Endgültige Entscheidung

Zu der Entscheidung von Bündnis 90 und den Grünen in Berlin, nicht zusammen mit der CDU in den Magistrat zu ziehen, befragte die taz Jürgen Roloff, Abgeordneter des Neuen Forum in der Stadtverordnetenversammlung. Roloff nahm für das Bündnis in der Arbeitsgruppe "Jugend und Sport" an den Verhandlungen teil.

taz: Ist die Entscheidung, nicht in Berlin mit SPD und CDU zu regieren, eine endgültige und wird sie von der Basis getragen?

Jürgen Roloff: Für mich ist sie endgültig. Wir haben in den letzten Tagen in Versammlungen die Basis befragt, Bärbel Bohley im Prenzlauer Berg und ich in Köpenick, die anderen Abgeordneten in ihren Stadtbezirken. Nach meiner Einschätzung tragen gut zwei Drittel der Mitglieder unsere Entscheidung.

Was spricht grundsätzlich gegen eine Magistratsbeteiligung?

Wir haben vor der Wahl erklärt, dass für uns ein Zusammengehen mit einer Altpartei nicht in Frage kommt. Wenn Schwierzina [Oberbürgermeister in Berlin] nicht lesen kann, ist das sein Problem. Ich bin seit dem 14. September Mitglied des Neuen Forum und habe einige Stasi-Zuführungen erlebt. Gegen die Blockflöte CDU verspüre ich daher eine starke Abneigung. Sie hat sich von rot über grau nach schwarz gewendet.

Gibt es außer den moralischen Vorbehalten noch andere?

Das von der SPD am Montag vorgestellte Koalitionspapier geht in wichtigen Punkten hinter das zurück, was in den rot-grünen Arbeitsgruppen ausgehandelt wurde: Verfassungsschutz, Zusammensetzung der Stadtbezirksräte und anderes. Die SPD ist ohne Kompetenz in die Verhandlungen eingetreten. Sie hat unsere programmatischen Vorschläge aufgegriffen und in den Verhandlungen mit der CDU relativiert.

Wo bestanden in deiner Arbeitsgruppe, Jugend und Sport, unterschiedliche Auffassungen zwischen Bündnis 90 und SPD?

Unter anderem in der Frage der Olympiade. Die SPD spricht sich eindeutig für Berlin als Olympiastadt aus. Wir dagegen wollen erst einmal einen Kostenvoranschlag sehen. Die Gelder können sicherlich sinnvoller in die Sanierung der Stadt gesteckt werden. Außerdem drängt sich der Vergleich mit 1936 auf. Ich befürchte, falls die Entscheidung für eine Olympiade in der Stadt fällt, dass der Nationalismus von neuem aufkocht.

Habt ihr euch vor eurer Entscheidung mit Vertretern der AL beraten?

Wir sind im Gegensatz zur CDU und zur SPD eigenständig. Wir haben zwar mit Westberliner Freunden gesprochen, aber unsere Entscheidung allein getroffen.

Hat die Senatskrise in West-Berlin euer Nein zur Koalition beeinflusst?

Sicher. Die AL hat durch ihre Regierungsverantwortung und im Schatten Mompers [Regierender Bürgermeister von Berlin] an Substanz verloren. Im Prinzip kann sie SPD-Entscheidungen nur noch abnicken. Vor uns liegt ein heißer Herbst. Nach dem 2. Juli werden die sozialen Konflikte aufbrechen. In der Regierungsverantwortung hätten wir Entscheidungen gegen die Wähler mitzutragen, in der Opposition können wir uns an die Spitze des Protestes stellen. Wir waren im Herbst in der Opposition, und sind es jetzt wieder.

Wie stellt ihr euch die Zusammenarbeit mit der PDS auf der Oppositionsbank vor?

Für mich gibt es in Sachfragen keine Berührungsängste, weder mit rechts noch mit links. In der PDS gibt es integre Leute, mit denen man punktuell zusammenarbeiten kann.

Ihr habt angeboten, Kandidaten für Stadtratsposten aufzustellen. Ist das nicht ein verklausulierter Einstieg in die Koalition?

Auf dieses Angebot wird sich Schwierzina nicht einlassen. Und wir treten nicht ab, ohne so noch einmal die Knackpunkte klarzumachen. Und andererseits hätten wir natürlich nichts gegen einen Stadtrat Schult für das Ressort "Innere Sicherheit".

Interview: Andre Meier

aus: taz-Ost Nr. 3114 vom 23.05.1990


[In Ostberlin gab es einen Oberbürgermeister und in Westberlin einen Regierenden Bürgermeister.]

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