Schlusswort
Sabine Leger
Mitglied des Vorstandes der SPD
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Damen und Herren, verehrte Gäste
(Beifall)
"Später Dank, schlechter Dank," sagt ein altes Sprichwort. Aber das soll bei uns nicht Recht behalten Deshalb lasst mich an den Anfang den Dank stellen. Ich danke im Namen unserer Partei allen Gästen sozialdemokratischer Parteien in Europa.
(Beifall)
Ihre Grußadressen haben uns spüren lassen dass zwischen uns freundschaftliche Verbundenheit besteht Sie haben uns die Gewissheit gegeben, mit uns zusammen um sozialdemokratische Mehrheiten in Europa zu ringen.
Ich danke allen Delegierten, Euch allen für Eure Aufmerksamkeit bei der thematischen Arbeit. Für das Engagement, mit dem die aufgeworfenen Fragen diskutiert wurden. Ich danke allen Referentinnen und Referenten für ihre grundsätzlichen Aussagen zur Programmatik und Struktur, zur Geschichte unserer Partei. Ich danke allen, die mit der Bereitstellung von Quartieren mit Spenden und viel viel Zeitaufwand diese Konferenz ermöglicht haben.
(Starker Beifall)
Ich danke den Mitarbeitern dieses Hauses, vor allem den Mitarbeitern der gastronomischen Einrichtung, dass sie uns geholfen haben.
(Beifall)
Stellvertretend für alle ehrenamtlichen Helfer möchte ich hier zwei Namen nennen: Wir danken Ulf Menzel und Detlef Behrend. Sie haben in der Zeit, als wir hier gesessen und uns Gedanken gemacht haben unablässig gearbeitet damit Ihr all die Papiere in die Hand bekommen konntet.
(Beifall)
Im Namen des Geschäftsführenden Ausschusses lade ich alle Vorstandsmitglieder, die alten und die neuen, und alle ehrenamtliche Helferinnen und Helfer dieser Veranstaltung zu einer Dankeschön-Veranstaltung des Vorstandes ein. Sie wird heute Abend 19.00 Uhr in der Konsumgaststätte an, der Brannenheide, Nähe S-Bahnhof Ahrensfelde, stattfinden.
Ich muss es an dieser Stelle noch einmal sagen: Wir hatten im Vorstand viele Sorgen und heftige Diskussionen um die Finanzierung dieser Veranstaltung. und diese Sorgen waren doch sehr kleingläubig und unbegründet. Allein eine Lichtenberger Basisgruppe hat über 800 Mark für diese Konferenz gespendet.
(Beifall)
Gestattet mir, dass ich nun etwas sage, wofür ich nicht so dankbar bin. Es sind die Buh-Rufe und die Rufe "Aufhören aufhören", die gestern durch den Saal geschleudert wurden. Ich denke, wir werden in viele Situationen kommen, in denen wir als Partei Entscheidungen fallen müssen. Und wir werden bei den Menschen nur wirklich Vertrauen gewinnen können, wenn wir verantwortlich und nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Wenn wir wirklich alle demokratisch miteinander leben wollen, dann bedeutet das nicht nur, dass jeder sagen kann, was er will, sondern dass jeder jedem zuhören muss. Sonst braucht nämlich niemand etwas sagen.
(Beifall)
Denn wenn uns in den letzten Jahrzehnten etwas sehr verdächtig war, dann war es doch der Kommentar in der Zeitung "Der Beschluss wurde einstimmig angenommen".
(Beifall)
Im allgemeinen verführt ja das Schlusswort dazu alle Vorredner am besten noch einmal zusammenzufassen und es selber möglichst besser zu sagen. Das erspare ich mir. Wer aufmerksam zugehört hat, der weiß Bescheid. Der weiß, dass wir jetzt SPD heißen und dass trotzdem oder besser gesagt, dass gerade deshalb niemand in Europa und der ganzen Welt vor uns Angst haben muss. So mache ich mir lieber die Vorteile des Schlusswortes zunutze. Und ein Vorteil ist, dass man ihm nicht so schnell etwas erwidern kann, jedenfalls nicht über dieses Mikro. Das nutze ich jetzt aus. Aber nicht für mich, keine Angst, sondern für das Zukurzgekommene. Es ist doch verständlich, dass wir über das, was wir nicht jeden Tag vor Augen haben, nicht soviel sprechen. Das heißt aber noch lange nicht, dass es keinen Platz in unserem Herzen hat. Aber damit es dort nicht eingeschlossen bleibt, will ich ihm meine Stimme verleihen.
Vergessen wir nicht die armen Länder dieser Welt. Unser Tisch wird gedeckt sein mit den Früchten unserer Arbeit. Wir nehmen niemandem etwas weg. Wie könnte es uns schmecken, wenn traurige und hungrige Augen uns beim Essen, zusehen.
(Beifall)
Vergessen wir nicht die Bäuerinnen und Bauern. Wir Sozialdemokraten nehmen uns der Aufgabe an, ihren Leidensweg in den letzten Jahrzehnten in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir werden sie nie zwingen zu irgendetwas.
(Beifall)
Im Gegenteil. Wir werden mit ihnen das Feld bestellen, damit unsere rot-grüne Saat aufgeht, die uns alle ernähren soll.
(Beifall)
Vergessen wir die Frauen nicht.
(Beifall)
Wir Frauen und Männer in dieser Partei sind es den Frauen in diesem Land schuldig, Männer in dieser Partei sind es den Frauen in diesem Land schuldig, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Zu oft war die Frauenpolitik nur ein Mittel zum Zwick des Machterhaltes. Das war in der Wirtschaft so und das war in der Politik so. Befreien wir doch die Produktivkraft Frau und machen sie zu dem, was sie ist, zum Menschen.
(Beifall)
Und jeder Mensch möchte politisch, wirtschaftlich und sozial unabhängig leben. Garantieren wir es den Frauen, durch eine klare Quotierung.
(Beifall)
Dafür trete ich ein und ich denke, die Sozialdemokraten, die es mit der sozialen Demokratie ganz ernst meinen, werden damit an meiner Seite stehen.
(Beifall)
Das waren sozusagen die Schlussworte im Schlusswort, aber jedes Ende ist zugleich ein Anfang, ein Anfang zu neuen Taten. Und zu tun gibt es viel. Dieses Tun darf ruhig Spaß machen. So lade ich euch ein heute 14.00 Uhr zur Demonstration auf den Alex zu kommen, wo wir uns zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg versammeln. Da wird dann auch unser Freund Walter Momper sprechen.
(Beifall)
Als nächstes erwartet der Landesparteitag in Thüringen am 27.1. in Gotha seine Delegierten.
Der Berliner Bezirksverband führt am 3. und 4. Februar seinen ersten Parteitag durch. Am 7. Februar findet in Berlin eine Veranstaltung statt, die für unser so beschädigtes europäisches Bewusstsein wichtig sein kann.Ich freue mich, dass ich sie hier ankündigen darf. Es gibt eine Veranstaltung des Bundes sozialdemokratischer Parteien der Europäischen Gemeinschaft mit der sozialistischen Fraktion im Europa-Parlament, sowie der SPD in Ost-Berlin. Ca. 850 Mitglieder unserer Partei können um 19.30 Uhr an einer Podiumsdiskussion teilnehmen, die von 21 führenden Vertretern sozialdemokratischer Parteien zum Thema "Sozialdemokratische Perspektiven in Europa" bestritten wird.
Unsere Leipziger Freunde bereiten schon lange den ersten Parteitag vor, wie es vorhin auch gesagt wurde.
Und ein Datum, was darüber hinaus reicht, liegt im März. Man sollte es sich merken. Am 20. März 1990 wird Willy Brandt auf einer Großveranstaltung in Berlin sprechen.
(Beifall)
Aber wir wollen nicht nur Termine aufschreiben, sondern wir wollen unsere Positionen noch einmal klar benennen.
1.
Das Wichtigste ist, dass nach dem 6. Mai Freiheit und Demokratie für alle Menschen in unserem Land garantiert sind.
(Beifall)
Deshalb würde ich gerne den Spruch der hier vorne steht, etwas abändern und sagen: Alles spricht für die Demokratie, vieles spricht für die Sozialdemokratie!
(Beifall)
Deshalb treten wir mit allen demokratischen Kräften dazu an, die SED-PDS zu entmachten.
(Beifall)
Und da fallen wir auf den sozialdemokratischen Trick der Kommunisten nicht rein.
(Beifall)
Wer jetzt die Verbundenheit mit sozialdemokratischen Werten heraufbeschwört und uns den Beweis dafür schuldig bleibt, dass er sie letztlich nicht doch wieder mit Füßen tritt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm niemand glaubt. Deshalb fordre ich mit den Worten unseres Rostocker Ehrenvorstandsmitgliedes von Herrn Gysi unsere Hand, die Hand der Sozialdemokratie zurück.
(Langanhaltender Beifall, Stakkato)
Liebe Freundinnen und Freunde, ich möchte an Walter Mompers gestrige Worte anknüpfen. Also liebe Genossinnen und Genossen, wer in diesen Tagen den Begriff des demokratischen Sozialismus der SED-PDS überlässt, der macht sozusagen den Vampir zum Wächter über die Blutbank.
(Zurufe, starker Beifall)
2.
Wir sind viel zu sehr Demokraten, als dass wir uns zur Wache hinreißen lassen. Aber wir vergessen auch nicht, auf welcher Seite die Blockparteien gestanden haben. Wer 40 Jahre hinter dem Teufel herläuft, der stinkt auch nach Schwefel.
(Bravo-Rufe, starker Beifall)
3.
Die Frage nach der Zukunft Deutschlands ist für die meisten von uns die allererste Frage. Wir Sozialdemokraten sind für die Einigkeit. Wir Sozialdemokraten sind für die Einigkeit aller Deutschen ohne Wenn, aber mit Aber. Auf dem Territorium des Nachkriegsdeutschlands stehen Hunderttausende von Soldaten aus der Sowjetunion, den USA aus Großbritannien und Frankreich. Wir haben nichts gegen diese Nationen, aber wir haben etwas gegen Soldaten. Machen wir aus den Soldaten Menschen, in dem wir ihnen Zeit lassen, ihre Uniformen auszuziehen, um sie nach Hause zu schicken.
(Beifall)
Danach können sie entscheiden, ob sie als Menschen mit uns in einem einigen Deutschland leben wollen.
4.
Aus der Stagnation und der Depression der 80iger Jahre sind wir mit der Entschlossenheit der Entrechteten in die 90iger Jahre aufgebrochen. Wir haben den Weg geebnet zu einem sozialen und demokratischen Deutschland in einem sozialen und demokratischen Europa. Deshalb rufe ich an dieser Stelle alle DDR-Bürger auf, bleibt doch in diesem Land, ihr seht, hier entwickelt sich wirklich etwas Neues, eine wirkliche Alternative. Helft uns durch Eure Stimme gegen die SED bei den Wahlen am 6. Mai.
(Beifall)
Was in den 80iger Jahren eine Vision war, muss rückt jetzt in greifbare Nähe. Die Sozialdemokratie wird mehrheitsfähig. Wir wollen eine demokratische, eine sozialdemokratische Regierung in der DDR, in Deutschland, in Europa.
Viele Pfarrer in unserer Partei wurden jetzt Amen sagen aber ich sage, die Konferenz ist beendet.
(Langanhaltender Beifall, Stakkato)
Protokoll der Delegiertenkonferenz der Sozialdemokratischen Partei in der DDR 12.1-14.1.1990 Berlin, Kongresshalle Alexanderplatz
Zum Zeitpunkt der Rede stand der 6. Mai 1990 als Tag der Volkskammerwahl fest. Am 28.01.1990 wurde der 18.03.1990 als Tag der Volkskammerwahl zwischen Regierung und Opposition vorgezogen. Beides Mal hatte die SDP bzw. SPD einen maßgeblichen Einfluss auf die Termine.