Statut der Sozialdemokratischen Partei
in der DDR

§ 1

Die Partei führt den Namen Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP). Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik

Grundsätze

§ 2

Die Sozialdemokratische Partei in der DDR vereinigt Menschen verschiedener Grundüberzeugungen und Glaubenshaltungen, die sich den Traditionen von Demokratie, sozialer Gerechtigkeit sowie der Verantwortung für die Bewahrung der natürlichen Umwelt verpflichtet fühlen. Die SDP steht den Traditionen des demokratischen Sozialismus der europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten nahe.

§ 3

Der Einsatz für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den beiden Menschenrechtskonventionen (1966) niedergelegt sind, gehört zu den vornehmsten Aufgaben und unaufgebbaren Prinzipien jedes Mitgliedes und der Partei als Ganzes.

§ 4

Die SDP versteht sich als demokratische Partei, die für alle Schichten der Bevölkerung offen ist. Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern auf allen Ebenen ist zu gewährleisten. Die Parteiarbeit beruht auf der von der Basis ausgehenden und alle Ebenen von dort her bestimmenden innerparteilichen Demokratie.

§ 5

In entschiedener Ablehnung allen totalitären politischen Denkens und Handelns bemüht sich die SDP in Zusammenarbeit und gleichberechtigtem Wettstreit mit anderen demokratischen Kräften um die Entmonopolisierung, Demokratisierung und Teilung der Macht in Staat und Gesellschaft mit dem Ziel des Aufbaus einer ökologisch orientierten sozialen Demokratie. Eine solche Demokratie erfordert die möglichst klare Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, das heißt u. a. eine Trennung von Staat und Parteien sowie Staat und Kirche.

Daher versteht sich die SDP bewusst als ein Teil der Gesellschaft und beansprucht nur insofern, Gesellschaft und Staat nach ihren Vorstellungen und Prinzipien gestalten zu können, als sie im demokratischen Wettstreit die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dafür gewinnt bzw. in freien Koalitionen mit anderen diese Vorstellungen zum Zuge bringen kann. Aus diesem Selbstverständnis heraus tritt sie ein für eine parlamentarische Demokratie mit Parteipluralität. Die SDP bekennt sich zur Gewaltlosigkeit.

§ 6

Die Achtung der Würde, Eigenverantwortlichkeit und Freiheit des Menschen sowie seine politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Teilhabe in Staat und Gesellschaft sind die Grundbestimmungen der von uns angestrebten sozialen Demokratie.

§ 7

Der demokratische Rechtsstaat mit strikter Gewaltenteilung beruht auf den gleichen Rechten und Pflichten seiner Bürgerinnen und Bürger. Auf dieser Grundlage ist es Aufgabe des Staates,

a) die persönlichen, sozialen, kulturellen und politischen Grundrechte der Bürger und die ihnen entsprechende Wahrnehmung von Verantwortung zu ermöglichen, zu stärken und zu schützen;

b) Institutionen der gewaltfreien Konfliktregelung und -begrenzung in der Gesellschaft zu schaffen (Rechtswege);

c) den Schutz der natürlichen Umwelt und die Sicherung von Ressourcen und Lebensmöglichkeiten für kommende Generationen zu gewährleisten;

d) sich mit allen Kräften für ein friedliches und gerechtes Miteinander der Völker, die Entmilitarisierung staatlichen Verhaltens nach innen und nach außen und den Aufbau einer europäischen und Weltfriedensordnung einzusetzen.

§ 8

Aller Monopolisierung und Zentralisierung in Staat und Gesellschaft ist entgegenzutreten, wenn sie die sozialen und politischen Rechte der Bürger beeinträchtigt. Für die Wirtschaft, besonders auch im Hinblick auf den staatlichen Sektor, bedeutet dies, bei unvermeidbaren Monopolen eine demokratische Kontrolle sowie Überprüfung der ökonomischen Effizienz und Umweltverträglichkeit zu sichern.

§ 9

Es wird eine ökologisch orientierte soziale Marktwirtschaft mit gemischter Wirtschaftsstruktur und unterschiedlichen Eigentumsformen angestrebt. Zielbestimmungen sind:

a) Undemokratische und unsoziale Auswirkungen und Konzentration wirtschaftlicher Macht sind zu verhindern.

b) Die natürliche Umwelt ist durch das Einbeziehen der ökologischen Kosten in das Marktgeschehen zu bewahren.

c) Diejenigen, welche die Werte schaffen, sind an den Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen (Mitbestimmung), dem Produktivvermögen (Miteigentum) und den Gewinnen zu beteiligen.

d) Die Rechte der Konsumenten sind zu stärken.

§ 10

Der Einsatz für unabhängige demokratische Gewerkschaften, Vereine und andere Organisationen (für Ausländer, Behinderte, Frauen, Jugend, Kinderschutz, Rentner, Umwelt u. a.) sowie deren Rechte ist der SDP ein grundlegendes Anliegen. (Bis hierher hat die Gründungsversammlung den Text vor der Beschlussfassung ausführlich diskutiert.)

Strukturaufbau

§ 11

1. Vollversammlungen auf Ortsebene, Parteitage ab Kreisebene.

2. Bei größeren Orten wird empfohlen, sich zur konkreten Arbeit in verbindliche, wohnsitzorientierte Gruppen zu untergliedern, deren Mitgliederzahl Gesprächsfähigkeit ermöglicht.

3. Delegierungsprinzip von der Basis stufenweise zu den höheren Gremien.

4. Repräsentative Delegierungen von Männern und Frauen.

5. Ein mögliches, noch zu erprobendes Modell:

a) Verbindliche wohnsitzorientierte Basisgruppen mit etwa 15 Mitgliedern.

b) Delegierung zweier Vertreter, möglichst einer Frau und eines Mannes, zur nächsthöheren Gruppe, die dann etwa 14 Personen umfasst. Diese Gruppe delegiert wiederum zwei Vertreter zur nächsten Leitungsebene und so fort.

c) Daraus ergeben sich die Kreis-, Bezirks- und je nach Mitgliederzahl notwendigen Zwischenebenen.

d) Auf DDR-Ebene entsteht der Landesparteirat mit 30 Mitgliedern.

e) Diese Leitungsgremien werden auf den Parteitagen der jeweiligen Ebene durch weitere Kandidaten entsprechend den unterschiedlichen Mitgliederzahlen der Regionen und Gruppen ergänzt und gemeinsam zur Wahl gestellt (Paragraph 16).

Mitgliedschaft

§ 12

Mitglied kann jeder werden, der sich den Grundsätzen dieses Statuts verpflichtet fühlt, unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Staatsbürgerschaft etc., sofern er 18 Jahre alt ist (später 16 Jahre) und sich sein Wohnsitz in der DDR befindet.

§ 13

Die Aufnahme neuer Mitglieder erfolgt durch die Basisgruppe. Die Schiedskommission entscheidet auf Antrag in einem Parteiausschlussverfahren, ob ein Mitglied dem Statut in zentralen Punkten vorsätzlich widerspricht oder erheblich gegen die Grundsätze verstößt. Gegen das Urteil kann der Betroffene binnen vier Wochen Einspruch beim Parteirat erheben, der endgültig entscheidet.

Wahlen

§ 14

Jede Basisgruppe wählt aus ihrer Mitte als ihre Leitung den 1. und 2. Sprecher sowie den Kassenwart; sie wählt außerdem Personen für weitere Ämter, Protokollanten etc. sowie zwei Delegierte für die nächste Ebene.

§ 15

Die Wahl der beiden Delegierten geschieht auf jeder Ebene in geheimer Abstimmung. Jedes Mitglied besitzt aktives und passives Wahlrecht. Es entscheidet die einfache Mehrheit. Bei Stimmengleichheit findet eine Stichwahl statt. Bei nochmaliger Gleichheit der Stimmen entscheidet das Los. Zur vorzeitigen Abwahl eines Delegierten ist eine Dreiviertelmehrheit notwendig.

§ 16

Die aus diesen Delegierten sich zusammensetzenden Leitungsgremien werden auf den jeweiligen Parteitagen durch weitere Kandidaten entsprechend den unterschiedlichen Mitgliederzahlen der Regionen und Gruppen ergänzt und gemeinsam zur Wahl gestellt. Dabei muss im neu gewählten Rat aus jeder delegierenden Gruppe wenigstens ein Delegierter vertreten sein.

Gewählt sind dann also der Kandidat der delegierenden Gruppe, der die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte, sowie unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit die Kandidaten mit den meisten Stimmen bis zur vom Parteitag bestimmten Vollzähligkeit der Leitungsgruppe.

§ 17

Hat jemand ein Parteiamt acht Jahre inne, kann er nur noch mit Zweidrittelmehrheit für dieses Amt wieder gewählt werden.

§ 18

Bei Übernahme eines Mandates oder Staatsamtes sind alle Parteifunktionen niederzulegen, und es ruht das passive Wahlrecht.

Parteitage

§ 19

Ab Kreisebene finden jährlich Parteitage statt. Organisiert und einberufen werden sie vom Parteipräsidium, Teilnehmer sind alle Mitglieder bzw. Delegierten der darunterliegenden Ebene.

§ 20

Der Parteitag gibt sich eine Geschäftsordnung.

§ 21

Die Parteitage nehmen die Rechenschaftsberichte zur Diskussion und Beschlussfassung entgegen. Sie erarbeiten und beschließen Leitlinien zur Parteiarbeit, welche in Kommissionen unter Hinzuziehung von Experten vorbereitet werden. Diese Leitlinien müssen vorher in allen vorangegangenen Ebenen vorgestellt und diskutiert worden sein, werden mit einfacher Mehrheit beschlossen und sind für alle beteiligten Ebenen verbindlich. Muss in dringenden Fällen ein Parteitag sofortige Entscheidungen in zentralen Fragen fällen, ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

§ 22

Die Parteitage wählen eine Finanz-, Schieds- und Kontrollkommission. In den beiden letzteren dürfen nur Delegierte sein, die kein anderes Parteiamt innehaben.

§ 23

Ein Sonderparteitag ist einzuberufen, wenn ein Drittel der hier versammelten Räte bzw. Gruppen dies wünschen, das Präsidium es für nötig erachtet oder der Parteirat dieser Ebene es beschließt.

Finanzen

§ 24

Die SDP finanziert ihre Aktivitäten aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, über die Beitragshöhe entscheidet der Landesparteitag. Die Herkunft aller größeren Spenden ist offen zu legen.

§ 25

Die Gelder werden in den Basisgruppen gesammelt, verwaltet und zur Finanzierung der eigenen sowie der überregionalen Arbeit entsprechend den Parteibeschlüssen eingesetzt. (Laut Beschluss der Gründungsversammlung vom 7.10.1989 soll jedes Mitglied wenigstens 1 Prozent seines Nettoeinkommens als Parteibeitrag zahlen. Jede Basisgruppe übergibt 10 Prozent ihrer Einkünfte dem Vorstand für überregionale Aufgaben.)

§ 26

Auf den Parteitagen werden Haushaltspläne erstellt, Umlagenbeschlüsse verabschiedet und Kassenführer entlastet. Das Vermögen der Partei ist Gesamteigentum, vgl. § 42 ZGB.

§ 27

Für hilfsbedürftige Personen wird ein Sonderfonds eingerichtet.

Durchschaubarkeit

§ 28

Alle Delegiertensitzungen und Parteitage sind so aufzuzeichnen, dass jedes Parteimitglied den Verlauf der Diskussion verfolgen kann. Es ist ein Protokoll anzufertigen und von zwei Personen zu unterschreiben. Jeder Delegierte ist jederzeit, wenn es die ihn delegierende Gruppe wünscht, zur Rechenschaft verpflichtet.

Dieses Statut tritt mit Beschluss vom 7.10.1989 in Kraft und gilt bis zum ersten Parteitag.

Anhang zum Statut

Grundpositionen zur Erarbeitung des Parteiprogramms

A) Zur Ordnung von Staat und Gesellschaft

1. Rechtsstaat und strikte Gewaltenteilung

2. Parlamentarische Demokratie und Parteienpluralität

3. Eine den UN-Menschenrechten entsprechende nationale Gesetzgebung

4. Soziale Gerechtigkeit (Absicherung einer Mindestexistenz)

5. Trennung von Staat und Gesellschaft, insbesondere von Staat und Partei sowie Staat und Kirche

6. Gewissens-, Religions-, Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit mit Verhinderung von Pressekonzentration

7. Freie Medien öffentlichen Rechts

8. Relative Selbständigkeit der Regionen, Städte und Gemeinden

9. Dezentralisierung und Demokratisierung des Wirtschaftslebens

10. Ökologisch orientierte soziale Marktwirtschaft mit demokratischer Kontrolle ökonomischer Macht

11. Förderung von Gemeinwirtschaft und Genossenschaften sowie gleichberechtigter Privatwirtschaft

12. Recht auf freie Gewerkschaften und Streikrecht

13. Betriebliche Mitbestimmung

14. Gleichberechtigung und geschlechtsspezifische Förderung von Mann und Frau

15. Die Verbesserung der Lage der Kinder (Kindeswohl) soll zu einem übergeordneten Entscheidungsfaktor auf allen Ebenen werden

16. Schutz der Privatsphäre, Datenschutz

17. Entmilitarisierung der Gesellschaft und radikale Schritte zur Abrüstung

18. Reisefreiheit und Auswanderungsrecht für alle Bürger sowie das Recht auf Rückkehr

19. Asylrecht für politische Flüchtlinge

20. Aktiver Widerstand gegen undemokratische, nationalistische, rassistische und neofaschistische Tendenzen

B) Zur Außenpolitik

1. Stärkung internationaler Institutionen und Rechtsordnungen

2. Mitarbeit an einer europäischen und Weltfriedensordnung, in der die Militärbündnisse überflüssig werden

3. Anerkennung der Zweistaatlichkeit Deutschlands als Folge der schuldhaften Vergangenheit. Mögliche Veränderungen im Rahmen einer europäischen Friedensordnung sollen damit nicht ausgeschlossen sein

4. Besondere Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufgrund der gemeinsamen Nation, Geschichte und der sich daraus ergebenden Verantwortung, insbesondere für den Frieden in Europa

5. Solidarität mit entrechteten und unterdrückten Völkern sowie nationalen Minderheiten

6. Mithilfe bei der Schaffung einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung

Kontaktadressen Leipzig
Mike D(...) - (...)straße 12 - Leipzig - 7033 - mittwochs 19-22 Uhr
Andreas B(...) - (...)gasse 16 - Leipzig - 7033 - mittwochs 17-20 Uhr

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