Martin Gutzeit
absolvierte in den Jahren 1968-1970 eine Lehre als Elektromonteur in Calau. Bei der Energieversorgung Cottbus war er anschließend als Relaismechaniker beschäftigt.
Machte in der Abendschule sein Abitur. Diakoniehelfer in der Oberlausitz. Wollte Mathematik studieren, was als Totalverweigerer des Wehrdienstes nicht möglich war. Studierte dann Theologie und Philosophie am Sprachenkonvikt in Berlin.
Dort lernte er Markus Meckel und Arndt Noack kennen. Repetent und Assistent am Sprachenkonvikt in Berlin. Seiner Promotion kam die Wende dazwischen. Vikariat in Berlin. Pfarrer in Mecklenburg. 1991 war er Assistent an der Theologischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin. Arbeitet 1992 für die Friedrich-Ebert-Stiftung.
Betrieb philosophische Studien und organisierte Friedensseminare. Unterschrieb im November 1986 das Memorandum "Das Helsinkiabkommen mit wirklichem Leben erfüllen". 1987 forderte er die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft durch die BRD, weil sonst Verhältnisse stabilisiert werden. Im Frühjahr 1988 rief er zusammen mit Markus Meckel die "Bürgerbeteiligung, Verein zur Förderung der Mitarbeit am gesellschaftlichen und politischen Leben in der DDR" ins Leben.
In seiner Denkschrift im Januar 1989 findet er: "Das Deprimierende an der politischen Situation in der DDR aber ist, dass sie leider zur Zeit einer wirklich in inneren 'politischen' Kräften begründeten politischen Perspektive entbehrt." Im Januar 1989 kam er zusammen mit Markus Meckel zu dem Schluss eine Sozialdemokratische Partei in der DDR sei sinnvoll. Er war der Mitbegründer der SDP in der DDR. SDP-Mitgliedskarte Nummer 10. Dienstausweis 0008.
Auf der Suche nach Mitstreitern traf er sich Anfang September 1989 mit Bärbel Bohley, Rainer Eppelmann und Rudi Pahnke.
Er nahm an der verhinderten Gründung des Demokratischen Aufbruchs am 01.10.1989 im Gemeindehaus der Kirche Alt-Pankow teil.
Auf der Gründungsversammlung der SDP wird er in den Vorstand gewählt. Im selben Monat wird er in den geschäftsführenden Ausschuss der SDP kooptiert.
Vertreter der SDP am Zentralen Runden Tisch. In der zweiten Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 18.12.1989 brachte er den Antrag ein, die Stasispitzel, die in den Reihen der Opposition im Einsatz waren bekanntzugeben. Was abgelehnt wird. Zwei Ja-Stimmen, von ihm und Ibrahim Böhme.
Abgeordneter der Volkskammer, dort parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion und Mitglied des Präsidiums der SPD. In der Volkskammer verhinderte er, dass die PDS-Fraktion neben der SPD-Fraktion Platz nehmen konnte.
Er stimmte am 23.08.1990 für den Beitritt der DDR zur BRD nach Artikel 23 des Grundgesetzes. Im August 1990 droht er den Abgeordneten seiner Fraktion mit Konsequenzen, die sich bei einer Abstimmung in der Volkskammer der Stimme enthalten hatten.
Von Oktober bis Dezember 1990 war er Mitglied des Deutschen Bundestages.
Nach einem Treffen im Januar 1990 zwischen ihm, Markus Meckel und dem damaligen Dresdner Oberbürgermeister Berghofer (SED-PDS) wurde eine direkte Aufnahme Berghofers durch den Vorstand der SDP abgelehnt. Berghofer wurde an die örtliche SDP verwiesen.
Bis zur Neuwahl des Deutschen Bundestages am 02.12.1990 wurde er am 28.09.1990 von der Volkskammer in den Deutschen Bundestag gewählt.
Es gelang ihm 1990 nicht in einem Wahlkreis in Brandenburg für die Landtagswahl nominiert zu werden.
1992 forderte er den Rücktritt Manfred Stolpes vom Amt des brandenburgischen Ministerpräsidenten wegen seine Kontakte zur Stasi. Unterzeichnete 1994 einen Offenen Brief an Günter Nooke. 1994 stellte er sich hinter Bärbel Bohleys Stasi-Vorwürfe gegen Gregor Gysi. Erstunterzeichner "Gegen 'Schlussstrich', gegen Amnestie und Verjährung" im März 1995.
Er sprach sich im Juni 2001, nach dem Bruch der Koalition von CDU und SPD in Berlin, gegen ein Bündnis der SPD mit der PDS aus.
Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen in Berlin von 1993 bis November 2017. Solange es keine Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen im Land Brandenburg gab, deckte er das Gebiet mit ab.
Im September 2003 forderte er eine Stasi-Überprüfung für die Führungskräfte des öffentlichen Dienstes auf der Basis der Rosenholz-Dateien. Im Sommer 2007 kritisierte er, dass ein Preis der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen nach Walter Linse benannt wurde.
Einen Offenen Brief an Sportlerinnen, Sportler, Verbände und Sponsoren zur Teilnahme an den Olympischen Spielen in China unterschrieb er im April 2008. In im heißt es: "Auch weil sich bereits zwei deutsche Diktaturen mit den Leistungen von Sportlern schmückten, ist die öffentliche Debatte zu diesem Thema notwendig und die Teilnahme an den Spielen in Peking eine Gewissensfrage".
Mitglied im Beirat der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (ehemaliger Stasi-Knast). Mitglied des Beirates der Stasiunterlagenbehörde.
Wilhelm-Bock-Preis - Preis für soziales & demokratisches Engagement in Ost- und Mitteleuropa - am 24.05.2019.
Laut Martin Gutzeit wurde vor der Gründung der SDP eine zweite Gründungsurkunde bei Freunden hinterlegt, die für den Fall, dass die Staatssicherheit das Gründungstreffen in Schwante verhindere, veröffentlicht werden sollte. Er arbeite mit seinem Studienfreund Markus Meckel die Gründungsurkunde der SDP aus. Martin Gutzeit besaß einen raren Westcomputer nebst Nadeldrucker.
Sachverständiger in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland.
In der Sitzung der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland", am 15./16.03.1994 sagte er: "Im ersten Halbjahr 1989 gab es dann verschiedene Überlegungen und Gespräche über Handlungsformen, in denen sich Opposition in der DDR formieren sollte. Das ging dann auch schon recht zügig, wobei unterschiedliche Konzepte im Blick waren. Die Sozialdemokraten waren nicht die einzigen, die von einer Partei redeten; es gab auch andere. Aber prägend und tragend waren doch jene Konzepte, die eine Entwicklung von unten, eine Bewegung erwarteten, die einen Prozess der Demokratisierung und Öffnung, des Dialogs voranbringen sollten. Das also war das tragende Konzept; diese anderen Dinge wurden eher sehr stark ablehnend betrachtet." (1)
(1) Ingrund Drechsler, Bernd Faulenbach, Martin Gutzeit, Markus Meckel, Hermann Weber (Hrsg.): getrennte Vergangenheit, gemeinsame Zukunft, Band II, Opfer, Opposition und Widerstand, S. 174