Daniela Dahn
absolvierte parallel zum Abitur eine Berufsausbildung zur Schnittassistentin bei der DEFA. Anschließend einjähriges Volontariat beim Fernsehen der DDR. 1969-73 Journalistikstudium in Leipzig. Bis 1976 Redakteurin beim Jugendfernsehen. Um ihre Selbstachtung nicht zu verlieren kündigte sie 1981 beim Fernsehen. Seitdem freischaffende Schriftstellerin. 1988 Lesungen auf Einladung von Goethe-Instituten in so genannten nicht sozialistischen Ländern. 1990 Vortragsreise an Unis in den USA.
Daniela Dahn war FDJ und SED-Mitglied. Sie protestierte gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. 1982 Gründungsmitglied des "Brodowiner Gesprächksreises". Mitautorin der "Erklärung des Berliner Schriftstellerverbandes" im September 1989.
Mitbegründerin des Demokratischen Aufbruchs. Stellvertretende Vorsitzende der ersten unabhängigen Untersuchungskommission im November 1989. Es wurden die Übergriffe der staatlichen Organe am 7. und 8.10. in Berlin untersucht. In dieser Eigenschaft befragte sie u.a. Erich Mielke in der Haft.
Im Dezember 1989 unterzeichnete sie den "Appell der 89".
Arbeitet an einem Entwurf für ein neues Polizeigesetz mit. Sie stellte eine Analogie zwischen der "poststalinistischen DDR" und der "finanzstalinistischen BRD" her. (1) Im Januar 1996 protestierte sie zusammen mit anderen gegen "das Schweigen" von Helmut Kohl beim Besuch der Chinesischen Armee.
Unterzeichnete im Januar 1997 die "Erfurter Erklärung", in dem eine neue soziale Politik gefordert wird. Gründungsmitglied des "Willy-Brandt-Kreies" im Dezember 1997. Die Wahl zur Richterin am Brandenburger Verfassungsgericht scheiterte 1998 am Widerstand der SPD. Im September 2004 unterschrieb sie einen Aufruf für den Erhalt der Berliner Frauenprojekte. Im Februar 2005 unterschrieb sie eine Erklärung des Willy-Brandt-Kreises zum künftigen Umgang mit den Stasiakten.
Daniela Dahn ist PEN Mitglied. Mitbegründerin des Willy-Brandt-Kreises im Dezember 1997 und wurde stellvertretende Vorsitzende des Willy-Brandt-Kreises. Mitglied im Beirat der Humanistischen Union. Mitherausgeberin der Wochenzeitung Freitag von Juni 2006 bis Dezember 2011.
"Die Nostalgie vieler Ostdeutscher ist weniger der DDR verhaftet als dem Traum von einem Westen, der sich nicht erfüllte. Der sich verdunkelte, sobald die hinzugekommenen den Raum betraten. Bei den Einheimischen erweckte das den Eindruck, die Neuen hätten das Dunkel mitgebracht. Was insofern auch stimmte, als diese ihren sozialen Aufheller, der einst grenzüberstrahlend wirkte, eingebüßt hatten: das schon bei geringer Dosis hochwirksame, sozialistische Antibiotikum, gegen Sozialabbau, nennen wir es Antikapitalistikum", schrieb sie 2009. (2)
Zuvor meinte sie, es habe im Grunde keinen originären Gedanken der Bürgerbewegung gegeben, der nicht zuvor schon von einem SED-Mitglied geäußert wurde. (3) Im Juli 2013 sprach sie sich dafür aus Edward Snowden Schutz zu gewähren. (4)
Erstunterzeichnerin des Aufrufs "Wider die Große Koalition" 2013.
Im April 2022 forderte sie in einem Offen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz die Waffenlieferungen der EU- und NATO-Staaten an die Ukraine zu stoppen. "So bitter das Zurückweichen vor völkerrechtswidriger Gewalt auch ist, es ist die einzig realistische und humane Alternative zu einem langen zermürbenden Krieg."
In der Berliner Zeitung am 17.10.2022 meinte sie, ein Atomkrieg zwischen Russland und den USA würde 90 Prozent der Lebensmittelproduktion verunmöglichen. Der größte Teil der Erdbewohner würden verhungern.
"Angesichts dieses Szenarios muss die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen zurücktreten."
Sie unterschrieb das "Manifest für Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht 10.02.2023. Und unterschrieb Frieden schaffen: Waffenstillstand, Verhandlungen und gemeinsame Sicherheit vom 01.04.2023.
Teilnehmerin am Kongress "Ohne NATO leben – Ideen zum Frieden" am 21.05.1990 in der Humboldt-Universität in Berlin.
Mitbegründerin von weltnetz.tv. Mitglied in der "Gruppe Neubeginn". Stellvertretende Vorsitzende des Willy-Brandt-Kreises.
Über eine Versammlung nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns nach seinem Konzert in Köln am 13.11.1976 schreibt Sie:
"Im Blauen Salon waren etwa 120 Genossen der Redaktionen Kinder, Jugend und Sport versammelt. Die sich zu Wort meldeten, überschlugen sich geradezu in der Schilderung ihres Abscheus gegenüber jenem Kölner Konzert. Das reizte mich noch mehr. Schließlich erhob ich mich und sagte mit zitternder Stimme, dass man Kritik nicht einfach ausbürgern könne, das hätten andere vor uns getan, diese Tradition täte uns nicht gut. Selbstverständlichkeiten. Kein einziger unterstützte mich auf dieser Versammlung. Schlimm waren nicht die eifernden und hysterisch schreienden Kollegen. Man konnte ja zurückschreien. Schlimm waren die zwei Drittel die gesenkten Hauptes schwiegen und mir nicht in die Augen blickten. Wenn ich einmal beschreiben müsste, was Einsamkeit ist, so würde ich mich wohl dieser Szene unter Genossen erinnern." (5)
Preise: Berlin Preis 1987, Fontane-Preis 1988, Kurt-Tucholsky-Preis 1999, Louise Schroeder-Medaille 2002 (Hanna-Renate Laurien, CDU, gab aus Protest ihren Preis zurück), Ludwig-Börne-Preis 2004 in der Frankfurter Paulskirche. In ihrer Dankesrede sagte sie, die neuen Bundesländer seinen zu Almosenempfängern degradiert worden. Und der Treuhand warf sie staatliche Misswirtschaft vor, die nicht einmal in der DDR vorstellbar gewesen sei. Während einer Podiumsdiskussion am 05.11.2005 berichtete Sie: "Die Preisverleihung wurde zum ersten Mal seit zehn Jahren - seitdem der Preis vergeben wird - von keinem Fernsehsender übertragen." Und: "weder FAZ noch Frankfurter Rundschau wollten, wie sonst üblich, ihre Dankesrede drucken."
(1) Der Tagesspiegel, 08.06.2004
(2) Daniela Dahn: Wehe dem Sieger, rowohlt, 2009, S. 79
(3) Daniela Dahn in Westwärts und nicht vergessen: Vom Unbehagen in der Einheit, Reinbeck 1997
(4) Daniela Dahn in der Sendung Kulturzeit, 3sat, 02.07.2013
(5) Daniela Dahn: Westwerts und nicht vergessen. Vom Unbehagen in der Einheit. Rowohlt Berlin Verlag 1996, S. 82