So nicht, werte Abgeordnete!

Offener Brief der Grünen an die Volkskammer

Angesichts des drohenden Müllnotstandes in der DDR übergab die Grüne Partei (Land Brandenburg) JW einen offenen Brief an die Abgeordneten der Volkskammer. Darin heißt es:

Ausnahmslos alle Parteien hatten in ihren Wahlprogrammen ökologische Forderungen, Gedanken und Versprechen aufgenommen. Es ist nun an der Zeit, diese Versprechen einzulösen. Keiner Partei wollen wir Wohlbetrug nachsagen, aber die Realität entspricht der pessimistischen Erwartung. Gerade die Regierungsparteien müssen vorbehaltlos hinter ihren eigenen Aussagen stehen, sonst werden sie unglaubwürdig, besonders, was die anstehenden kommunalen Probleme angeht.

Und Müll ist ein kommunales Problem. Mit der Marktwirtschaft schwappt eine Müllwelle über uns, für die keine Vorsorge getroffen ist. Mülldeponien sind in verbrecherischer Weise angelegt worden, ohne dass auf irgendwelche ökologischen Zusammenhänge geachtet wurde. Auf diese ohnehin schon überlasteten Müllkippen kommt nun der Abfall der Bierbüchsenzivilisation. Der Ausweg, der uns von der Industrie scheinheilig präsentiert wird, ist die Müllverbrennungsanlage. Erst lässt man ungehindert Zeitungen, Büchsen und Verpackungen ins Land, dann wird das einzige Kombinat, das es zu subventionieren lohnt, kaputtgespielt, dann kommt die High Tech mit der Müllverbrennung.

So nicht, werte Damen und Herren Abgeordnete! Werden Sie Ihrer von uns übertragenen Pflicht gerecht und verwalten Sie dieses Land so, dass wir es guten Gewissens an unsere Nachkommen übergeben können! Die Unterzeichner fordern die vorbehaltlose Unterstützung des SERO-Systems durch die Regierung, bevor etwas Besseres geschaffen wird! Die Unterzeichner fordern Warnung und Aufklärung der Bevölkerung, um die Abfallmisswirtschaft in ein funktionierendes Recycling-System zu verwandeln, die Ansätze sind vorhanden! Das SERO-System leistete eine effektivere Umwelterziehung, als es alle Appelle an das "Bewusstsein" bisher konnten. Recycling ist teuer, teurer aber kommt uns ökonomische Kurzsichtigkeit zu stehen.

Grüne Partei, Brandenburg
Bündnis für Cottbus

Grüne Liga, Umweltgruppe
AG Stadtökologie

Jugendklub Ludwig Leichhardt
Stadtrat für UWE

Junge Welt, Fr. 09.05.1990