Der Beschluss der außerordentlichen Tagung des ZK der SED hat folgenden Wortlaut:

Das Zentralkomitee der SED stellt fest, dass der Prozess der radikalen Erneuerung der Partei von der Basis her rasch voranschreitet. Davon legen in eindrucksvoller Weise die Kreisdelegiertenkonferenzen in Vorbereitung des außerordentlichen Parteitages Zeugnis ab. Alle Konferenzen gestalteten sich zu Foren prinzipieller und sachlicher Auseinandersetzung mit den Hemmnissen und Erfordernissen des Prozesses der Erneuerung der Partei und des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik.

Die Diskussion im Zusammenhang mit der Wahl der Delegierten zum Parteitag war bestimmt von vielen Ideen, Vorschlägen und Initiativen, wie sich die Partei unter den Bedingungen der tiefen Krise neu formieren müsse, um die Kraft zu gewinnen, ohne die eine sozialistische Gesellschaft mit menschlichem Antlitz in der DDR nicht zu gestalten ist.

Untrennbar damit verbunden ist die rückhaltlose Auseinandersetzung über den Amts- und Machtmissbrauch ehemaliger Mitglieder der Partei- und Staatsführung. Einhellig brachten die Delegiertenkonferenzen ihre Empörung und Verurteilung der kriminellen Handlungen und Vergehen zum Ausdruck, durch die unserer Partei und der Deutschen Demokratischen Republik schwerer Schaden zugefügt wurde. Scharf kritisierten die Delegierten, dass das Politbüro des ZK der SED und die Zentrale Parteikontrollkommission den ihnen übertragenen Auftrag, mutmaßliche Gesetzesverletzungen und ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Privilegien, das ganze Ausmaß von Korruption und angemaßter Bevorrechtungen rückhaltslos aufzuklären, nur unvollkommen erfüllt haben. Die dazu zu leistende Arbeit ist von Inkonsequenz und Halbherzigkeit geprägt. Das Politbüro erkennt die Berechtigung dieser Kritik uneingeschränkt an.

Auf Vorschlag des Politbüros und im Ergebnis der bisherigen Untersuchungen der ZPKK beschließt das Zentralkomitee:

1. Hans Albrecht, Erich Honecker, Werner Krolikowski, Günther Kleiber, Erich Mielke, Gerhard Müller, Alexander Schalck-Golodkowski, Horst Sindermann, Willi Stoph, Harry Tisch, Herbert Ziegenhahn und Dieter Müller werden aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen. Auf Grund der Schwere ihrer Verstöße gegen das Statut der SED und in Anbetracht zahlreicher Forderungen und Anträge von Kreisdelegiertenkonferenzen werden sie zugleich aus der SED ausgeschlossen.

2. Das Zentralkomitee erklärt seinen Rücktritt.

3. Das bisherige Zentralkomitee betrachtet es als seine Pflicht, vor dem einberufenen außerordentlichen Parteitag Rechenschaft über die Ursachen für die Krise in der SED und in der Gesellschaft abzulegen. Dazu wird eine Kommission gebildet.

Neues Deutschland, Mo. 04.12.1989, Jahrgang 44, Ausgabe 285

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