FDJ-Haus besetzt!

Jugendgruppierungen befürchten, belogen zu werden

"BESETZT" ist in großen, leuchtenden Lettern auf den Fußweg geschrieben, "nicht verkaufen", verkündet ein langes Tuch, das an der Hauswand vom ehemaligen Zentralrat der FDJ Unter den Linden in Berlin weht. Am Dienstagabend [20.02., Besetzung 21.02.] haben die Vertreter des Zentralen Runden Tisches der Jugend beschlossen, dieses Gebäude zu besetzen. Worum geht es? Der "Morgen" sprach darüber mit Rudi Pahnke von der Kommission kirchlicher Jugendarbeit und Teilnehmer am Runden Tisch im Anschluss an die gestrige Pressekonferenz.

DM: Was hat euch zu dieser Aktion veranlasst?

R. PAHNKE: Trotz Zusicherung seitens der FDJ, es liefen keinerlei Verhandlungen über kommerzielle Nutzung des Hauses und an Verkauf des hiesigen Mobiliars denke man nicht, wurden wir durch die Räumarbeiten in den letzten Tagen und Wochen in unserer Annahme bestärkt, von der FDJ hintergangen zu werden. Wir wollen verhindern, dass fremde Hausherren das Gebäude übernehmen und technische Angestellte feuern. Es geht uns letztendlich nicht nur um dieses Gebäude speziell, sondern um die derzeitige Tendenz in unserem Land, unter dem Deckmantel der Privilegien-Beseitigung Rechte der Jugend einzuschränken, ihre Mittel drastisch zu senken.

DM: Wie reagierten die Mitarbeiter vor den ihnen plötzlich verschlossenen Türen darauf?

R. PAHNKE: Viele sehr heftig. Andere, darunter auch der Gewerkschaftschef des Hauses, waren mit diesem Schritt einverstanden Denn auch sie haben den Eindruck, dass die FDJ hinter unserem Rücken Dinge regelrecht verhökert. Auch ihr Vertrauen gegenüber der FDJ ist restlos zusammengebrochen.

DM: Aber wie die Dinge in unserem lande liegen, wird es sich keine Organisation mehr leisten können, ein ganzes Haus, noch dazu in einer solchen Gegend, zu vereinnahmen. Ein gewisser Kommerz ist also unerlässlich?

R. PAHNKE: Das schon, doch es soll ein Haus der Jugend werden, für alle.

DM: Und wer bezahlt?

R. PAHNKE: Wir denken, dass solch eine Einrichtung vom Bund demokratischer Jugend getragen werden könnte, wie es auch international oft gehandhabt wird. Subventionen sind dennoch nötig. Mit der Regierung reden wir seit längerem über gesetzliche Wege, ein Jugendförderungsgesetz beispielsweise.

DM: Wie geht es denn nun in den folgenden Tagen mit dem "Haus der Jugend" weiter?

R. PAHNKE: Im Moment haben wir die Türen wieder geöffnet, um die heftigen Emotionen der Mitarbeiter nicht eskalieren zu lassen, denn unser oberstes Gebot war und ist Gewaltfreiheit. Ob wir mit einer nächsten Besetzung ein erneutes Zeigen setzen müssen, hängt ganz von den Ergebnissen der Gespräche mit der Regierung ab.

Mit Rudi Pahnke sprach
Kerstin Jentzsch

Der Morgen, Nr. 46, Fr. 23.02.1990

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