DOKUMENTATION
Die Berliner SPD in Ost und West gemeinsam für die Zukunft Berlins
Nach über 28 Jahren trafen sich jetzt wieder ordentliche Vertreter der SPD aus allen Bezirken Berlins: Landesvorstand der SPD Berlin (West) und Bezirksvorstand der SPD Berlin (Ost) kamen im Hotel Stadt Berlin am Alexanderplatz zusammen, um eine Erklärung zu den Grundsätzen ihrer Zusammenarbeit zu beraten und die Planungen für den DDR-Wahlkampf in Angriff zu nehmen. Die letzte ordentliche Landesvorstandssitzung der Berliner SPD mit Vertreterinnen und Vertretern aller Kreisverbände hatte unter der Leitung des SPD-Landesvorsitzenden Willy Brandt am 29. Mai 1961 stattgefunden: Nach dem Mauerbau waren die Ost-Berliner SPD-Kreisverbände durch Beschluss des Landesvorstandes vorn 23. August 1961 aufgelöst worden. Die beiden Parteigliederungen setzten eine gemeinsame Kommission "Zukunft Berlin" ein, in der sieben Vertreterinnen und Vertreter beider Seiten Vorschläge für ein harmonisches Zusammenwachsen der beiden Stadthälften erarbeiten und langfristig wirkende Programme für die künftige Rolle Berlins in Deutschland und Europa vorlegen sollen. Die gemeinsame Grundsatz-Entschließung, die am Dienstag nachmittag in Berlin veröffentlicht wurde, im Wortlaut:
Zum ersten Mal nach über 28 Jahren treffen sich heute, an 22. Januar 1990, Vertreter der SPD aus allen Bezirken Berlins. Dieser Tag wird ein historisches Datum in der Geschichte der Berliner SPD sein.
Wir bekennen uns zu den Grundwerten der Sozialdemokratie, zur freien Entfaltung der Persönlichkeit aller Menschen in einer friedlichen und gleichberechtigten Gesellschaft und zur Solidarität gegen über den sozial Schwächeren und allen Minderheiten. Denn ohne Solidarität gibt es keine menschliche Gesellschaft.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns zur Einheit der deutschen Nation. Wir werden in freier Selbstbestimmung gemeinsam die Schritte zur Überwindung der Grenzen beider deutscher Staaten unter einem gemeinsamen europäischen Dach gehen. Wir wollen die deutsche Einheit nur mit der Zustimmung aller unserer Nachbarn. Ihre Grenzen sind für uns unantastbar.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erstreben eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung und die Überwindung der Blöcke. Wir erklären, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg und Gewalt ausgehen darf.
Berlin ist die Metropole der Erneuerung in ganz Mittel- und Osteuropa. Hier muss sich die Reformfähigkeit der RGW-Staaten im direkten Kontakt zum westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beweisen. In Berlin können wir wie nirgendwo sonst beweisen, wie verantwortliche Zusammenarbeit der Deutschen in Ost und West aussehen kann.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wie Louise Schröder, Ernst Reuter oder Willy Brandt haben in ihrer Zeit Berliner Geschichte geschrieben. Auch heute stellt sich die SPD der Verantwortung für unsere Stadt.
Berlin wird zusammenwachsen, weil es zusammen gehört. Auch für die Stadtpolitik muss dabei gelten: zusammenwachsen, nicht zusammenwuchern. Deshalb tritt die SPD in beiden Teilen der Stadt für eine zeitgemäße, ökologisch ausgerichtete soziale Stadtpolitik ein.
Wir unterstützen die Bewerbung Berlins für die Olympischer Spiele im Jahre 2000 oder 2004. Die Idee der Olympischen Spiele ist es, das Verbindende zwischen den Menschen und Völkern deutlich werden zu lassen. Keine andere Stadt symbolisiert das Ziel des friedlichen Zusammenlebens der Menschen wie Berlin.
Zur Entwicklung sozialdemokratischer Programme für Berlin wird eine gemeinsame "Kommission Zukunft Berlin" eingesetzt. Die Kommission wird bereits in den nächsten Wochen Vorschläge zur Zusammenarbeit in den Bereichen Umwelt, Verkehr, Stadterneuerung, Kommunikation, Naherholung, Energie, Gesundheit sowie Kultur und Sport vorlegen.
Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der DDR und in Berlin (Ost) wollen nach dem 6. Mai 1990 den Reformprozess aus der Regierungsverantwortung heraus gestalten. Die SPD Berlin (West) wird sie dabei mit allen Kräften unterstützen. Wir verstehen unsere Zusammenarbeit als Kooperation zwischen gleichberechtigten politischen Partnern.
SPD Pressedienst, 45. Jahrgang / 17, 24.01.1990
Zu diesem Zeitpunkt sollte die Volkskammerwahl am 06.05.1990 stattfinden.