Ein Jahr Grüne Partei

Erster und letzter Geburtstag

Als sich die Grüne Partei der DDR am 24.11.89 in der Berliner Bekenntniskirche gründete, wurde ganz bewusst nicht die bundesdeutsche Bezeichnung "Die Grünen" gewählt. Eigene Flagge wollte man zeigen, ihr Symbol wurde ein grüner Baum in einem stilisierten Kopf und keine Sonnenblume. Die Notwendigkeit, eine Grüne Partei zu schaffen, wurde vor einem Jahr von vielen Basisvertretern bezweifelt. Man befürchtete die Dominanz durch eine Zentrale mit hauptamtlichen Funktionären. Keine ganz falsche Furcht, immer wieder flackerten Querelen zwischen Vorstand und Landesvertretern auf. Nicht die Filiale einer West-Partei wollten die Gründer ins Leben rufen, sondern parlamentarischer Arm der bis dahin in zahlreiche kirchliche und nichtkirchliche Gruppierungen aufgespaltenen DDR-Umweltbewegung sein. Die langjährigen Kontakte zu osteuropäischen Ökoorganisationen sollten ausgebaut und grüne Vertreter in die politische Verantwortung gehoben werden. Letzteres gelang auch zum Teil, in den Kommunalvertretungen und Landesparlamenten sitzen heute nicht wenige Grüne. Ansonsten blieb vom ursprünglichen Anspruch nicht viel übrig. Zwar hatte die Grüne Partei, allein weil sie Partei sein wollte, über lange Zeiten ein schlechtes Image in den Bürgerbewegungen; jedoch trugen viele Grüne dazu bei, indem sie den Bürgerbewegungen gegenüber konfrontativ, parteitaktisch und wenig kooperativ auftraten. Erst beim Schmieden der Listenvereinigung "Bündnis 90/Grüne" begann ein Teil der DDR Grünen, ihre abwertende Haltung zu den Bürgerbewegungen zu revidieren. Alles in allem ist die Grüne Partei vielleicht "die beste aller Parteien" gewesen, die dieses Land hervorgebracht hat (vielleicht auch deshalb, weil nicht genug Zeit war, sich in Skandälchen zu verstricken oder eine neue Art von Parteidisziplin einzuführen). Jedoch sollten die aus ihr hervorgegangenen Funktionäre die Nasen nicht zu hoch tragen, bekanntlich folgt dann meistens der Absturz. In den strömungspolitischen Scheingefechten der West-Grünen wird noch so manche(r) Ex-DDRler ausgebootet werden. Zum Jahresende hört die Grüne Partei auf, als eigenständige Organisation zu existieren. Die fünf Landesverbände werden zu der "Grünen" (BRD). Der Anschluss der Ex-DDR an den Geltungsbereich des Grundgesetzes lässt auch keine andere Möglichkeit zu. Man sollte sich jedoch hüten, diesen Vorgang als einen Sieg zu verkaufen, denn auch nach einer Vereinigung mit den West-Grünen hat die Ex-DDR-Bevölkerung mit ökologischer Programmatik so wenig am Hut wie heute.

Rüdiger Rosenthal

aus: die andere, Nr. 48, 28.11.1990, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Herausgeber: Klaus Wolfram