Günter Nooke

Um eine Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter mit Abitur beim VEB Tiefbaukombinat Cottbus machen zu können, trat er in die FDJ ein. Leiste von 1978-1980 seinen Wehrdienst. Studierte von 1980-85 Physik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Danach wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitshygieneinspektion des Rates im Bezirk Cottbus. Durch Weiterbildung qualifizierte er sich zum Fachphysiker für Medizin.

Während seines Studium besuchte er Veranstaltungen der "Leopoldina" in Halle und wollte 1982 an einer Friedensdemo in Leipzig teilnehmen, die aber von der Staatsmacht verhindert wurde.

Ab Mitte der achtziger Jahre in der Friedensarbeit der Evangelischen Kirche tätig. Mitbegründer des Ökumenischen Friedenskreises in Forst und der Zeitschrift "Aufbruch". Mitarbeit in "Frieden Konkret".

Wegen des Vertriebsverbotes der sowjetischen Zeitschrift "Sputnik" in der DDR trat er im November 1988 aus der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaftsgesellschaft aus. Im September 1989 beteiligte er sich an der Verbreitung des Gründungsaufrufs von "Demokratie Jetzt" in Forst. Er wurde vom MfS im Operativen Vorgang "Risiko" erfasst.

Gründungsmitglied des Demokratischen Aufbruch (DA). Vorstandsmitglied des DA und Beauftragter für Umweltschutz. Vertreter am Zentralen Runden Tisch, am Runden Tisch des Bezirkes Cottbus und des Grünen Runden Tisches.

Er kritisierte die Übernahme der Blockpartei CDU (DDR) durch die CDU (BRD). Wegen der Bildung der "Allianz für Deutschland" aus der ehemaligen Blockpartei CDU, dem DA und der DSU, trat er im Februar 1990 aus dem DA aus. Bei ihm soll es Überlegungen gegeben haben eine neue Partei zu gründen.

Spitzenkandidat für Bündnis 90 im Bezirk Cottbus. Als parteiloser auf dem Ticket für Demokratie Jetzt.

Mitglied in der Volkskammer von März bis Oktober 1990. In der Volkskammer war er im Wirtschaftsausschuss für die Fraktion Bündnis 90. Wurde von der Volkskammer am 13.07. als Vertreter der Opposition erst im dritten Wahlgang in den Verwaltungsrates der Treuhandanstalt gewählt (15.07.1990-02.10.1990). Nachdem er zum ersten Mal durchgefallen war, wurde von der Opposition verlangt, einen neuen Kandidaten zu präsentieren. Was die Opposition ablehnte. Eine hitzige Debatte folgte. Er hatte zuvor die Treuhandanstalt kritisiert.

Er enthielt sich am 23.08.1990 bei der Abstimmung über den Beitritt der DDR zur BRD nach Grundgesetz Artikel 23Artikel 23 des Grundgesetzes. Sein Überbrückungsgeld nach der Auflösung der Volkskammer spendete er einem Altenheim.

Abgeordneter in Brandenburger Landtag 1990 bis 1994 für Bündnis 90. Er war deren Fraktionschef. Vor seiner Wahl sagte er in einem Interview: "Mir geht es darum, möglichst jenseits von CDU und PDS Mehrheiten zu Organisieren". (1)

Im Oktober 1991, auf der Gründungsversammlung von Bündnis 90 in Brandenburg, meinte er, Ministerpräsident Stolpe habe "schon am Anfang den Mut zu neuen Wegen demonstriert".

Als er im März 1992 Manfred Stolpe als "stark belastet" bezeichnete, - es wurden die Kontakte von Manfred Stolpe zum MfS untersucht -, stieß er bei Teilen von Bündnis 90 und den Grünen in Brandenburg auf Unverständnis. Er warf Manfred Stolpe vor, die Unwahrheit gesagt zu haben. Günter Nooke stellte vorübergehend seine Arbeit im Stolpe-Untersuchungsausschuss ein, nachdem in einem Zwischenbericht Stolpe ein "Persilschein" ausgestellt wurde.

Im Tagesspiegel schrieb er am 15.06.1998 er habe Lothar Bisky als Vorsitzenden für den Stolpe-Untersuchungsausschuss gewählt, weil "die PDS-Fraktion damals demokratisch an der Reihe war. Ein politischer Fehler, der mir heute nicht mehr passieren würde".

Er machte die Vereinigung von Bündnis 90 und Die Grünen im Mai 1993 nicht mit. Unterstützte das von Matthias Platzeck mitbegründet "BürgerBündnis freier Wähler". Nahm 1995 am Treffen mit Helmut Kohl in der Bohleyschen Wohnung teil. Mitinitiator des "Bürgerbüros" (Satzungsentwurf stammt von Rechtsanwalt Uwe Lehmann-Braun CDU-Berlin-Zehlendorf).

Bis Juni 1995 arbeitete er im Generalkommissariat EXPO 2000 in Hannover mit. Wirkte am Grundsatzprogramm des brandenburgischen Landesverband der CDU mit. 1995 bis 1998 Abteilungsleiter Controlling in der Geschäftsstelle des Steuerungs- und Budgetausschuss für die Braunkohlesanierung in Berlin.

Im Dezember 1996 Eintritt in die CDU. Die Initiative dazu ging von ihm aus.

Mitunterzeichner der "Berliner Antwort" auf die "Erfurter Erklärung" 1997. Bundestagsabgeordneter von 1998 bis September 2005. Dort stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion seit Februar 2000. Sprecher der "Ost-Abgeordneten" der CDU bis Oktober 2002. Danach Sprecher für Kultur und Medien der CDU/CSU-Fraktion. Als Sprecher der berliner Bundestagsabgeordneten wurde er im Dezember 2002 abgewählt.

Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung März 2006 bis April 2010. Die FDP beanspruchte den Posten. Schließlich musste auch sie wie alle anderen Parteien aufstrebende Parteimitglieder mit Posten versorgen.

Danach Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

In dieser Eigenschaft machte er sich durch seine Äußerung "Experten, auch Afrikaner, sagen: Der Kalte Krieg hat Afrika mehr geschadet als die Kolonialzeit", unbeliebt. Im wurde Rassismus vorgeworfen.

"Klar ist: Wir müssen alle Migranten aus dem Mittelmeer retten. Aber je mehr wir nach Europa bringen, desto mehr Boote stechen in See. Deshalb müssen wir sie zurückbringen an Orte, wo wir sie beschützt sind, Ausbildung und Arbeit finden. Lager sind da nur Notlösungen. Besser wäre es, Städte zu gründen – auf neuem Gelände, mit klaren Regeln und Strukturen".

"Wir sollten nicht falsche Erwartungen wecken – in Europa und in Afrika". Es brauche Millionen neue und gut bezahlte Jobs in afrikanischen Ländern oder auch in Wirtschaftssonderzonen.

"Die PDS ist die Partei, die über die am besten ausgerüsteten, am besten trainierten und am besten mental eingestellten Leute verfügt. Jeder Coach wäre dankbar für solch eine Mannschaft.

Deshalb sollte klar sein: Die PDS ist ernst zu nehmen als Partei, nicht nur als Poker im kommenden Wahlkampf. Die PDS ist eine Partei, die über eine klare Strategie zur Machtergreifung und über eine scheinbar noch tragfähige Ideologie zur radikalen Veränderung der Gesellschaft verfügt, vielleicht ist sie sogar die einzige relevante Partei, die das von sich sagen kann", schrieb er 1996. (2)

Er verteidigte 2001 die Ablehnung einer Entschuldigung für die Mitwirkung der Blockpartei CDU am Mauerbau 1961. Im August 2002 warf er der PDS in Berlin vor, einen "Wessi" als Wirtschaftssenator nominiert zu haben.

Im September 2003 richtete er eine Anfrage an den damaligen Bundesinnenminister Schily, ob die "Symbole der zweiten deutschen Diktatur" verboten sind oder nicht. Hintergrund war ein Auftritt von Katerina Witt in einer Fernseh-Schau in FDJ-Bluse.

Im Dezember 2003 nannte er das Anliegen, ein Denkmal für die ermordeten Homosexuellen während der Nazi-Zeit zu errichten, für gerechtfertigt. Er kritisierte im Dezember 2003, dass ehemaligen NSDAP-Mitgliedern gegenüber mehr Verständnis als gegenüber ehemaligen SED-Mitgliedern aufgebracht wird. Im Zusammenhang mit den "Rosenholz-Dateien" forderte er eine Stasi-Überprüfung aller Funktionsträger in Ost und West.

Im Jahre 2004 unterstützte er den Wahlkampf für George W. Bush in Berlin. Im Dezember 2004 forderte er den Erhalt der Currywurst-Bude im Regierungsviertel. Im April 2005 unterschrieb er einen Aufruf gegen das Vorhaben des Berliner Senats einen Werteunterricht für alle gemeinsam einzuführen, ohne Abwahlmöglichkeit zu Gunsten eines Religionsunterrichtes.

Im Januar 2009 kritisierte er die Bundesregierung, sie habe zu moderat auf die Verhaftung einer Oppositionspolitikerin, sie war zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden, weil sie zu einer Demonstration aufgerufen hatte, und der restriktiven NGO-Gesetzgebung, sie dürfen sich nicht für die Gleichstellung von Frauen einsetzen, reagiert. China gab er wegen seiner Landkäufe in Afrika eine Mitschuld an der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika 2011. (3)

In einem Interview im Februar 2014 meinte er: "Wenn schwere Menschenrechtsverletzungen in der Europäischen Union stattfinden, dann im Mittelmeer." Und: "Soldaten im Ausland einzusetzen, kann für Deutschland kein Tabuthema sein. In Afrika soll es dabei vor allem um Ausbildungshilfen für die dortigen Armeen gehen, denn ein gut ausgebildeter Soldat ist erstmal ein Wert an sich. Aber er kann das natürlich nicht nutzen, wenn die Befehle die falschen sind. Deshalb sollte der Schwerpunkt unserer Afrikapolitik nicht im Militärischen liegen, sondern in einer guten Entwicklungspolitik, die sich auf berechtigte Interessen anderer Ressorts einlässt." (4)

Im Juni 2016 sprach er sich zusammen mit Wolfgang Thierse doch noch für den Bau des "Einheitsdenkmals" in Berlin aus. (5)

"Ein Denkmal für Freiheit und Einheit auf dem Logenplatz der deutschen Geschichte vor dem Berliner Schloss ist vom Bundestag beschlossen worden und kann nicht durch einen geheim gefassten Beschluss des Haushaltsausschusses aufgehoben werden.

Es braucht einen Aufschrei! Selten haben alle Fraktionen des Deutschen Bundestages und die Staatsministerin für Kultur und Medien so unsensibel reagiert. (...)

Die Diskussion um ein Nationaldenkmal darf nicht der Kunstschickeria überlassen werden. Und am Ende dürfen auch nicht Fledermäuse, detailversessene Denkmalschützer oder nicht immer sehr sinnvolle Forderungen von Behindertenverbänden das letzte Wort haben. (...)

Könnte es sein, dass es am Ende gar nicht ums Geld geht, sondern verschiedene unheilige Allianzen ein großes Projekt aus Kleingeisterei verhindern? Dazu gehören auch manche Bürgerrechtler, die Leipzig und Sachsen zum Mittelpunkt Deutschlands erklären wollen, indem nur dort ein Denkmal an die Leipziger Montagsdemonstrationen erinnern darf, beziehungsweise: Wenn es dort nicht zustande kommt, soll wenigstens dasjenige in Berlin verhindert werden", schrieb er im Oktober 2016. (6)

Er unterschrieb die Offene Erklärung vom 18.08.2019 "Nicht mit uns: Gegen den Missbrauch der Friedlichen Revolution 1989 im Wahlkampf", durch die AfD.

Eine Grußadresse an die Demonstranten in Belarus unterschrieb er im September 2020.

Die Öffentlichmachung der Wahlfälschung am 07.05.1989 und die Proteste dagegen, bezeichnete er später als ersten Schritt zum Sturz der SED und den Beginn der Revolution. (7)

"Im Herbst habe ich keinen dritten weg angestrebt, ich kannte den begriff gar nicht. Wir haben gehandelt, nicht theoretisiert. Mir war nicht klar, wie schnell es mit der DDR zu Ende gehen würde, ich dachte schon, noch einiges in diesem Land selbst gestalten zu können", schreib er 2010. Und: "Zwischen dem 9. November und Weihnachten 1989 lag die Macht auf der Straße. Wir wussten es und trauten uns nicht, sie aufzuheben. Wir hatten ein strakes Bewusstsein von Verantwortung und ein ambivalentes Verhältnis zur Macht". (8)

"Kein anderer Denker hat mich so geprägt wie er", sagte er über Carl Friedrich von Weizsäcker. (9)

Marianne Birthler wirft Günter Nooke in ihren Erinnerungen vor, er habe von Anfang an ein Zusammengehen mit den Grünen im Westen zu verhindern getrachtet und damit wenige Jahre später sowohl das Bündnis 90 als auch die Grünen Brandenburgs für lange Zeit ins politische Abseits befördert. (10)

Präsident von maiglocke e. V. (Konkurrenzunternehmen zur Jugendweihe). Kuratoriumsmitglied in der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Mitglied im Gesprächskreis "Hauptstadt-Union" - auch Hugenotten genannt. Beisitzer im Vorstand der Deutschen Gesellschaft e. V. und im Kuratorium. Im April 2005 fiel er bei der Wahl zum Kreisvorsitzenden in Berlin-Pankow durch.

Erhielt das Bundesverdienstkreuz 1995 und den Nationalpreis 2008.

(1) Märkische Oderzeitung, 09.10.1990
(2) Berliner Morgenpost, 28.12.1996
(3) Berliner Zeitung, 05.08.2011
(4) Der Tagesspiegel, online, 15.02.2014
(5) Berliner Zeitung, 16.06.2016
(6) Der Tagesspiegel, 02.10.2016
(7) Günter Nooke in Agethen, Manfred; Buchstab, Günter (Hrsg.): Opposition- und Friedensbewegungen im früheren Ostblock, Herder Verlag 2003, S. 188
(8) Günter Nooke in Eckhard Jesse (Hg.): Eine Revolution und ihre Folgen, 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz, CH. Links Verlag Berlin, 2000, S. 103 (9) Der Tagesspiegel, 30.04.2005
(10) Marianne Birthler: Halbes Land, Ganzes Land, Ganzes Leben, Erinnerungen, Hanser Verlag 2014, S. 219

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