Treuhand-Sozialisten
Der Vorstand der PDS hat beschlossen, das Vermögensproblem der Partei dadurch zu lösen, dass sie vier Fünftel der noch vorhandenen Werte der Treuhandanstalt übergibt. Doch die Treuhand vertritt keine der Erwartungen, die DDR-Bürger an die PDS haben. Sie sichert weder den Übergang eines einzigen Hauses in Kommunalbesitz noch die abrechenbare Verwendung der Mittel in den ostdeutschen Ländern. Sie sichert nur eines: dem Druck der öffentlichen Meinung so schnell wie möglich durch einen Ablass nachzugeben.
Die Sicherung der Rechtsnachfolge in Vermögensfragen war eines der tragenden Argumente, die zur Bildung der PDS führten. Mit der Verantwortung für die Geschichte der SED wollte man auch die Eigentumsverhältnisse der Staatspartei übernehmen und selbständig umgestalten. Die Vermögensfrage war von diesem Moment an mit der politischen "Erneuerung" engstens verknüpft. Die Kraft zum Bruch mit der Vergangenheit ebenso wie die Fähigkeit zu politischer Phantasie und sozialer Verantwortung - beides musste sich auch in der Vermögensfrage beweisen.
Was hat sich nun gezeigt? Was mit der "Kraft zum Bruch" getan werden sollte, daraus wurde etwa: Wer viel hat, kann viel abgeben. Drei Milliarden an den Staatshaushalt der Modrow-Regierung. Die Zentrag wurde aufgelöst, die Druckereien der Bezirkszeitungen verselbständigt. Dann ging es um einen großen Sozialplan. Immobilien und kleinere Firmen wurden in GmbH umgewandelt, um Arbeitsplätze zu sichern. Ein Fonds in Höhe von 70 Mio. wurde angelegt, um Abfindungen an zu entlassende Parteibeamte zahlen zu können. Aus Parteimitteln wurden neue Firmen gegründet, um weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Sehr sozial - doch nur für sich selbst. Die Normalreaktion eines Rückzugs, kein Bruch, kein politischer Anspruch.
Jetzt steht im Vorstandsbeschluss mit Blick auf die Treuhand: "Die Verwendung für gemeinnützige Zwecke ist zu gewährleisten. Hierzu könnten Stiftungen mit Beteiligung von bekannten Persönlichkeiten ins Leben gerufen werden. Die gemeinnützigen Zwecke gab es auch im Frühjahr schon, die Solidar-Stiftung z. B. gibt es seit April. Soziale Zwecke gibt es erst recht: eine große Stiftung für arbeitslose jugendliche in Deutschland oder für die Gründung der ersten Frauenuniversität in Europa. Das hätte die Fähigkeit, über den eigenen Schüsselrand hinauszublicken, bezeugen können.
Doch so weit ging man nicht - aus Eigennutz, und so weit geht man nicht - aus Angst. Jetzt ist es der "politische Spielraum" der fehlt. Es fehlt immer etwas, wo der eigene Wille fehlt. Die Treuhandanstalt muss zustimmen, doch die Demokratischen Sozialisten müssen handeln. Das ist die Logik der Politik, und das ist auch die Rechtslage. Die Privatisierungsanstalt des "Volkseigentums" zuletzt als Vollstrecker und Richter in der Vermögensfrage anzuerkennen, bedeutet in Wahrheit, den versprochenen neuen politischen Ansatz noch nicht gefunden zu haben. In der Vermögensfrage zeigt sich bis in den jüngsten Beschluss hinein, dass die "Erneuerung" auf die gleiche Weise betrieben wird wie früher die Ausübung der Macht: eng, scheinheilig und selbstbezogen.
die andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Nr. 47, Mi. 22.11.1990