat sie nach eigenen Angaben 3,5 Millionen investiert. So etwas kann man nicht einfach verschenken, zumal wenn man an Besitz gewöhnt ist.
Stephan Börner
die andere, Nr. 24, Mi. 04.07.1990