Frauen heute

Wir sind auf die Straße gegangen für Veränderungen in diesem Land, haben die Kugel mit ins Rollen gebracht. Nun ist es wieder ruhiger geworden auf den Straßen, das Miteinander wird zum Gegeneinander, und wir drohen mal wieder auf der Strecke zu bleiben, denn die sich abzeichnende Entwicklung, besonders in der Wirtschaft und daraus folgende Umstrukturierungen mit Arbeitslosigkeit und Sozialabbau, droht besonders uns Frauen.

Aber wir dürfen uns nicht in die zweite Reihe drängen lassen!

Wir sind keine Randgruppe der Gesellschaft, unsere Probleme betreffen alle, sind von allgemeinem Interesse.

Was ich mir vorstelle, ist keine Umkehr der Rollen, die Frauen wollen keine Männer darstellen, brauchen keine Männlichkeit zu beweisen; es geht mir um die Besinnung der Frauen auf ihre Fähigkeiten und Eigenschaften. Sie sollten sich dazu bekennen, sie innerhalb ihrer Beziehungen (Partnerschaft, Familie, Beruf usw.) zum Tragen bringen und politisch mobilisieren.

Die Frau muss sich entscheiden können, ob sie eine berufliche Karriere anstrebt, Leitungspositionen übernehmen will, oder sich der Hausfrauentätigkeit widmen möchte, wobei meiner Meinung nach das eine das andere nicht ausschließt, sofern eine stabile, gleichberechtigte und ausgewogene Beziehung zwischen Frau und Mann vorliegt.

Voraussetzung dazu ist eine gesellschaftliche Aufwertung der Kinderbetreuung; typische Frauenberufe (Krankenschwester, Krippenerzieherin, Kindergärtnerin, Verkäuferin, Sekretärin usw.), sind tariflich an typische Männerberufe (Facharbeiter in der Industrie usw.) anzugleichen und eine entsprechende Arbeitsgesetzgebung zu fördern, um z.B. das Babyjahr oder die Freistellung bei Erkrankung der Kinder durch Frauen  u n d  Männer zu garantieren.

Wir Frauen müssen Einfluss nehmen auf Erziehungskonzepte der Gesellschaft, wobei eine rollenfixierte Geschlechtererziehung abgebaut und eine alternative Kinderbetreuung ermöglicht wird. Auch dadurch können Frauen einen stärkeren Zugang zu wissenschaftlichen und technischen Berufen finden, und für Männer werden auch Berufe des sozialen Bereiches (Gesundheitswesen usw.) und der Dienstleistungen (Verkäufer usw.) attraktiver.

Wir Frauen müssen uns weiter aktiv an der Veränderung der Gesellschaft beteiligen, uns politisch engagieren, unsere Fähigkeiten einbringen; Frauengruppen müssen gefördert, Frauenzentren zu kommunalem Interesse werden.

Lassen wir uns nicht beiseite schieben; wir dürfen die Umgestaltung unserer Gesellschaft nicht den Männern überlassen!

Kristin K(...), Grüne Partei

aus: plattFORM Freies Wochenblatt für mündige Bürger, Nr. 6, 13. Februar 1990, auf der Rostocker "Plattform" stehen: Neues Forum, SPD, DA, Grüne Partei, Demokratie Jetzt und Vereinigte Linke


[Die Blätter Bürgerrat und Plattform fusionierten zu Bürgerrat/Plattform Für Bürgerbewegungen und Basisdemokratie. Am 13. Juli 1990 erschien die erste gemeinsame Nummer. Im Oktober 1990 wurde das gemeinsame Blatt eingestellt.]