LEITSÄTZE
liberal-demokratischer Politik heute

Positionen der LDPD im Prozess der demokratischen Erneuerung unseres Landes

Unser Vaterland, die Deutsche Demokratische Republik, ist in Gefahr. Innere Widersprüche, lange angestaut und verdrängt, brechen auf und bewirken soziale und politische Konflikte. Die Gesellschaft befindet sich in einer tiefen Krise. Die Bürger haben kein Vertrauen mehr in die politische Führung.

"Das Volk sind wir" - mit diesem Sturmruf wendet sich die Bevölkerung unseres Landes gegen unerträgliche Machtarroganz und politische Ignoranz. Das Volk beginnt, seine Souveränität zu verwirklichen. Die Angehörigen aller Klassen und Schichten befinden sich im Aufbruch. Das hat es so in der deutschen Geschichte noch nicht gegeben. Damit erhält die Idee des Sozialismus auf deutschem Boden eine neue Chance: Die Bürger machen ihn zu ihrer Sache.

Von dieser Position aus wollen wir bewahren, was an Errungenschaften gemeinsam erkämpft und erarbeitet wurde.

Die LDPD hat schon zu einer Zeit, als ihr dafür Repressalien drohten, öffentlich erklärt, unser Land brauche eine neue Politik, es brauche den Umbruch von der Zustimmungs- zur Mitbestimmungsdemokratie, von Schönfärberei und Lüge zur politischen Wahrheit, von bündnispolitischen Proklamationen zur gleichberechtigten Zusammenarbeit der Parteien. Das spricht uns jedoch nicht frei. Auch die LDPD trägt Mitverantwortung für die Lage, in der sich die DDR befindet. Sie hätte viel früher und nachdrücklicher die Politik der SED öffentlich zurückweisen müssen. Die kritische Besinnung auf die Verantwortung einer Partei gegenüber dem Volk gibt uns, der LDPD, die Legitimation, nicht nur erneut die Stimme zu erheben, sondern noch fordernder, noch drängender in die gesellschaftlichen Prozesse, in die politische Willensbildung, in die Entscheidungsabläufe und Gestaltungsvorgänge einzugreifen.

Für die LDPD erhält die Verpflichtung, politischer Interessenvertreter zu sein, eine neue Sinngebung. Die Politik der LDPD als Volkspartei ergibt sich aus ihrem Verständnis von der Deutschen Demokratischen Republik als einem Staat des ganzen Volkes und aus ihrem Willen, liberale, demokratische und humanistische Ideale und Zielstellungen einzubringen und durchzusetzen. Was wir schon für Sozialismus hielten, sind erst Grundmauern einer neuere Gesellschaftsordnung, die es möglich machen kann, die Verheißung der Französischen Revolution: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" auch zu realisieren. Wir halten die kritische Aufarbeitung der Geschichte unseres Landes für zwingend geboten. Untersucht werden muss, wie es wiederholt zu Machtmissbrauch, Stagnation und Personenkult kommen konnte. Es darf nicht zugelassen werden, dass sich die dafür verantwortlichen Politiker aus der Verantwortung stehlen; sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Die deutsche Nation lebt seit 40 Jahren in zwei Staaten. Existenz und Gedeihen der DDR als souveräner Staat sind von fundamentaler Bedeutung für die Kräftekonstellation in Europa und damit für Frieden und Sicherheit, die auf dieser Kräftekonstellation beruhen. Was in der DDR geschieht, hat immer eine europäische Dimension.

Wir sind für ein "europäisches Haus", in dem beide deutsche Staaten ihren Platz haben und das für die Zukunft die demokratische und damit für alle in Europa annehmbare Lösung der nationalen Frage auf deutschem Boden ermöglicht. Die Konföderation, für die wir vor 30 Jahren eingetreten sind, kann dabei eine nützliche Form sein.

Heute geht es darum, die Entwicklung gutnachbarlicher, kooperativer Beziehungen zwischen der DDR und der BRD als permanenten Prozess zu verstehen und eine Politik zu gestatten, die den Menschen dient.

Wir begrüßen und unterstützen die Reformbewegungen in allen sozialistischen Staaten, auch und gerade in jenen Ländern, in denen sie noch als konterrevolutionär diffamiert und verfolgt werden. Wir verurteilen den Einmarsch der Nationalen Volksarmee und der Truppen weiterer Staaten des Warschauer Vertrages in die ČSSR im Jahre 1968 sowie die blutige Niederschlagung von Volksbewegungen in Ungarn, Polen und China. Wir schämen uns der Zustimmungserklärungen, die namens der LDPD abgegeben wurden und bitten die Völker um Entschuldigung. Solidarität ist viel umfassender, als wir sie bisher verstanden. Sie umschließt Menschen überall auf der Welt, die auf sich allein gestellt oder gemeinsam mit anderen für die Freiheit der Völker und für ihre Bürgerrechte kämpfen und leiden.

Die LDPD erstrebt eine gesellschaftliche Ordnung,

- die die politischen Rechte und Freiheiten jedes Bürgers genauso garantiert, wie sie seine sozialen Rechte und Freiheiten verwirklicht;

- die auf Leistung und Kompetenz gleichermaßen beruht wie auf Toleranz und Moral;

- die ohne Demokratie nicht sein kann, und die nicht gebunden ist an festgeschriebene "eherne" Machtstrukturen.

Politische Führung durch Parteien kann nicht vererbt und nicht in der Verfassung verordnet werden. Politische Führung hat zu tun mit der Fähigkeit, die Interessen der Bürger wahrzunehmen, Vertrauen zu erwerben, Mehrheiten zu bilden, sich demokratischem Urteil zu unterwerfen. Parteien und Staat müssen getrennt ihren von der Verfassung bestimmten Platz ausfüllen. Wirtschaft, Volksbildung, Kultur und Wissenschaft unterstehen allein den zuständigen Volksvertretungen und den von diesen beauftragten Staatsorganen. Die Nationale Volksarmee dient der Republik, nicht einer Klasse. Die Kampfgruppen, die der SED unterstehen, sind aufzulösen.

Die LDPD wird in jedem gesellschaftlichen Bereich und auf allen Gebieten der Staatspolitik initiativ sein. Die LDPD handelt als eine Partei unter anderen Parteien. Sie ist verpflichtet dem Willen des Volkes und aufgefordert, den Interessen ihrer Mitglieder und aller Bürger zu dienen, die sich der Partei verbunden fühlen.

Die LDPD ordnet der demokratischen Erneuerung des Landes alles unter. Sie hat Regierungsverantwortung übernommen, weil die Krise, in der sich die DDR befindet, nur gemeinsam bewältigt werden kann. Die LDPD hat die Freiheit, die Koalition zu verlassen. Sie hat die Freiheit, in der Volkskammer und in allen Volksvertretungen ihr Abstimmungsverhalten von Entscheidung zu Entscheidung neu zu bestimmen. Die LDPD ist keine Blockpartei und nicht länger Teil der Nationalen Front. Die Haltung der Partei hängt ab von der Einhaltung der Koalitionsabsprachen durch die Partner und vom politischen Handlungsraum im Alltag. Die LDPD jedenfalls will und wird verlässlich sein.

Die LDPD ist in Opposition zu allen gesellschaftlichen und politischen Kräften und zu allen Absichten und Entscheidungen, die der demokratischen Erneuerung entgegenstehen, die sie behindern, die sie bremsen und zu hintertreiben suchen.

Für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

I.

Die Macht gehört dem Volk. Davon ausgehend erklärt die LDPD: Die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik ist das höchste Machtorgan. Alle entgegenstehenden Festlegungen und Regeln, auch und gerade die ungeschriebenen, sind wirkungslos; wer sie weiter durchzusetzen sucht, wird zur Verantwortung gezogen. Das gilt analog für alle Volksvertretungen; die Fraktionen der LDPD werden eine wichtige Aufgabe darin sehen, die Autorität der Vertretungskörperschaften in diesem Sinne sichern zu helfen.

Stellung und Aufgaben der Regierung der DDR sind neu zu bestimmen. Maßstab ist die Verfassung. Sie legt fest, dass die Regierung allein der Volkskammer verantwortlich ist und durch sie kontrolliert wird.

Die LDPD tritt für eine tiefgreifende Verwaltungsreform ein und wird hierzu ihre Vorschläge und Vorstellungen einbringen. Stichworte sind: Vereinfachung der Strukturen, Durchschaubarkeit und Bürgernähe; rigorose Einschränkung des Verwaltungsaufwandes (Entbürokratisierung); Freistellung von Arbeitskräften (und deren vorrangiger Einsatz im Bereich des Dienstleistungssektors im weitesten Sinne); Durchsetzung des Leistungs- und Kompetenzprinzips beim Einsatz der Mitarbeiter.

Der Gedanke, ein Verfassungsgericht zu schaffen und Verwaltungsgerichte aufzubauen, entspricht Vorschlägen der LDPD. Sie gehen dahin, Machthandhabung zu kontrollieren, ihre Gesetzlichkeit und Rechtmäßigkeit zu prüfen und Machtmissbrauch zu verhindern.

Was die DDR braucht, sind demokratische Mechanismen (und die Gewährleistung ihres Funktionierens), die die Erhebung von Staatsorganen, Parteien oder Personen über die Souveränität des Volkes und der vom Volke gewählten Vertretungen künftig ausschließen. Die LDPD spricht sich dafür aus, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Sie tritt für die Wiederherstellung der Länder der DDR ein sowie dafür, erneut das Amt des Präsidenten der DDR zu schaffen. Der demokratischen Kontrolle durch die Volksvertretungen und die Öffentlichkeit unseres Landes sind die Schutz- und Sicherheitsorgane zu unterwerfen. Das ist durch Gesetz zwingend vorzuschreiben.

Die LDPD betrachtet die Durchsetzung des Kompetenzprinzips als eine der entscheidenden Bedingungen für Innovationen auf allen Gebieten, insbesondere auch in den Leitungs- und Führungsetagen der Staatsorgane und der Wirtschaft sowie in den Bereichen der Kultur-, Bildungs-, und Wissenschaftspolitik. Das bedeutet: Überprüfung und Neubestimmung der Kaderpolitik, die ebenfalls demokratischer Offenheit und Öffentlichkeit zu unterwerfen ist.

II.

Die LDPD ist für öffentliche Diskussionen und rasche Verabschiedung von Gesetzen grundlegenden Charakters. Die LDPD schlägt vor:

1. Ein Wahlgesetz, das die geheime Wahl garantiert, Manipulationen ausschließt und die Entscheidung zwischen Parteien, die für eigene Programme einstehen, zwingend macht. Die Wahrnehmung von Mandaten und Wahlfunktionen der Volksvertretungen sind zeitlich zu begrenzen. Es sind Regelungen zu treffen, die Ämterhäufung ausschließen.

Die neue Wahlgesetzgebung ist verbunden mit der Legalisierung von Bürgerbewegungen und Initiativen zur Neubildung von Parteien.

2. Ein Parteiengesetz sowie ein Vereinigungsgesetz, das Zulassung und öffentliches Auftreten von Organisationen und Bürgerbewegungen auf der Grundlage der Verfassung regelt. Dabei ist von dem Prinzip auszugehen, dass politische Strukturen nicht festgeschrieben werden können.

3. Ein Demonstrationsgesetz, das jedem das Bürgerrecht garantiert, sich gemeinsam mit anderen zu versammeln, auch auf Straßen und öffentlichen Plätzen, um Interessen zu artikulieren und ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.

4. Ein Gesetz über die Meinungs- und Pressefreiheit, das Bürgern, Parteien, Organisationen und überhaupt allen gesellschaftlichen Kräften ungehinderten und gleichberechtigten Zugang zu den Medien garantiert.

5. Ein Gesetz, das die kommunale Selbstverwaltung regelt und die Befugnisse der örtlichen Volksvertretungen, ausgehend von der Verfassung, neu fixiert.

6. Ein Richtergesetz sowie ein neues Gerichtsverfassungsgesetz; die Unabhängigkeit der Richter ist unter allen Umständen zu gewährleisten.

Die LDPD hält es für dringend geboten, das Strafgesetzbuch zu überarbeiten und politische Strafrechtsbestimmungen zu eliminieren. Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus, Völkerverhetzung und Kriegsverherrlichung sind - auf der Grundlage genauer Definitionen - auch weiter strafrechtlich zu ahnden.

Die LDPD setzt sich für freie Religionsausübung ein. Die Trennung von Staat und Kirche erachten wir als gute Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit allen Religionsgemeinschaften zum Wohle unseres Landes. Wir würdigen die unterstützende Rolle der Kirche bei der Artikulierung des Volkswillens.

III.

Die LDPD tritt für eine gediegene Bildung des ganzen Volkes ein, frei von ideologischer Verengung, gerichtet auf die staatsbürgerliche Fähigkeit, freiwillig und verantwortungsbewusst das Gemeinwesen mitzugestalten. Die Bildungswege müssen die Individualität der Kinder, Schüler, Lehrlinge, Studenten, jungen Wissenschaftler fördern, sie müssen die soziale, politische und weltanschauliche Differenziertheit in der Gesellschaft berücksichtigen und darauf gerichtet sein, jedem die Chance zu eröffnen, sich für das Ganze selbst zu verwirklichen.

Die LDPD tritt für eine altersgerechte Erziehung ein, die Politisierung vermeidet, aber den Realitäten des Lebens nicht ausweicht und die in einer Übereinkunft mit den Eltern, mit ihren unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen sowie sozialen Orientierungen, erfolgt.

Die LDPD ist für eine Schule, die sich auf das Prinzip der Weltlichkeit, Staatlichkeit und Einheitlichkeit gründet. Weltlichkeit schließt nach unserem Verständnis aus, dass die Schule die Erziehung zu einer bestimmten Weltanschauung vorschreibt. Staatlichkeit bedeutet insbesondere bestimmenden und kontrollierenden Einfluss der Volksvertretungen auf Schule und Schulpolitik. Einheitlichkeit meint gleiche Bildungschancen für alle Kinder de Volkes, unabhängig von der sozialen Herkunft und von weltanschaulichen Bekenntnis und auch unabhängig von den politischen Auffassungen der Eltern und der Schüler selbst. Das gilt für den Übergang zur Erweiterten Oberschule und genauso für die Studienbewerbung.

Für dringlich erachtet die LDPD:

1. Die Neubestimmung des Inhalts der staatsbürgerlichen Unterweisung in den allgemeinbildenden Schulen.

2. Die Neubestimmung des Inhalts des Geschichtsunterrichts, insbesondere was die jüngere Geschichte des deutschen Volkes und die Geschichte der DDR an geht.

3. Die Neubestimmung des Verhältnisses von Jugend bzw. Kinderorganisationen zur Schule.

4. Die Neubestimmung der Rechte der Elternbeiräte und die alsbaldige Neuwahl von Elternvertretungen.

Längerfristig sind ein neues Bildungs- und Erziehungskonzept auszuarbeiten sowie eine Hochschulreform einzuleiten, die eine optimale Erschließung der geistigen Ressourcen unseres Volkes sichern. Die LDPD wird hierzu Vorschläge einbringen.

Die LDPD tritt engagiert für die Belange der Jugend ein Dabei wissen wir: Jugend will die Welt nach ihren Vorstellungen verändern.

Die LDPD hält es für richtig, die Jugend zu fördern, aber für ebenso geboten, die Leistung der Jugend nüchtern zu beurteilen und jeder euphorischen Überbetonung im Interesse des Zusammenhalts aller Generationen entgegenzuwirken.

Die LDPD unterstützt die Arbeit eines Jugendverbandes liberal-demokratischer Orientierung.

Für eine neue Stellung vor Wissenschaft und Kultur

Zur geistigen Erneuerung unseres Landes vertraut die LDPD besonders der Intelligenz. Es ist notwendig, den gesellschaftlichen Status der Intelligenz entschieden anzuheben. Es genügt nicht, die Verantwortung der Intelligenz in Wissenschaft und Technik, in Bildung, Kultur und Kunst, im Gesundheits- und Sozialwesen, der Leiter in diesen und anderen Bereichen gegenüber der Gesellschaft zu betonen. Notwendig ist auch, die Verantwortung der Gesellschaft für die Intelligenz neu zu bestimmen. Dem stehen Tendenzen der Nivellierung und der Gleichmacherei entgegen. Wir fordern und setzen uns dafür ein, dass das spezifische soziale Profil der Intelligenz mit ihren reichen Traditionen voll zur Entfaltung gebracht wird und dafür die erforderlichen Bedingungen materieller und geistiger Art geschaffen werden.

1. Der Wissenschaft ist für die gedeihliche Entwicklung unseres Landes und seiner Bürger höchste Priorität einzuräumen. Die Gesellschaftswissenschaften dürfen nicht länger „Magd der Politik" sein. Beschlüsse von Parteien und des Staates sind keine Grenzen des Denkens. Von den Wissenschaften erwartet die LDPD geistigen Vorlauf.

2. Freiheit der Wissenschaft bedeutet auch Freiheit von bürokratischer Behinderung und Bevormundung, Forschung ohne Tabus, Vorrang von Kompetenz, offener und öffentlicher Meinungsstreit, ungehinderte Teilhabe am internationalen wissenschaftlichen Leben.

3. Die Selbstbestimmung der Wissenschaften gründet sich auf ein humanistisches Weltbild und weiß um die Dialektik von Risiko und Verantwortung.

4. Kultur und Kunst sind im Verständnis der Gesellschaft auf ihre zivilisatorische, die menschliche Persönlichkeit maßgeblich prägende Rolle neu zu bestimmen. Schöpfertum, Phantasie sowie Wert uni Größe kulturell-künstlerischer Leistungen können nicht dekretiert werden.

5. In diesem Sinne ist eine grundlegend erneuerte Kulturpolitik in allen gesellschaftlichen Bereichen notwendig. Mit den agitatorischen Verkürzungen und Vereinfachungen bei der Funktionsbestimmung von Kultur und Kunst, mit den Eingriffen in kulturell-künstlerische Prozesse der Vergangenheit ist Schluss zu machen.

6. Die Unersetzlichkeit der Künste ist nicht länger nur zu proklamieren. Den Besonderheiten ihrer Arbeit entsprechend ist den Künstlern national wie international der Freiraum zu geben, ohne den die Künste nicht gedeihen können. Zensur und Gängelei schaden ihnen wie der Gesellschaft. Sie darf es nie mehr geben. Zur geistigen Erneuerung unseres Landes brauchen wir hohe künstlerische Leistungen zuerst hier.

Für eine gerechtere Sozialpolitik

Die LDPD engagiert sich für eine Sozialpolitik, die Errungenschaften bewahrt und gleichzeitig darauf ausgerichtet ist, sowohl Versäumnisse wettzumachen und Fehlentwicklungen zu korrigieren als auch neue Bedürfnisse zur Kenntnis nimmt und schrittweise befriedigt.

Insbesondere setzt sich die LDPD für den Abbau der faktischen Benachteiligung der Frauen ein, so

- für die Überwindung ihrer völlig unzureichenden Vertretung in allen Entscheidungsgremien;

- für die Aufhebung der Arbeitsteilung, die zu Lasten der Frau geht und sie diskriminiert;

- für die Reform des Lohngefüges im Interesse der werktätigen Frauen;

- für die Neubestimmung der öffentlichen Frauenförderung (Verkürzung der Wochenarbeitszeit, differenzierte Erhöhung der Renten, Unterstützung alleinstehender Frauen, Einrichtung von Frauenzentren u. a. m.)

Der DFD hat als Interessenvertreter versagt und Reformwilligkeit bisher nicht erkennen lassen. Die LDPD unterstützt daher die Bildung alternativer Frauengruppen.

Auf dem Gebiet des Gesundheitswesens hält die LDPD es für erforderlich

1. Eingeleitete Sofortmaßnahmen konsequent durchzuführen und zu erweitern. Dazu gehören:

•- eine einheitliche Unterstellung aller medizinischen Einrichtungen und medizinischen Dienste,

•- Unterstützung des Gesundheitswesens durch Arbeitskräfte, handwerkliche Dienstleistungen, Übernahme von Betreuungsaufgaben usw.,

•- hohe Motivation der Ärzte, Zahnärzte, der Schwestern und anderer im Gesundheitswesen tätiger Kräfte, Anhebung der Autorität besonders der Ärzte einschließlich der ideellen und materiellen Anerkennung ihrer Leistungen,

•- Gewährleistung der freien Niederlassung entsprechend den territorialen Notwendigkeiten.

2. Für langfristige Veränderungen sind jetzt Arbeitsschritte einzuleiten:

•- Erarbeitung eines neuen Konzepts des Gesundheits- und Sozialwesens,

•- Neubestimmung der Ausbildung von Ärzten und Zahnärzten,

•- höhere Mitverantwortung der gesamten Gesellschaft für das Gesundheitswesen,

•- Bildung einer selbständigen, von Parteien und von staatlichen Eingriffen unabhängigen Vereinigung als Interessenvertreter der Ärzte und Zahnärzte so wie zum Zweck der Traditionsbildung, des wissenschaftlichen Lebens, der ethischen Werte, der Nachwuchsförderung und des Ansehens der Ärzteschaft

•- Maßnahmen zur materiellen Sicherstellung des Gesundheits- und Sozialwesens.

Einen völlig neuen Stellenwert muss die Fürsorge der Gesellschaft für Behinderte einnehmen. Ihre gleichberechtigte im Alltag uneingeschränkte Teilnahme an der gesellschaftlichen Prozessen unseres Landes, ihre Persönlichkeitsentfaltung muss durch die Förderung des öffentlichen Bewusstseins und gezielte Maßnahmen gewährleiste werden. Die LDPD respektiert und begrüßt die Initiative von Behinderten, ihre Interessenvertretung durch die Bildung eines Behindertenverbandes in die eigene Verantwortung zu nehmen. Sie bietet dem sich bildenden und den existierenden Verbänden Behinderter ihre politisch Unterstützung und praktische Hilfe an.

Die LDPD setzt sich dafür ein, dass die sportliche Betätigung vieler Bürger auch weiterhin zum Alltag in der DDR gehört. Staatliche Unterstützung ist im Einvernehmen mit der Sportbewegung neu zu bestimmen. Das Streben nach Höchstleistungen darf nicht zu Lasten des Breitensports gefördert werden. Die Demokratisierung unserer Sportbewegung ist fortzuführen.

Für eine neue Wirtschaftspolitik

I.

Die demokratische Erneuerung der DDR muss einhergehen mit einer Wirtschaftsreform, die die Innovationskräfte unseres Volkes freisetzt, die das Anwachsen verfügbaren Nationaleinkommens auf der Grundlage von Wissenschaft und Technik ermöglicht und soziale Besitzstände im Kern enthält. Ausgangspunkt, Grundlagen, Zielstellungen und Mittel der Wirtschaftsreform sind durch die Volkskammer zu beschließen und durch gemeinsame Anstrengungen zu verwirklichen. Die LDPD ist für eine Rahmenplanung, die am Markt orientiert ist, höchste Flexibilität und wirtschaftlichen Wettbewerb gewährleistet.

Vordringlich in Angriff zu nehmen sind folgende Aufgaben- und Problemfelder:

1. Die volkswirtschaftliche Situation muss rückhaltlos offengelegt werden, um die dringlichsten Aufgaben für das Jahr 1990 festlegen zu können;

2. Ausarbeitung einer langfristigen Wirtschaftsstrategie, die auf der nüchternen Einschätzung unserer Möglichkeiten und des ökonomischen, wissenschaftlich-technischen und intellektuellen Potentials beruht.

Vorstellungen der LDPD lassen sich so zusammenfassen:

•- Weiterführung der wissenschaftlich-technischen Revolution auf einem Niveau, das alle Vorzüge der internationalen Zusammenarbeit nutzt und auf eine hohe Lebens- und Umweltqualität gerichtet ist. Ungehinderte Entfaltung der Natur- und Technikwissenschaften;

•- Ausgestaltung unserer Gesellschaft als Leistungsgesellschaft. Das schließt neues Herangehen an die Durchsetzung des Leistungsprinzips, Neubestimmung der Subventionspolitik und damit der Preispolitik ein;

•- Beschränkung der zentralen Leitung und Planung auf Grundfragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Uneingeschränkte Eigenverantwortung der Kombinate, Betriebe, Genossenschaften und Territorien sowie Steuerung ihrer Tätigkeit mit ökonomischen Mitteln und Normativen. Drastischer Abbau von Verwaltung und Bürokratie. Keine Partei darf Organisationen in den Betrieben, Verwaltungen und Einrichtungen haben. Tätigkeit von Gewerkschaften als einzige autorisierte Organisation in den Betrieben;

•- Sinnvolle Einordnung der Volkswirtschaft der DDR in die internationale Arbeitsteilung, vor allem durch Herausbildung neuer Kooperationsformen, wie ausländische Kapitalbeteiligungen und -investitionen, joint ventures. Schrittweiser Abbau des Außenhandelsmonopols des Staates;

•- Gesundung der Staatsfinanzen und der nationalen Währung und Ausbau ihrer Mechanismen; Schutz der Währung und Garantie der Spareinlagen;

•- Herausbildung eines ökonomisch begründeten Verhältnisses zwischen Großbetrieben in Gestalt der Kombinate und kleinen und mittleren Betrieben, vor allem in der Industrie und im Bauwesen. Das schließt die Entflechtung bestimmter Kombinate und die Überwindung vorhandener Produktionsmonopole ein;

•- Volle Entfaltung privater Initiative einschließlich Bildung von Privatbetrieben und Zulassung anderer - neben Volkseigentum und Genossenschaftseigentum - Eigentumsformen, z.nbsp;B. Gesellschaften wie Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften in allen Bereichen der Volkswirtschaft;

•- Neubestimmung der volkswirtschaftlichen Strukturen und der Investitionspolitik mit dem Ziel der Konsolidierung der materiell-technischen Basis, der Überwindung von Disproportionen und der Herausbildung von effektiven Erzeugnislinien, die den Bedingungen der DDR entsprechen;

•- Ausbau der Infrastruktur, vor allem Sicherung der technischen Infrastruktur;

•- Festlegung neuer Prioritäten im Bauwesen. Vorrang haben innerstädtisches Bauen, insbesondere Werterhaltungs- und Reparaturarbeiten an der Altbausubstanz, um unwiederbringliche kulturelle und materielle Werte zu bewahren. Die Bauwirtschaft ist entsprechend zu strukturieren und zu organisieren. Den Genossenschaften und dem privaten Baugewerbe sind weite Räume der Mitarbeit zu öffnen;

•- Durchgreifende Reform des Großhandels, einschließlich der Möglichkeit für einen privaten Großhandel sowie Neugestaltung der Beziehungsmechanismen zwischen Produktion und Handel;

•- Ausgestaltung der Agrarpolitik und umfassende Förderung einer engen Verbindung leistungsstarker landwirtschaftlicher Produktion mit der Entwicklung der Dörfer. Das bedingt Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit für LPG. Einleitung von Sofortmaßnahmen, um die Modernisierung der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft zu beschleunigen und die Ersatzteilversorgung für die Landtechnik zu verbessern;

•- Ausarbeitung eines neuen Handwerks- und Gewerberechts sowie grundlegende Reformen der Preis-, Steuer-, Kredit- und Tarifpolitik in Handwerk und Gewerbe. Sicherung gleichberechtigter ökonomischer Beziehungen der Handwerker und Gewerbetreibenden in der Volkswirtschaft;

•- Genossenschaftliche Selbstverwaltung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks. Zulassung produzierender Genossenschaften.

•- Gewerbefreiheit auf der Grundlage eines Befähigungsnachweises des Bewerbers. Entwicklung der Handwerkskammer zur selbständigen Berufsorganisation.

•- Bildung von Industrie- und Handelskammern nach der Zulassung privater Unternehmensformen. beruht.

II.

Die LDPD hält es angesichts der globalen Dimension der Umweltprobleme für unerlässlich, von der Notwendigkeit ressourcensparender Produktion und ressourcenschonender Lebensweise auszugehen. Folgende Aufgaben sind von besonderer Dringlichkeit:

1. Offenlegung der Umweltsituation in der DDR in einer Nationalen Umweltkonferenz im Jahre 1990 unter Teilnahme aller Öko-Gruppen.

2. Neubestimmung der Hauptrichtungen der Umweltpolitik:

•- Konsequente Einführung abproduktarmer Technologien unter Nutzung internationalen Technologietransfers;

•- Bedeutende Erhöhung der Produktion moderner Umweltschutztechnik als Bestandteil der volkswirtschaftlichen Umstrukturierung;

•- Beschleunigte Nachrüstung vorhandener Produktionsanlagen und generelle Neuausstattung von Investitionsvorhaben mit moderner, leistungsfähiger Umweltschutztechnik.

3. Neufassung des Landeskulturgesetzes und weiterer rechtlicher Regelungen mit dem Ziel der Aktualisierung, Vereinheitlichung und größerer Übersichtlichkeit

4. Zusammenführung aller für die Kontrolle von Wasser, Luft, Boden, Lärm und Naturschutz zuständigen Umweltkontrollorgane zu einer staatlichen Umweltinspektion.

5. Behandlung bzw. Berücksichtigung ökologischer Aufgaben- und Problemstellungen an den Schulen in der Berufsausbildung, an den Hoch- und Fachschulen sowie überhaupt bei der Erziehung und Bildung der jungen Generation.

Die LDPD wird ihre Möglichkeiten einsetzen und ihren Einfluss nutzen, um das öffentliche Bewusstsein für den Umweltschutz zu schärfen und konkrete Schritte zur Verbesserung der ökologischen Situation durchsetzen.

Eine Grundsatzkommission, eingesetzt vom Politischen Ausschuss des Zentralvorstandes, ist dabei, unsere politischen Standpunkte und gesellschaftlichen Zielvorstellungen zusammenzufassen und ein "Programm der LDPD" als liberaler und demokratischer Volkspartei zu entwerfen. Ausgangspunkte sind Vorschläge, Forderungen und Ideen der Mitglieder, die hiermit erneut aufgerufen sind, in die Programmarbeit aktiv einzugreifen; in der Grundsatzkommission entwickelte Entwürfe werden veröffentlicht und sind als Grundlage für die demokratische Mitarbeit aller gedacht.

Die LDPD handelt als Partei des Friedens, der Demokratie und des Fortschritts für den Bürger. Weltanschaulich offen, verfolgt sie eine Politik, die, gestützt auf den Willen der Mitglieder und getragen von der Sympathie vieler Bürger aus allen Schichten, darauf gerichtet ist, die Erneuerung der DDR voranzutreiben und unumkehrbar zu machen. In diesem Sinne wird sich die LDPD eine neue Satzung geben

Der Morgen, Di. 05.12.1989

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