Sebastian Pflugbeil

war weder bei den Pionieren noch in der FDJ.

Er bewarb sich für die Studienrichtungen Physik und Theologie.

Studierte Physik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. In der DDR wurde ihm die Promotion dadurch verweigert, dass er keinen Termin für die Verteidigung seiner Doktorarbeit bekam. 1990 wurde er dann promoviert.

Er arbeitete am Zentralinstitut für Herz- und Kreislaufforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin-Buch.

Mitbegründer des Friedensseminars der Immanuelgemeinde in Berlin. Mitglied bei "Ärzte für den Frieden". 1988 wurde eine von ihm mit erstellte Studie über die Energiesituation in der DDR veröffentlicht. Er nahm 1988 an einem Treffen der Anti-Atom-Initiativen der DDR teil.

Nach den Reaktorunfall am 26.04.1986 in Tschernobyl forderte er die Evakuierungspläne in der DDR zu veröffentlichen. Für Strahlen- und Umweltschutz sollten der Geheimnisschutz aufgehoben werden.

Sebastian Pflugbeil ermutigte und unterstützte Michael Beleites bei der Herausgabe der Dokumentation "Pechblende", wie dieser später schrieb.

Sebastian Pflugbeil beschäftigte sich besonders mit der Nutzung und den Risiken der Kernenergie. Gegen ihn eröffnete die Stasi die Operativen Vorgänge "Reaktor" und "Nuklear".

Gründungsmitglied des Neuen Forum (NF). An seinem Arbeitsplatz wurde Druck gegen ihn aufgebaut. Dazu wurde an Personen aufgefahren was möglich war. Er wurde aufgefordert sich schriftlich zu äußern und ihm wurden weitere Aktivitäten untersagt.

Zusammen mit Jens Reich Anmelder des Neuen Forum in Berlin.

Auf einem Treffen des NF in seiner Wohnung am 01.10.1989 wurden ein Rundbrief und ein "Problemkatalog" erarbeitet. Am 09. Oktober wurde für einen Tag festgenommen.

Am 26.10.1989 wurde er und Jens Reich vom Politbüromitglied Günter Schabowski empfangen.

Sebastian Pflugbeil war Vertreter des NF am Berliner und am Zentralen Runden Tisch.

Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung Modrow. Während dieser Zeit verschafft er sich Zugang zu den Akten über die DDR-Kernkraftwerke. Er forderte 1990 die sofortige Stilllegung des Atomkraftwerkes Lubmin. Im März 1990 gab er die Losung aus "Wer die Stasi schafft, schafft auch die Atomkraftwerke". (1)

Organisator der 2. Energietagung vom 24.05.-27.05.1990 des Neuen Forum "Energie 2000" in der Charité in Berlin.

Zusammen mit seiner Frau startete er 1990 die Aktion "Ferien für die Kinder von Tschernobyl". Bis Ende April 1992 Vorsitzender der Gesellschaft für eine nuklearfreie Zukunft.

Erstunterzeichner der Aufrufs "Für unser Land". Mitglied der DDR-Regierungsdelegation am 06.03.1990 in Moskau. Er verhandelte im April 1990 mit den Hungerstreikenden Bürgerwächtern in Erfurt. Und handelte mit ihnen ein Kompromiss aus.

Berlins Oberbürgermeister Schwierzina wollte ihn im Mai 1990 in den Magistrat holen. Im Februar 1992 lud er in einem offenen Brief im Namen des NF Berlin, Manfred Stolpe zu einer Diskussion ein. (2) Während einer Diskussionsrunde in der Gethsemane-Kirche in Berlin im April 1992 forderte er Manfred Stolpe auf, wenigstens ein Beispiel für den "Effekt" seiner vielfältigen Kontakte zur Staatssicherheit darzulegen. (3)

Abgeordneter in der Berliner Stadtverordnetenversammlung und im Berliner Abgeordnetenhaus 1990-95. Kandidat zur Europawahl 1994.

Er unterschrieb im März 1995 eine Erklärung gegen Schlussstrich, Amnestie und Verjährung. Im selben Jahr wurde er wegen angeblichen Beitragsrückständen aus dem Neuen Forum ausgeschlossen. "Das ist mir alles ziemlich wurscht", wird er am 30.08.1995 im "Tagesspiegel" zitiert. Zusammen mit Bärbel Bohley u. a. gründete er eine eigene Basisgruppe im Neuen Forum.

Die gesellschaftliche "Verachtung, die Gleichgültigkeit" gegenüber politisch Andersdenkenden empfindet er heute "fast schlimmer als in der DDR", meinte er 1999. (4)

Sprecher der "Kinder von Tschernobyl" e.V. Mitbegründer der "Robert-Havemann-Gesellschaft". Mitglied im Verein "Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V". Im Streit um die Veröffentlichung der Stasi-Akten über Helmut Kohl wandte er sich dagegen Teile der Akten zu sperren.

Im Dezember 2001 verfasste er den Aufruf, "Wir haben es satt", von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern mit, in der die Politik der rot-grünen Bundesregierung kritisiert wird. Zu den Grünen meinte er 2002: Wer nicht austritt, der übernimmt Mitverantwortung. (5) Unterschrieb im August 2004 eine Erklärung DDR-Oppositioneller gegen Hartz IV. Die sofortige Stilllegung des Atomreaktors des Hahn-Meitner-Instituts in Berlin forderte er 2004. (6) Er stellte einen Antrag auf Akteneinsicht bei der CIA und NSA nach dem "Freedom of Information Act" und dem "Privacy Act" über ihn gespeicherte Berichte.

Er unterschrieb einen Offenen Brief an die Kommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" vom 29.05.2019. Darin wird gefordert, den Beginn der Feierlichkeiten nicht auf den 9. November, wie bisher geplant, sondern auf den 9. Oktober zu datieren.

Eine Trauerrede hielt er am 29.10.2021 für den verstorben Reinhard Schult.

Seit 1999 Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz. Mitorganisator einer Ausstellung über Gebiete am Rande von Atomtestgeländen der ehemaligen Sowjetunion. Die Sperrzone um Tschernobyl besuchte er 2001.

"Der Herbst 1989 hat uns doch alle von hinten überrollt mit einer Geschwindigkeit, auf die wir nicht vorbereitet waren. Das hinterher alles so schrecklich wurde, hatten wir nicht erwartet." (7)

(1) die tageszeitung, 13.03.1990
(2) die andere zeitung, 05.02.1992
(3) die tageszeitung, 27.04.1992
(4) die tageszeitung, 08.11.1999
(5) Der Tagesspiegel, 28.01.2002
(6) Der Tagesspiegel, 25.03.2004
(7) Der Tagesspiegel, Nr. 15 373, 30.08.1995

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