Außen- und sicherheitspolitische Erklärung der SPD in der DDR und der SPD der BRD

Herr Kohl kam aus Moskau mit dem gleichen Ergebnis zurück wie Herr Modrow: Die Sowjetunion wird sich dem deutschen Einigungsprozess nicht widersetzen. Die sicherheitspolitische Dimension dieses Prozesses muss aber mit den Vier Mächten und den europäischen Nachbarn vereinbart werden.

Die Sozialdemokraten in der DDR haben erklärt: Wir organisieren die Einheit Deutschlands so, dass niemand sie befürchten muss. Das heißt in diesem Zusammenhang, nicht ohne und gegen Europa, nicht ohne und gegen die Vier Mächte. Nach unserer Vorstellung ergibt sich daraus folgender Terminkalender:

1. Am 18. März 1990 wählen und bestimmen die Deutschen in der DDR, wer sie in dem Einigungsprozess vertreten soll.

2. Nach Konstituierung der Volkskammer und Bildung einer Regierung in der DDR sollten beide deutsche Regierungen unverzüglich Verhandlungen aufnehmen, um gemeinsame Positionen für eine Konferenz mit den Vier Mächten vorzubereiten. Diese Konferenz der 6 Staaten sollte in der zweiten Aprilhälfte stattfinden.

3. Die Konferenz der sechs Staaten muss den sicherheitspolitischen Rahmen für das vereinte Deutschland und die Schritte dahin vereinbaren.

4. Gerade weil Deutschland die Interessen seiner Nachbarn kennt, werden wir uns dafür einsetzen, dass die Konferenz der 6 Staaten alle Nachbarn Deutschlands einlädt, um gemeinsam mit ihnen die für den Herbst vorgesehene KSZE-Konferenz vorzubereiten. Die Überwindung der deutschen Teilung muss die Überwindung der europäischen Teilung voranbringen. Deshalb müssen zunehmend die Strukturen der beiden gegeneinander gerichteten Blöcke durch gesamteuropäische Sicherheitsinstitutionen ersetzt werden. Das bedeutet, dass das vereinte Deutschland weder Mitglied der NATO noch des Warschauer Vertrages sein kann, sondern als gleichberechtigter Partner in ein europäisches Sicherheitssystem eingebunden sein wird. Dafür wird das im Ergebnis von Wien I entstehende Verifikationssystem der erste Baustein sein. Die militärische Stärke eines vereint Deutschlands sollte im Rahmen des KSZE-Prozesses vereinbart werden. Jeder Vorschlag unserer Nachbarn, der ihnen Sorgen nimmt, hätte für uns hohe Priorität. Auf dem Wegs dahin sollten die beiden Regierungen möglichst schnell vereinbaren und ihren Verbündeten vorschlagen:

1. Verzicht auf die Modernisierung atomarer Waffen,

2. Verkürzung des Wehrdienstes in beiden deutschen Staaten auf zwölf Monate,

3. Verzicht auf alle militärischen Tiefflüge, möglichst unter Einbeziehung der Tschechoslowakei,

4. Gemeinsame Maßnahmen zur Rüstungskonversion. Die mit der Abrüstung verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgen dürfen nicht zu Lasten der davon betroffenes Menschen gehen. Die beiden Regierungen tragen dafür eine gemeinsame Verantwortung.


Hans Modrow besuchte Moskau am 30.01.1990 und Helmut Kohl am 10.02.1990

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