3. Treffen im Rahmen 2-plus-4 unterhalb der Außenministerebene

Bonn (ADN). Die 2-plus-4-Verhandlungen über die Aspekte der deutschen Einigung wunden am Dienstag in Bonn auf Expertenebene fortgesetzt Die politischen Direktoren bereiten die für Juni vereinbarte Ministerrunde in Ostberlin vor, nachdem sich die Außenminister der sechs beteiligten Staaten bei ihrem ersten Zusammentreffen Anfang Mai in der Bundeshauptstadt auf einen Zeit- und Fahrplan für die bis zum Sommer abzuschließenden Gespräche geeinigt hatten. Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn ergänzend mitteilte, wollten die hochrangigen Beamten aus beiden deutschen Staaten und der alliierten Siegermächte auch über jene vier Problemkreise sprechen, die Anfang Mai einvernehmlich vereinbart worden waren. Das Treffen, dessen Ergebnisse vertraulich behandelt werden, soll sich entgegen früheren Ankündigungen nur auf den Dienstag beschränken und "bis tief in die Nacht" hinein dauern.

Neues Deutschland, Mi. 23.05.1990

Tagesordnung:

1. Allgemeiner Meinungsaustausch über die mögliche Struktur der Abschließenden Völkerrechtlichen Regelung

2. Grundsätze zur Behandlung der Grenzfrage; Bericht über Kontakte beider deutscher Staaten mit Polen; Beteiligung Polens an der Sitzung in Paris.

3. Nächste Sitzungen auf Außenminister- bzw. Beamtenebene.

Vorsitz: Herr Dufourcq

Zur möglichen Struktur der Abschließenden Völkerrechtlichen Regelung

Frankreich schlug vor, das Dokument mit einer allgemeinen politischen Erklärung (einer Art Präambel) zu beginnen. Daran anschließen sollte sich eine Aufzählung verschiedener Rechtsinstrumente, um 3 Ziele zu erreichen:

1. Einheit Deutschlands durch die Vereinigung von BRD, DDR und Berlin.

2. Beendigung des bisherigen Statuts für Berlin.

3. Bekräftigung der Souveränität des vereinten Deutschlands und Ablösung der 4-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten.

In der Abschließenden Regelung sollen eine Reihe weiterer Rechtsakte enthalten sein:

– der deutsch-polnische Vertrag über die Westgrenze Polens,

– Mitteilung über jene Bestimmungen der Verfassung des künftigen Deutschlands, die die Endgültigkeit der deutschen Grenzen bestätigen.

Die BRD, Großbritannien und Nordirland, sowie die USA stimmten diesem generellen Schema zu und charakterisierten sie als ausgezeichnete Arbeitsgrundlage.

Die DDR stimmte den französischen Vorstellungen grundsätzlich zu und hob hervor, dass die Abschließende Regelung auch Aussagen zum künftigen militärisch-politischen Status Deutschlands, zum Aufenthalt ausländischer Truppen sowie zum Verzicht des künftigen Deutschlands auf ABC-Waffen enthalten müsse.

Von Seiten der UdSSR wurde erneut bekräftigt, dass sie von einem einzigen einheitlichen Dokument ausgehe, das Lösungen für alle äußeren Aspekte enthalte.

Da alle Fragen miteinander verknüpft seien, sollten sie auch in einem geschlossenen Dokument angenommen werden. Der Vertreter der UdSSR erklärte sein grundsätzliches Einverständnis mit den französischen Vorstellungen und nannte als Elemente der Abschließenden Regelung:

– politische Präambel

– Grenzfragen

– freiwilliger Verzicht Deutschlands auf den Besitz von ABC-Waffen

– militärisch-politische Aspekte der Vereinigung bzw. Klärung des militärisch-politischen Status des künftigen Deutschlands

– Ablösung der 4-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten; zeitweiliger Aufenthalt von ausländischen Streitkräftekontingenten

– Erklärung Deutschlands, dass von ihm nur Frieden ausgehen werde

– Erklärung, dass die Einigung Deutschlands Frieden und Stabilität in Europa stärken werde.

Das Abschließende Dokument müsse eine Bestätigung enthalten, dass das künftige Deutschland unter Berücksichtigung seiner zentralen Lage in Europa freiwillig darauf verzichtet, sein militärisches und menschliches Potential zum Nutzen eines beliebigen politischen und militärischen Bündnisses beizusteuern. Diese Bestimmungen müssen nicht für ewig gelten. Wenn neue Strukturen entstehen, könne dies für eine kurze Übergangsperiode sein.

Die Berlin-Fragen sollten gelöst werden, bis ein gesamtdeutsches Parlament und eine gesamtdeutsche Regierung gebildet werden.

Was die Definition des politisch-militärischen Status anbetrifft, gebe es volle Bereitschaft, die legitimen Sicherheitsinteressen der UdSSR zu berücksichtigen. Dabei müsse es nicht bei einer Bekundung des Willens bleiben. Es gebe dazu konkrete Vorstellungen:

– keine Ausdehnung von NATO-Strukturen auf das Gebiet der heutigen DDR,

– Bereitschaftserklärung des künftigen Deutschlands, über den zeitlich befristeten Verbleib sowjetischer Truppen in der DDR zu verhandeln. Im Rahmen der 2+4-Gespräche könne aber keine Festlegung getroffen werden, die Deutschland singularisiert. In diesem Sinne dürfe ihm auch nicht das Recht vorenthalten werden, Mitglied eines Bündnisses zu sein.

Von Seiten der DDR wird erneut bekräftigt, dass die Frage des politisch-militärischen Status des künftigen Deutschlands eine klare Beantwortung finden müsse. Mit der Einheit dürfe kein Sonderstatus für Deutschland definiert werden. Die Einheit müsse in neue Sicherheitsstrukturen eingeordnet werden, nicht zu Lasten der Nachbarn gehen und nicht mit Vertragsbrüchen begonnen werden. Die Garantien, die in diesem Zusammenhang formuliert werden, müssten so sein, dass kein anderer Staat sich vor Deutschland schützen müsse.

Das gelte auch für die UdSSR, die solche Zusicherungen erhalten müsse. Die DDR sei bereit, verbindlich einzuräumen, dass die NATO nicht auf ihr Territorium ausgedehnt werde. Wenn die DDR aus dem Warschauer Vertrag ausscheiden solle, darf das nicht zum Schaden der UdSSR gereichen. Die DDR sprach sich erneut dafür aus, geeignete neue Sicherheitsgarantien zu vereinbaren.

Zum Tagesordnungspunkt 1

Übereinstimmung bestehe, dass

– die Sicherheitsinteressen eines jeden Beteiligten zu berücksichtigen sind;

– ein vereinigtes Deutschland nicht singularisiert werden darf;

– die Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen durch eine Reihe konkreter Maßnahmen erfolgen muss.

Unterschiede bestehen dahingehend, wo diese Fragen entschieden werden müssen,

– welche Fragen im einzelnen unter diesem Tagesordnungspunkt diskutiert werden müssen.

Zur Behandlung der Grenzfrage, es bestehe Übereinstimmung.

– über den völkerrechtlich verbindlichen Charakter der zutreffenden Regelung,

– über die Notwendigkeit eines trilateralen bzw. bilateralen Ansatzes (DDR, BRD, Polen) zur Regelung der polnischen Westgrenze sowie

– eines 6er Ansatzes zur Frage der Grenzen insgesamt.

Zum Termin des Außenministertreffens in Berlin kann keine Übereinstimmung erreicht werden.

zwei Dokumente sollen dort unterbreitet werden:

– ein Schema für die Struktur der Abschließenden Völkerrechtlichen Regelung

– Grundsätze zur Behandlung der Grenzfragen.

Das nächste Treffen unterhalb der Außenministerebene wird auf den 9. Juni in Berlin festgelegt.


Bertrand Dufourcq Leiter der Politischen Abteilung im französischen Außenministerium

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