Wir fühlen uns alten Traditionen verpflichtet
Gespräch mit Wolfgang Räbiger, Mitglied der SDP
Die Sozialdemokraten haben sich in unserem Kreis konstituiert?
Ja, am 16. Oktober, war die konstituierende Sitzung der Basisgruppe Torgau. Es gibt im Moment 8 Mitglieder, die eingeschrieben sind. Die Interessenten sind hingegen weit zahlreicher. Zu uns kommen auch viele Leute, um sich zu informieren und später zu entscheiden.
Welchen Zielen fühlen sich die Sozialdemokraten verpflichtet?
Es gibt ein Programm für die zentrale Orientierung. Es geht davon aus, dass die Grundorientierung der Partei eine sozial-ökologische Demokratie sein soll, eine parlamentarische Demokratie mit pluralistischen Grundanlagen.
Wird an den alten Traditionen der deutschen Sozialdemokratie angeknüpft?
Wir in der Gruppe Torgau sind dabei, eine Art Geschichtsforschung zu machen, um die Traditionen aufzuarbeiten. Wir gehen dabei zurück bis in die Gründerjahre der Sozialdemokratie. Wir werden dann sondieren und uns zu Haltungen bekennen.
Spielt aus den Traditionen auch die Behandlung des sozialen Umfeldes eine besondere Rolle?
Das sagt eigentlich schon die Orientierung sozial. Wir gehen davon aus, dass man die Vorzüge der Marktwirtschaft, den stimulierend erarbeitenden Gewinn dazu nutzt, ein umfassendes soziales Netz zu bilden. Das geht, angefangen von der Betreuung alter Menschen, über das Gesundheitswesen, über das gesamte soziale Umfeld des Menschen. Es muss ein möglichst dichtes soziales Netz geben.
Wie steht die SDP zur Arbeit für jedermann?
Das ist ein Problem. Wir gehen davon aus, dass es auch Arbeitslose geben wird. Wenn man sich der Marktwirtschaft zuwendet, ist die Sicherung der Arbeit für jedermann schwierig. Es muss aber auch für diese Fälle ein soziales Netz da sein.
Wie sehen die Sozialdemokraten die Gewerkschaften?
Wir gehen davon aus, dass die Gewerkschaften im Betrieb das einzige Organ sind, das im Betrieb arbeitet, als Interessen- oder Industriegewerkschaft. Sie muss eine unabhängige Gewerkschaft von jeder Partei sein und versuchen, mit den gesellschaftlichen Kräften die sozialen Ziele durchzusetzen.
Ist jetzt eine starke Gewerkschaft notwendig?
Wir sind für eine Gewerkschaft, die auch kämpferisch auftritt bis zum letzten Mittel, dem Streik, wenn es absolut nicht anders geht.
Wie ist die Position zum Aufruf "Für unser Land"!
Die Position hat sich unter dem Druck der Straße etwas geändert. Übrigens hatten wir die Auffassung, man soll an eine Wiedervereinigung nicht denken. Wir gehen davon aus, dass man versuchen sollte, die eigenen Ziele durchzusetzen; den Ausverkauf zu vermeiden. Wir sind vom Grundsatz für die Wiedervereinigung oder besser für ein enges Zusammengehen, also erst mal für die Konföderation. Dabei müssen selbstverständlich immer sämtliche Interessen Europas betrachtet werden, also ökonomische, Sicherheits- und gesellschaftliche Interessen.
aus: Klare Sicht, Nr. 23, 21.12.1989, 27. Jahrgang, Zeitung der Werktätigen des VEB Flachglaskombinat Torgau - Stammbetrieb, Herausgeber: BPO der SED des VEB Flachglaskombinat Torgau