"Dieser Übergang ist überflüssig"
Der Sprecher der DDR-Umweltorganisation "Grünes Netzwerk Arche", Carlo Jordan, zum Grenzübergang Schichauweg
taz: Nach dem positiven Al-Delegiertenratsbeschluss ist absehbar, dass der Übergang Schichauweg gebaut wird. Was sagt ihr als DDR-Umweltorganisation zu dem Projekt?
Carlo Jordan: Wir halten diesen Übergang für überflüssig. Wir schlagen vor, die vorhandenen Straßen zu nutzen, die bislang zwar an der Mauer enden, aber im Prinzip funktionierende Landstraßen darstellen.
In West-Berlin hat man ja auch solche Alternativen geprüft. Aber bestehende Straßen würden den Transitverkehr mitten durch Ortschaften wie Großbeeren führen, mit entsprechendem Lärm und Gestank.
Das stimmt sicherlich, wenn es sich um eine Straße handelt. Wir wollen, dass alle Straßen, die in den Süden West-Berlins führen, für den Transit geöffnet werden; dann wäre der Verkehr nicht so konzentriert. Und natürlich müssten bei bestehenden Orten Umgehungsstraßen gebaut werden.
... die natürlich auch über Felder betoniert werden müssten. Habt ihr euch in der "Arche" schon mit den einzelnen Trassenvarianten und ihren ökologischen Folgen intensiv beschäftigen können?
Bislang kaum, weil wir von den Planungen erst vor kurzem erfahren haben, auch die Gruppen vor Ort haben das nur zufällig mitbekommen.
Das heißt also, dass die betroffene Bevölkerung überhaupt nicht von den Behörden unterrichtet worden ist?
Soweit mir bekannt ist, hat es dazu bis jetzt keine Veröffentlichungen in den Zeitungen in dieser Region gegeben.
Das Umweltbewusstsein in der DDR scheint in der Breite der Bevölkerung noch nicht so ausgeprägt zu sein. Kümmert es die Leute eigentlich, dass dort eine neue, breite Trasse durch die Felder geschlagen werden soll?
Ich denke schon, dass die Menschen nicht an der Zubetonierung der Mark Brandenburg interessiert sind, zumal die vorhandenen Straßen in 20 Kilometer Abstand ohnehin auf den Berliner Ring stoßen, wo auch eine Verteilung des Verkehrs leicht möglich ist.
Was erwartet ihr in der DDR von dem neuen SPD/AL-Senat?
Wir erwarten, dass verkehrstechnische Großprojekte möglichst ausgeschlossen werden und dass die vorhandene Infrastruktur behutsam ausgebaut wird. Behutsam heißt hierbei, dass die alten Alleen mit ihren bis zu 150 Jahre alten Bäumen erhalten bleiben. Die müssen ja neuen Verkehrserfordernissen nicht unbedingt weichen, da reicht es oft schon, den Straßenbelag zu erneuern oder mal eine Kurve auszubauen.
Werdet ihr Aktionen gegen die neue Trasse machen?
Wir planen, in nächster Zeit eine Ortsbegehung, eine Exkursion dorthin zu machen. Da werden wir vielleicht auch umweltinteressierte Westberliner zu einladen.
Interview: tr
aus: taz-Berlin Nr. 2822 vom 02.06.1989