Stephan Hilsberg

wurde, da er kein Abitur machen durfte, Facharbeiter für Datenverarbeitung. Er wollte eigentlich Mathematik oder Physik studieren. Ein Studium für Klavier wurde ihm verwehrt. Er wollte nicht Theologe werden wie sein Vater.

Von seinem Betrieb wurde er auch nicht für die Volkshochschule zum Ablegen des Abiturs delegiert.

Im Jahre 1985 nahm er ein Fernstudium der Datenverarbeitung auf. Arbeitete als Programmierer Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Charité. Er absolvierte ein Fernstudium zum Ingenieur für Informationsverarbeitung.

Seine Eltern erlaubten nicht, dass er Jungpionier wurde. Er war in der DSF und im FDGB. Er absolvierte den Wehrdienst 1974-76 bei der NVA, da für ihn der Ersatzdienst nicht glaubwürdig war.

Seit 1988 in Friedensgruppen aktiv. In der Berliner Gogatha-Gemeinde gründete er einen Friedenskreis. War 1989 in der Initiative Frieden und Menschenrechte aktiv.

Er stellte Strafantrag gegen Egon Krenz wegen Wahlfälschung der DDR-Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989.

In August 1989 erwog er anlässlich einer Reise nach Westberlin dort zu bleiben und seine Familie nachzuholen. Er nahm aber dann davon Abstand.

Der Gründungsaufruf für eine Sozialdemokratische Partei in der DDR sprach ihn wegen ihrer klaren Aussagen an. Gründungsmitglied der SDP in Schwante.

Am Tag des Gründungstreffens der SDP am 07.10. klingelte die Staatssicherheit an seiner Haustür. Er war aber bereits auf dem Weg. Die Staatssicherheit platzierte sich den ganzen Tag vor seiner Tür.

Erst in Schwante erfuhr er, dass die SDP hier und jetzt gegründet werden sollte.

Er schlief während der Rede Markus Meckels auf dem Gründungstreffen ein. Wurde zum 1. Sprecher des geschäftsführenden Ausschusses gewählt. Nach einer Aussage von Stephan Hilsberg sagte Markus Meckel zu ihm, für seine Wahl sei der Umstand ausschlaggebend gewesen, dass er kein Pfarrer sei. Februar 1990 Geschäftsführer der SPD. Abgeordneter der Volkskammer.

In einem Brief kritisierte er Kirchenvertreter im Oktober 1989, dass sie sich auf ein "Bürgergespräch" mit SED-Vertretern verständigt haben ohne die Beteiligung von Oppositionsgruppen.

Eine Woche nach dem Mauerfall sprach er als Gast auf dem nordrhein-westfälischen SPD-Parteitag in Köln. Mitglied der Delegation der SDP bei der Tagung der Sozialistischen Internationale am 23./24.11.1989 in Genf. Dort beantragte er die Aufnahme der SDP in die SI.

Laut Stephan Hilsberg boten sich im November 1989 die "Sozialismus-Theoretiker" um Michael und André Brie der SDP als "Politikberater" an. Der Flügel um den Dresdner SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer soll den Antrag gemacht haben, mit mehreren Hunderttausend Mitgliedern in die SDP einzutreten. Bedingung sei die Besetzung wichtiger Positionen in der SDP gewesen. (1)

Die Solidarność lud ihn und andere DDR-Oppositionelle zu Gesprächen am 03.01.1990 nach Warschau ein.

Als Geschäftsführer der SPD stand er mit an der Spitze bei den Gesprächen über die Einheit mit der SPD (BRD). Er setzte sich bei einer Vereinigung der beiden SPDs für eine Befragung der Mitglieder ein.

Am 18.07.1990 trat er als Geschäftsführer der SPD zurück. Als Grund nannte er, er wolle einen Beitrag zur Bündelung von Entscheidungsstrukuren leisten.

Mitglied des Bundestages von 1990 bis 2009, Bildungs- und Forschungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen bis Oktober 2002.

Im Oktober 2002 sprach er sich dagegen aus, Manfred Stolpe zum Bundesminister zu berufen. Wenn Stolpe Minister würde, säße "zum ersten Mal die Firma, also die Staatssicherheit, mit am Kabinettstisch der Bundesrepublik", so Hilsberg. Auf sein Amt als Staatssekretär verzichtete er.

Später sagte er, wenn er gewusst hatte, dass Manfred Stolpe Minister im Kabinett Schröder werden würde, hätte er gegen Stolpe eine Intrige gesponnen.

Mitglied der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" für die SPD-Fraktion.

Forderte 1992 den brandenburgischen Ministerpräsidenten Stolpe auf, sein Amt bis zur Klärung der Stasi-Vorwürfe gegen ihn ruhen zu lassen. Auf einem Landesparteitag der SPD in Brandenburg wurde er 1992 wegen seiner Kritik an Stolpe niedergeschrien. (2)

Stimmte 1993 für die Änderung des Asylrechtsparagrafen. Er rechtfertigte 1998 die Behauptung, die SDP sei die führende Kraft der "Friedlichen Revolution" gewesen.

1999 forderte er den Ausschluss der PDS von sicherheitsrelevanten Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission der Geheimdienste.

Über das "Streitkultur-Papier" zwischen SED und SPD 1987 sagte er: "Eppler gereicht es zu Ehre, das endgültige Abkippen der DDR wahrgenommen und seine Partei rechtzeitig gewarnt zu haben. Doch ohne die Gründung der SDP am 7. Oktober 1989 hätte dieses Experiment die SPD in ein weit schwierigeres Kapitel ihrer Geschichte führen können, als wir es heute gemeinsam erleben dürfen." (3)

In der Zeitung "Der Tagesspiegel" wird er am wird er am 12.03.1995 über die BRD-SPD mit den Worten zitiert: "Sie waren nicht stolz auf uns, sondern konsterniert, weil sie immer noch auf die Reformierbarkeit der SED hofften."

"Entmachtung der SED! Das war unser erstes und wichtigstes politisches Ziel." Dafür musste man sich nicht nur gegen die SED stellen, sondern am Ende auch gegen die Wahrnehmung der Machthaber durch die westdeutschen Sozialdemokraten. (4)

Gründungsmitglied des Gesprächskreises "Neue Mitte" 1999.

Er warnte 2001 vor einer Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin. Gleichzeitig warf er Helmut Kohl vor, der "SED-hörigen Ost-CDU den demokratischen Ritterschlag verpasst" zu haben.

Im Zusammenhang mit den "Rosenholz-Dateien" forderte er eine Stasi-Überprüfung aller Abgeordneten.

Nach den für die SDP verlorenen Wahlen im Juni 2004 warf er seinem Genossen Thierse vor, er habe zu wenig für den Aufbau der SPD im Osten getan, er sei ein "Totalausfall für die ostdeutsche SPD". 2004 Mitinitiator der Forderung, eine zentrale Mauergedenkstätte am Brandenburger Tor in Berlin zu errichten.

November 2003 Gründungsmitglied eines Fördervereins zur Unterstützung der Gedenkstätte Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen. Schriftführer im Förderverein. Er kritisierte die AfD Nähe des bisherigen Vorsitzenden. Im Oktober 2018 erklärte er neben anderen Mitgliedern seinen Austritt aus dem Förderverein. Als Grund wird genannt, der Förderverein distanziere sich nicht von der AfD und ihrem Geschichtsbild.

Er unterschrieb einen Offenen Brief vom 28.06.2019, indem gegen den geplanten Auftritt von Gregor Gysi am 09.10.2019 in der Peterskirche in Leipzig protestiert wird.

2019 sagte er: "Mir ist das Messer in der Tasche aufgegangen, als ich beispielsweise erleben musste, wie Helmut Kohl die Allianz für Deutschland schmiedete. Heute weiß ich – und das hat etwas mit Aufarbeitung zu tun –, dass es ja gerade das Prinzip von Helmut Kohl war, sich an die Spitze der Friedlichen Revolution zu setzen. Und niemand anders als Egon Krenz hat ihm das ermöglicht."

Und: "Helmut Kohl setzt sich an die Spitze der Friedlichen Revolution und drückt ihr seinen Stempel auf. So mutet er den Ostdeutschen beispielsweise zu, jetzt die Ost-CDU, die alte Blockpartei, nun als Partei der Deutschen Einheit akzeptieren zu müssen, die bis dato eine Partei der SED-Diktatur gewesen ist.

In ihr versammelten sich Leute, die sich ihrer sozialen Stellung wegen mit der SED-Herrschaft arrangiert hatten. Von Demokratie hatten sie vielleicht mal geträumt. Engagiert dafür hatten sie sich bis dato nicht. Und diese Leute waren dann später Bundestags- und Landtagsabgeordnete. Jetzt sag ich mal was Gemeines, was nicht sehr kollegial und vielleicht auch ungerecht ist. Aber Standvermögen und Durchsetzungsfähigkeit hatten die meisten von ihnen nicht. Sie waren eher das Kardinalbeispiel für Jammerossis, die sich darüber beschweren, dass niemand auf sie hört. Und diese Leute sollten dann die Demokratie in Ostdeutschland repräsentieren." (5)

Auf der Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin am 20.06.1998 sagte er: "Der Wunsch, das System zu stürzen, entstammt nicht aus dem Ende der 80er Jahre. Dieser Wunsch hat mich zum Beispiel ein ganzes Leben begleitet."

"Die gegenteiligen Signale der Entspannungspolitik bestanden für mich vor allem darin, dass es offenbar vermieden wurde, Kontakte zur oppositionellen Bewegung in Ostberlin und in Ostdeutschland zu suchen. Die SPD beschränkte sich auf die Kontakte mit der SED und auf die Kontakte mit der Kirche.

Weder die SED noch die Kirche - die SED sowieso nicht, aber auch nicht die Kirche - hatte ein politisches Mandat von den Bürgern in Ostdeutschland. Dass sie im Namen der Ostdeutschen sprach, lag einfach daran, dass sie sich bemühte, für sie etwas zu bewegen.

Aber in den oppositionellen Gruppen, die sich entwickelten, so dilettantisch das am Anfang auch war, entwickelte sich ein ganz anderer politischer Impuls. Die politischen Konzepte zur Entmachtung der SED entstanden nur innerhalb des oppositionellen Spektrums und nirgendwo anders. Und deshalb habe ich es immer für einen Fehler gehalten, dass der Kontakt zu denen systematisch ausgespart wurde."

Für ihn war die Opposition in der DDR ein Stück Heimat. Er wusste wer der Gegner ist und worum es geht. Das Weltbild war völlig klar. Das ging ja mit dem Ende der DDR alles verloren. (6)

Er setzt sich dafür ein, dass an zentraler Stelle in Berlin ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus errichtet wird.

In der Zeitung "Der Tagesspiegel" schrieb er am 11.06.1998: "Die CDU mag sich in ihrer 'Begnadigung der Block-CDU' bestätigt sehen, obwohl damit die permanente Krise der ostdeutschen CDU begann."

(1) Interview mit Stephan Hilsberg, Welt online, 14.01.2009
(2) die tageszeitung, 02.11.1992
(3) http://library.fes.de/fulltext/historiker/00152004.htm#E10E2
(4) http://library.fes.de/fulltext/historiker/00152008.htm
(5) Stephan Hilsberg auf dem 30. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung 09.-10. Mai 2019
(6) ebenda

zu Stephan Hilsbergs Internetseite

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