Armee muss allein ihrer Auflösung dienen

Seit Mitte Oktober 1989 arbeiten wir in der AG "Entmilitarisierung der Gesellschaft" im Rahmen der Gruppe der 20 in Dresden aktiv an Problemen zum Zivildienst. Die Schaffung einer vollständig entmilitarisierten Zone ist zumindest auf dem Territorium der DDR notwendig und vernünftig. Wir haben in der DDR die Chance, durch den einseitigen Beginn der Entmilitarisierung ein Zeichen zu setzen und den Abrüstungsprozess in Europa und in der Welt in Gang zu bringen. Durch Gespräche mit Vertretern der Militärakademie kamen wir zu der Auffassung, dass eine Armee in diesem Land in Zukunft einzig und allein ihrer eigenen Auflösung dienen muss. Sie darf weder Angriffs- noch Verteidigungscharakter tragen. Grundvoraussetzung hierfür ist die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht in der DDR.

Wir können dem Argument von Minister Eppelmann über eine "bürgernahe Armee" durch die Wehrpflicht nicht zustimmen, da Grundwehrdienstleistende zwar einen großen Teil der Armee ausmachen, jedoch in die Befehlsstrukturen eingebunden sind. Nach unserer Meinung kann die Bürgernähe einer Armee nicht durch den regelmäßigen Austausch der Befehlsempfänger erreicht werden, sondern bestenfalls durch die "Transfusion" der Befehlsgeber.

Eine zukünftige NVA besteht nach der Abschaffung der Wehrpflicht nur noch aus Berufssoldaten. Die Armeeangehörigen könnten sich so einerseits am schrittweisen Umbau und der Überführung von Militärtechnik in die zivilen Bereiche beteiligen und andererseits Umschulungsprogramme absolvieren, um den Übergang in den zivilen Sektor zu vollziehen. Die zunächst erhöhten Kosten für den Abrüstungsprozess könnten über die Einsparung der sich unmittelbar aus der allgemeinen Wehrpflicht ergebenen Mittel bereitgestellt werden.

Steffen H(...),
AG "Entmilitarisierung der Gesellschaft"
Dresden, 8060

Neues Deutschland, Mi. 30.05.1990, Jahrgang 45, Ausgabe 124