Plädoyer für starke Kombinate

Vizepremier Prof. Dr. Luft zur Entflechtung von uneffektiven Wirtschaftseinheiten

In einer ADN-Meldung hieß es letzte Woche, Vizepremier Christa Luft habe während ihres Besuches in der BRD eine baldige Entflechtung der Kombinate angekündigt. ND sprach mit ihr darüber.

ND: Haben Sie damit das "Aus" für die großen Wirtschaftseinheiten in Aussicht gestellt?

Christa Luft: Die von der Regierung konzipierte Wirtschaftsreform schließt auch die Weiterentwicklung der Wirtschaftsorganisationen ein. Dabei wird Bewährtes weiter Bestand haben und Neues hinzukommen. Leistungsstarke Kombinate die im internationalen Wettbewerb bestechen, wollen wir nicht nur erhalten, sondern sogar ausbauen, damit sie den Erfordernissen moderner Produktivkräfte entsprechen können. Diene Stärkung kann einhergehen mit ausländischer Beteiligung an einzelnen Fertigungslinien oder Produktionsabschnitten. Die Kombinate nehmen am scharfen Wettbewerb auf dem Weltmarkt teil. Die dort erzielten wirtschaftlichen Ergebnisse gehen voll in das Gesamtergebnis der Kombinate ein.

Andererseits sollen große Wirtschaftseinheiten entflochten werden, die uneffektiv sind, die zu Autarkieerscheinungen geführt haben und damit einen leistungsfördernden Wettbewerb sowie die Angebotsvielfalt beeinträchtigen.

ND: In wessen Hand liegt es, ob ein Kombinat bestehen bleibt oder in selbständige Betriebe ausgelöst wird?

Christa Luft: Auf keinem Fall in der Hand der Regierung. Des wäre der alte Stil des Administrierens. Der Ministerrat hat den Generaldirektoren der Kombinate das Recht übertragen, innerhalb ihres Bereiches eigenverantwortliche und mit den Gewerkschaften oder - soweit vorhanden - mit anderen Interessenvertretungen der Belegschaften beratene Entscheidungen nur Veränderung der Wirtschaftsorganisation zu treffen. Dies kann auch Vorschläge zur Überführung bestimmter Betriebe und Betriebsteile beziehungsweise Erzeugnisse in andere Verantwortungsbereiche einschließen. Auch die Vorsitzenden der Räte der Bezirke werden berechtigt, solche Entschlüsse für die bezirksgeleitete Wirtschaft zu fassen.

Auf dieses differenzierte und ausgewogene Herangehen habe ich in allen meinen Gesprächen in Bonn aufmerksam gemacht. Für vergröberte Schlagzeilen trage ich keine Verantwortung.

ND: Die Arbeitsgruppe Wirtschaftsreform des Ministerrates hat ein ganzes Paket von Vorschlägen vorgestellt. Wie geht es damit weiter? Gibt es schon einen Terminplan für die Wirtschaftsreform?

Christa Luft: Am Montag kommen alle für Wirtschaft verantwortlichen Minister zusammen und beraten über dieses gesamte Paket. Am 1. Februar wird es im Ministerrat behandelt. Danach erhalten die Abgeordneten der Volkskammer und mit ihnen zum gleichen Zeitpunkt die Teilnehmer am Runden Tisch diese Vorschläge. Mitte Februar beschließt die Volkskammer darüber. Das Institut für Unternehmensführung sorgt anschließend dafür, dass möglichst einem großen Kreis von Kombinatsdirektoren, Betriebsleitern und Gewerbetreibenden die Beschlüsse schnell bekannt werden.

Das Gespräch führte
Klaus Morgenstern

Neues Deutschland, Sozialistische Tageszeitung, Nr. 18 B-Ausgabe, 46. Jahrgang, Mo. 22.01.1990

Ende 1988 gab es in der DDR 143 bezirksgeleitete Kombinate.

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