Gefangenen-Rat protestiert

Die Mehrheit der Strafgefangenen des StVE Brandenburg erklärt sich gegen neofaschistische Umtriebe und verwahrt sich schärfstens dagegen, dass den Bürgern der DDR durch öffentliche Organe der SED-PDS suggeriert wird, dass unter anderem die Strafvollzüge "Brutstätten" für faschistisch gesinnte Elemente sind (ND vom 3.1.1990). Im "ND" wird kurz auf Straftäter verwiesen, die nach den Paragraphen 215/216 in Tateinheit mit dem Paragraphen 220 verurteilt wurden, was dann jedoch im weiteren Verlauf des Artikels verwischt wird und der Eindruck entsteht, dass ein Großteil der Straftäter neofaschistisch orientiert sei.

Natürlich kann nicht bestritten werden, dass es rechtsradikal gesinnte Strafgefangene gibt, die aber wie in den zivilen Gruppierungen einen sehr geringen Prozentsatz ausmachen. Es ist nicht zu übersehen, dass die SED-PDS alle sich bietenden Möglichkeiten nutzt, um sich für die bevorstehenden Wahlen ins rechte Licht zu rücken. Die Mehrheit der Strafgefangenen fasst die Zuordnung zu neofaschistisch Orientierten als bösartige Verleumdung auf und protestiert dagegen. Ist sich denn keiner im klaren, welche Konsequenzen solche fingierten Feststellungen haben können? Diese Aktion spricht gegen die Bereitschaft der Gesellschaft, uns Strafgefangene nach Haftverbüßung dabei zu helfen, wieder vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Wir betrachten dies als Missachtung des Willens der Gefangenen, die ehrlich bestrebt sind, aus ihren Fehlern zu lernen und einen besseren Weg zu finden.

Gefangenen-Rat der StVE Brandenburg, 4.1.1990

aus: Neues Forum in der Märkischen Volksstimme, Nr. 15, 18.01.1990, 45. Jahrgang, Herausgeber: Verlag Märkische Volksstimme