DDR 1989/90 Brandenburger Tor


Der Runde Tisch der Jugend hat in seiner Beratung am Mittwochabend einen Eklat verhindert. Obwohl die Türen der Geschäftsstelle des Runden Tisches der Jugend weit offen stehen sollen, war für alle, die sich über die neuen Jugendorganisationen informieren wollen, bisher ein freier Zugang zur Geschäftsstelle im Haus des FDJ-Zentralrats nicht möglich. Die gute alte FDJ-Bürokratie: Personalausweis vorweisen, Personalien werden notiert . . . Kommt da jemand aus einem fremden Lande, potenzieren sich diese Schwierigkeiten noch - man gebärdet sich, als wär's der Mann vom Mond . . .

Am Mittwochabend nun die Forderung: Schluss mit dieser überlebten Prozedur! Nach knapp einstündigem (!) Hin und Her ein Kompromiss. Künftig gelangen die Besucher in Begleitung eines Mitarbeiters der Geschäftsstelle in deren Räume. Ohne Kontrolle. Mit dieser Lösung können alle leben, aber gedauert hat's (wie auch bei zeitraubenden Debatten zur Tages- oder Geschäftsordnung).

Regelrecht zügig ging es dagegen voran, als es um die Abstimmung über einen außerordentlich wichtigen Antrag ging, der von neun Jugendorganisationen vorgelegt wurde. Darin fordern sie Sitz und Stimme für zwei Vertreter des Runden Tisches der Jugend am Runden Tisch der Parteien, Organisationen und Bewegungen. Mit einer knappen Zwei-Drittel-Mehrheit wurde dieser Antrag mit 14 Stimmen angenommen.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Diskussion war das Eigentum der FDJ. Zum wiederholten Male wurden die Vertreter der FDJ aufgefordert, dem Runden Tisch eine Liste jener Objekte vorzulegen, deren Eigentümer beziehungsweise Rechtsträger die Freie Deutsche Jugend ist. Zugleich will man sich mit der Forderung an Regierung und "großen" Runden Tisch wenden, das Eigentum der Jugend des Landes zu sichern und ohne Zustimmung des Runden Tisches der Jugend keine Veränderungen der Rechtsträgerschaft zuzulassen.

Auf den Vorschlag unserer Zeitung, wöchentlich in der Freitag-Ausgabe eine Seite in Eigenverantwortung zu gestalten, gingen Vertreter des Runden Tisches ein. Sie bilden dazu eine Mediengruppe. Einige Jugendorganisationen wollen die Publikationsmöglichkeiten in der Jungen Weit allerdings nicht nutzen, da sie mit unserer linken sozialistischen Orientierung nicht übereinstimmen.

Es konnten nicht alle Punkte der Tagesordnung behandelt werden. Deshalb findet die nächste Beratung des Runden Tisches der Jugend schon am 24. Januar statt. Dann wird es unter anderem um Vorschläge zur Bildung einer Plattform der Jugendorganisationen gehen.

Junge Welt, Fr. 19.01.1990