Für eine neue Sozialdemokratie in der DDR

Wir wollen in die Regierung

SDP-Landesdelegiertenkonferenz in Berlin

Seit gestern Abend tagt in der Kongresshalle die Landesdelegiertenkonferenz der SDP BZA befragte Frank Bogisch, im Landesvorstand verantwortlich für Umwelt und Wirtschaftstragen.

Was verstehen Sie unter einer ökologisch orientierten sozialen Marktwirtschaft, der Sie sich laut Statut verpflichtet fühlen?

Bei den Rahmenbedingungen, also Gesetzen etc., sollten ökologische und soziale Aspekte Eingang finden. Ich glaube, dass die DDR im Moment hier noch günstigere Voraussetzungen hat, etwas grüner sein könnte, als die BRD. Hier schaffen wir ja erst diese gesetzlichen Bedingungen.

Wie stehen Sie zur Wiedervereinigung?

Eine Wiedervereinigung würden wir nicht begrüßen, wenn, dann eine Vereinigung. Wir streben eine Konföderation beider deutscher Staaten an. Bis dahin werden aber vielleicht noch zehn Jahre ins Land ziehen. Es geht hier um sicherheitspolitische Fragen, also Entmilitarisierung, Neutralität und anderes. Auch die BRD muss auf uns zukommen. Bis dahin sollte man auf sozialem, wirtschaftlichem, umweltpolitischem Gebiet aktiv zusammenarbeiten, Verträge schaffen. Auch, damit das Gefälle, etwa bei der Marktwirtschaft, Konsumfragen, nicht mehr so gravierend ist. Fragen sind hier auch Konvertierbarkeit der Währung, Wechselkurse. Von heute auf morgen können weder die wirtschaftlichen noch etwa die militärpolitischen Zustände in DDR und BRD einfach vereinigt werden. Das will auch in der BRD niemand. Die gesamte Vereinigungsproblematik ist nur im Kontext mit der gesamteuropäischen Einigung zu lösen.

Was sagen Sie zum Angebot Hans Modrows, in Kommissionen an der Regierungsarbeit teilzunehmen?

Von uns besteht hier auch das Angebot, mitzuarbeiten, wie wir das ja auch in unterschiedlichen Kommissionen des Runder Tisches tun. Allerdings sind die Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, gleich Null. Das Angebot von Herrn Modrow ist, wie der ganze Runde Tisch in letzter Zeit auch zeigt, mehr ein wahltaktisches Manöver. Von unserer Seite besteht dort immer Interesse. Wir sind ja angetreten, um am 6. Mai die SED-PDS zu besiegen, um Regierungsverantwortung zu übernehmen. Also wollen wir auch schon jetzt in parlamentarischen Gremien mitarbeiten, mit entscheiden.

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit vor?

Zumindest müsste die Regierung sämtliche grundsätzliche Fragen offenlegen. Mittel und langfristige Maßnahmen, die jetzt angeschoben werden sollen, sollten erst nach den Wahlen entschieden werden. Nur die kurzfristigen Gesetze wie über Medien, Parteien, Wirtschaft im privaten Unternehmensbereich sollten in Abstimmung mit dem Runden Tisch jetzt verabschiedet werden. Nach dem 6. Mai wird ja eine Regierung arbeiten , die sich nicht immer wieder beim Runden Tisch rückversichern muss, die entscheiden kann, um dann auch wieder Stabilität in diese Arbeit zu bekommen.

Was ist für Sie ein fairer Wahlkampf?

Alle Gruppierungen müssen die gleichen Mittel und Möglichkeiten haben. Das betrifft den Zugang zu den Medien, zu Räumlichkeiten, Telefone etc. Entweder legen alle ihre Finanzen offen, dann wird entschieden, wie mit in- und ausländischen Hilfen umgegangen wird. Oder das geschieht nur auf freiwilliger Basis, und jeder nimmt dort die Hilfe her, wo er sie bekommen kann. Wir werden sämtliche Finanzen, auch Devisen und Sachwerte setzt offenlegen.

Sie haben Räume bekommen?

Ja, sechs. Dazu zwei Telefone. Das wird aber den Erfordernissen einer Partei, noch dazu im Wahlkampf, überhaupt nicht gerecht. Wir waren da auch verwundert über die Aktuelle Kamera, die unsere zwei Computer so herausstrich. Eine Organisation mit 30 000 Leuten, bei der der Vorstand zwei Computer hat! Wie viel Computer haben denn die "Altparteien"? Die AK sollte mal ins zentrale Wahlkampfbüro der SED-PDS gehen.

Wer finanziert Ihren Wahlkampf?

Von den Geldmitteln her wir selbst. Materielle Unterstützung gibt es von der SPD, organisatorisch-medientechnisch und beim Drucken.

Was unterscheidet Sie von den anderen Oppositionsparteien des Runden Tisches?

Zuallererst die sozialdemokratische Ausrichtung. In der Programmatik Fragen der Marktwirtschaft und Parteienfinanzierung. Sonst liegen hier die Probleme im Detail. Im generellen Demokratieverständnis gibt es keine Unterschiede.

Was erwarten Sie sich von der Landesdelegiertenkonferenz?

1. Die Festschreibung des Finanzhaushaltes, 2. die Klärung der Namensfrage - SDP oder SPD, 3. die Erweiterung des bisher aus 16 Leuten, nach dem Kompetenzbereichsprinzip bestehenden Vorstandes um die 15 Bezirksvertreter. 4. Erarbeitung eines konkretisierten Statutenentwurfs für den Parteitag.

Gespräch Mathias Heller

BZ am Abend, Sa. 13.01.1990

Zum Zeitpunkt des Interview wurde von der Volkskammerwahl am 6. Mai 1990 ausgegangen.

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