Matthias Platzeck

leistete von 1972-74 seinen Wehrdienst. Studierte biomedizinische Kybernetik und Umwelthygiene in Ilmenau. 1979-80 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Lufthygiene in Karl-Marx-Stadt. 1980-82 Direktor für Ökologie und Technik im Kreiskrankenhaus Bad Freienwalde. Danach mit Unterbrechungen bis 1990 Abteilungsleiter Umwelthygiene bei der Hygieneinspektion Potsdam.

Mitbegründer der Bürgerinitiative "Pfingstberg" und der Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung "Argus" im Frühjahr 1988. Er beteiligte sich an der Herausgabe des Informationsblattes "Argus-Auge".

Leitungsmitglied in der 1988 gegründeten Interessengemeinschaft "Umweltschutz und Stadtökologie". Auf der 1. Vollversammlung des Neuen Forum in Potsdam am 03.11.1989 hielt er eine Rede für die Arbeitsgruppe Umwelt.

Sein Name stand auf einer Internierungsliste. Nach der Kommunalwahl am 07.05.1989 wurde ihm vom MfS mitgeteilt seine drei Töchter seinen möglicherweise in einem staatlichen Kinderheim besser aufgehoben, wenn er nicht im Rahmen einer vorgesehenen kirchlichen Versammlung erkläre, das amtliche Wahlergebnis sei doch nicht gefälscht worden. (1)

Am Tag, als Ungarn die Grenze für DDR-Bürger zu Österreich und Jugoslawien öffnete, am 11.09.1989, flog er von Ungarn zurück in die DDR.

Er unterschrieb den Gründungsaufruf für eine Grüne Liga vom 18.11.1989.

Auf dem 6. Ökologie-Seminar vom 24-26.11.1989 in Berlin sprach er sich gegen die Gründung der Grünen Partei aus. Gründungsmitglied und Sprecher der Grünen Liga.

An der evangelischen Akademie in Tutzing ließ er sich in die Grundlagen der Politik einführen. Vertreter am Zentralen Runden Tisch (ZRT) für die Grüne Liga. Dessen Vertreter am ZRT wurde er u. a., weil er über ein Telefonanschluss verfügte, sagte er später in einem Interview. (2)

Matthias Platzeck war nicht nur für die Grüne Liga (fünf Mal), sondern auch für die Grüne Partei (einmal) am Zentralen Runden Tisch vertreten. Und damit als Einziger für zwei Organisationen. Er war auch Vertreter am deutsch-deutschen Grünen Tisch.

Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung Modrow für die Grüne Partei obwohl er dort kein Mitglied war sondern in der Grünen Liga. Er begleitete Modrow zum Staatsbesuch nach Bonn am 13./14.02.1990. Zu dem Treffen aller im "NATO-Saal" meinte er: "Es war förmlich greifbar im NATO-Saal, dass es sich um eine Formalie handelt und nicht wie auch immer geartetes Gespräch zwischen zwei einigermaßen gleichwertigen Partnern".

Er kritisierte die massive Einmischung der westdeutschen Parteien in den Wahlkampf der DDR. Es wird der Eindruck der Fremdbestimmung erweckt.

Beim Treffen mit den "Grünen" in Bonn meinte er: "Und man hat doch mehr den Eindruck, dass wir mehr oder weniger Sturmreif geschossen werden sollen".

Später meinte er über das Treffen Modrow/Kohl: "Ich glaube, dass dieser 13. Februar eigentlich der Tag war, an dem man ganz klar die Weichen in Bonn gestellt hat, und dass dann eigentlich nur noch mitgeteilt hat, so ist es, so wird werden und nun seht man zu, dass ihr das auch so praktisch inkorporiert und mit nachhause nehmt. Das war eigentlich eine Sache, die sich auch durch einen Telefonanruf letztlich hätte ausgestalten lassen und nicht durch einen Besuch so einer großen Delegation da in Bonn." (3)

Mitglied der DDR-Regierungsdelegation am 06.03.1990 in Moskau.

Abgeordneter in der Volkskammer und parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Grüne.

Kurz nachdem der Umbruch in der DDR ins Rollen kam, sagte er den oft zitierten Satz: "Ich bin mir 100 prozentig sicher, dass ich kein Berufspolitiker werde".

Bis zu den gesamtdeutschen Wahlen wurde er in den Bundestag delegiert. Ab 1990 Minister für Umweltschutz, Naturschutz und Raumordnung in Brandenburg. Im selben Jahr forderte er, der geplante Großflughafen für Berlin dürfe nicht größer werden als die drei Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld zusammen. (4)

Nach der Enttarnung des IM "Frank Göbel" 1991 in den Reihen von Bündnis 90, erwog er kurzzeitig es jetzt zu lassen.

Er machte die Vereinigung von Bündnis 90 und Die Grünen im Mai 1993 nicht mit. Mitbegründer des "BürgerBündnis" 1993. Blieb nach dem Bruch der Ampel-Koalition wegen der Stasivorwürfe gegen Ministerpräsident Stolpe parteiloser Minister.

Als parteiloser wusste er bei der Wahl 1994 nicht mehr wie es weiter geht, sagte er in einem Interview in der Berliner Zeitung am 28.12.2013. Er wollte damals an die Umweltagentur nach Kopenhagen.

Er demonstrierte gegen die Nutzung eines Truppenübungsplatzes durch die Bundeswehr in Wittstock/Ruppiner Heide 1993. (5) Im selben Jahr sprach er sich gegen die Internationale Luftfahrtausstellung Ila in Schönefeld bei Berlin aus, weil dort der Jäger 90 ausgestellt wurde. (6)

Die politische Kultur und die Debatten von Teilen der westlichen Grünen empfand ich als unernst und abgehoben. Als Gast erlebte ich im April 1991 mit, wie der grüne Bundesparteitag von Neumünster in Krawall und Klamauk unterging. Spätestens damals wurde mir klar: Eine Partei, in der sich die Delegierten gegenseitig mit Wasserpistolen beschossen, würde nicht meine politische Heimat werden. Da fühlte ich mich der Sozialdemokratie schon sehr viel näher. (7) Eintritt in die SPD im Juni 1995. Sein Vater riet ihm, wenn er schon in eine Partei eintritt, solle er versuchen ihr Vorsitzender zu werden.

Bundesweit bekannt wurde Platzeck 1997 als "Deichgraf" während des Hochwassers an der Oder. Von November 1998 bis Juni 2002 war Matthias Platzeck Oberbürgermeister von Potsdam. Mitglied im SPD-Bundesvorstand seit Dezember 1999. Ab Juli 2000 SPD-Landesvorsitzender in Brandenburg. Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung und in der Programmkommission der SPD. Ministerpräsident des Landes Brandenburg von Ende Juni 2002 bis Ende August 2013. Danach weiter Abgeordneter im Brandenburger Landtag bis 2014.

Schloss sich den Vorwürfen an, die BewohnerInnen eines besetzten Hauses in Potsdam-Babelsberg nach der Räumung des Hauses gegen die Polizei im August 2001 erhoben. Kritisierte Stephan Hilsberg wegen seine Kritik an der Ernennung Stolpes zum Bundesminister 2002. Nach der für die SPD verlorenen Kommunalwahl im Oktober 2003 versucht er sich als "Reformer" zu profilieren. 2004 warf er im Zusammenhang mit Hartz IV der PDS Angst- und Panikmache vor. Im November 2004 wurde er von Umweltgruppen für seinen Widerstand gegen das Hochwasserschutzgesetz von Umweltminister Trittin kritisiert. (8)

2005 sprach er sich für die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China aus. (9) Im Juni 2005 wurde er als Sprecher des SPD-Forums für Ostdeutschland gewählt. Von November 2005 bis April 2006 Vorsitzender der SPD. Nach seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden trat er in die Bergarbeitergewerkschaft ein.

Im August 2010 nannte er den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland 1990 einen Anschluss. (10)

Mitglied im Verwaltungsrat des ZDF Juli 2007. Sitzt im Stiftungsrat der Stiftung "Lebendige Stadt". Die Stiftung entstammt dem Umfeld des 1965 von Werner Otto (Otto-Versand) gegründeten Unternehmens ECE Projektmanagement, das gewerbliche Großimmobilien, insbesondere innenstädtische Einkaufszentren, entwickelt, errichtet, vermietet und betreibt. Wie Wikipedia zu berichten weiß.

Im November 2011 ließ er verlauten, er habe sein Profil bei Facebook bis zur Klärung von datenschutzrechtlichen Fragen stillgelegt. (11) Im Dezember 2011 schlug er eine bundesweite Stiftung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vor. (12) Er forderte am 07.05.2014 einen Runden Tisch in der Ukraine mit Beteiligung gesellschaftlicher Kräfte wie Gewerkschaften und Kirchen. (13)

Unterzeichnete im Januar 2015 den Aufruf "Gegen Ressentiment und Abschottung: Für die Werte von 1989!".

Schlichter, benannt von der Bahn, in den Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft der Lockführer und der Geschäftsleitung der Deutschen Bahn 2015. Ab Dezember 2015 Schlichter in der Tarifauseinandersetzung zwischen der Flugbegleitergewerkschaft Ufo und der Lufthansa.

In einem Interview im Jahr 2000 nannte er den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan als den Beginn seines Politisierungsprozesses. (14)

Über den Journalismus sagte er in einem Interview in der Berliner Zeitung am 28.12.2013: "Da hat auch ein sukzessiver Wandel stattgefunden. Die klare Trennung, die es einmal gab, ist in Teilen aufgehoben: Der Journalist ist nicht gewählt und beschreibt den demokratischen Prozess. Er hat eine Meinung, aber er verfolgt keine eigenen Ziele. Heute ist es doch vielfach so: Man hat nicht nur eine Meinung man hat etwas vor."

Schirmherr der Stiftung "Hilfe für Familien in Not" seit Dezember 2013. Mitglied im Kuratorium der Parkinson-Stiftung. Mitglied im Aufsichtsrat des Oberlinhauses in Potsdam-Babelsberg. Sitzt im Aufsichtsrat bei E-dis. Vorsitzender des Vorstandes des Deutsch-Russisches Forum e. V. Nach dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine erklärte er am 01.03.2022 seinen Rücktritt. Hat einen Sitz im Lenkungsausschuss des Petersberger Dialogs. Vorsitzender in der Friedrich-Ebert-Stiftung für Mittel- und Osteuropa. April 2015 Aufsichtsratsvorsitzender bei Leipa in Schwedt.

Am 14.10.2015 wurde er vom Bundeskabinett zu einem der Leiter in die Atomkommission berufen. Einer von vier Vorsitzenden der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" 2018, kurz Kohlekommission genannt. Sie soll den Ausstieg Deutschlands aus der Kohle vorbereiten. Die Grüne Liga kritisiert die Ernennung ihres Gründungsmitglieds zu einem der Vorsitzenden.

2019 Vorsitzender der Regierungskommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit".

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik wolle er sich mehr seiner Familie widmen, war von ihm zu hören. Auch wolle er wieder segeln. Bis 1989 sei er ein begeisterter Regattasegler gewesen.

Lina-Hähle-Medallie 1991, Hans-Klose-Preis 1995, Umweltpreis der Stiftung Europäisches Naturerbe 1998. März 2011 Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Goldene Henne 2013.

(1) Matthias Platzeck: Zukunft braucht Herkunft. Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten, Hoffmann und Campe Verlag Hamburg, 1. Auflage 2009, S. 33
(2) die tageszeitung, 26.09.2000
(3) Chronik der Wende 13.02.1990
(4) die tageszeitung, 16.02.1991
(5) die tageszeitung, 13.04.1993
(6) Berliner Morgenpost 14.04.2005
(7) Matthias Platzeck a.a.O. S. 113
(8) Berliner Zeitung, 26.11.2004
(9) Berliner Morgenpost, 14.04.2005
(10) Berliner Zeitung, 01.09.2010
(11) Der Tagesspiegel, 16.11.2011
(12) Berliner Zeitung, 01.12.2011
(13) info radio des RBB, 07.05.2014
(14) die tageszeitung, 26.09.2000

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