Frauenzentrum Alternative für manche Marzahnerlnnen
"Wer sich nicht wehrt, kommt an den Herd", dieser Spruch ist für etliche Frauen bereits zur greifbaren Gefahr geworden. So tauchten Mitte März im VEB Entwicklungs- und Musterbau, einem Büroneubau in der Rhinstraße 44, erste Gerüchte um eine "Gesundschrumpfung" auf. Sie ließen vor allem die etwa 170 Mitarbeiterinnen nichts Gutes ahnen. Mit einer von ihnen, der 52jährigen Ingeborg G(...), zur Zeit noch als Betriebsorganisator tätig, kamen wir ins Gespräch.
Eine Frauengruppe im Betrieb was versprechen Sie sich davon?
Wir wollten uns gegenseitig ermutigen, sich nicht einfach ausbooten zu lassen.
Also vorrangig moralische Unterstützung?
Nicht nur. Noch gibt es ja handfeste rechtliche Grundlagen wie das Arbeitsgesetzbuch, auf das wir uns berufen. Wenn jetzt die Gespräche mit den Mitarbeiterlnnen geführt werden, kommt es darauf an, dass sie ihre Rechte kennen und einfordern.
Werden Sie Kündigungen verhindern können?
Da geben wir uns keinen Illusionen hin. Einigen Frauen bietet man sicher Arbeit im Produktionsbereich Herzfelde, er liegt noch hinter Strausberg. Die meisten leben aber mit ihren Familien in Marzahn. Unsere Gruppe will bei Kündigungen über den Betrieb hinaus wirken. Zu diesem Zweck entwickelten wir das Projekt Frauenzentrum Marzahn.
Mit welchem Ziel?
Unsere Erfahrungen werden sehr bald viele Frauen machen. Wir wollen das Solidaritätsgefühl untereinander stärken. Außerdem bieten wir einem solchen Objekt mit Beratungsstellen, mit ganztägiger Kinderbetreuung für Frauen, auf Arbeitsuche sind, mit Caféhausbetrieb oder Bibliothek und Nähstube auch Arbeitsplätze für einige Marzahnerlnnen.
Wie finanziert sich diese rote Idee?
Den größten Teil werden wir selbst tragen. Neben dem sozialen Ziel eines gemeinnützigen Vereins müssen wir also auch kommerzielle Gesichtspunkte beachten. Hier brauchen wir die Ideen der Frauen selbst.
Das Gespräch führte
SABINE SCHULZ
aus: Neues Deutschland, Jahrgang 45, Ausgabe 95, 24.04.1990, Sozialistische Tageszeitung. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.