BRD-Frauen sind Verbündete
Frauen aus beiden deutschen Staaten trafen sich zum Erfahrungsaustausch
Das Recht der Frauen, selbst zu entscheiden ob und wann sie ein Kind zur Welt bringen, ihre Berufstätigkeit, soziale Unabhängigkeit und ihr Einfluss auf die Politik schälten sich während eines Erfahrungsaustausches zwischen Frauen aus der DDR und Frauenverbänden der Bundesrepublik Ende April in Bad Neuenahr bei Bonn als die wichtigsten Diskussionspunkte heraus.
Eingeladen hatte der Deutsche Frauenrat, in dem 43 Frauenverbände und Frauengruppen vereinigt sind. Sie repräsentieren insgesamt mehr als 10 Millionen Frauen der BRD. Gekommen waren aus der DDR Vertreterinnen des Unabhängigen Frauenverbandes, des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands, der Liga für die Vereinten Nationen in der DDR, der Deutschen Liga für Menschenrechte in der DDR, der Industriegewerkschaft Bergbau, Energie, Wasserwirtschaft, Metall und Druck und Papier sowie Abgesandte der Kirchen sowie Wissenschaftlerinnen.
Hoffnungsvoll stimmte diese erste Begegnung angesichts mancher übereinstimmender Einschätzungen und Ziele. Beispielsweise der hohe Stellenwert, der den Fragern von Umschulung und flexibler Weiterbildung beigemessen wurde Sehr deutlich wurde aber auch, dass so manche Selbstverständlichkeiten für DDR-Frauen hier durchaus nicht so gesehen werden. Daran ließ die Bundesministerin für Innerdeutsche Beziehungen, Dr. Dorothee Wilms, keinen Zweifel. Ernüchternd besondere der nachdrückliche Hinweis auf die Haltung der Bundesrepublik und breiter Teile der Öffentlichkeit zur Schwangerschaftsunterbrechung. Die Diskussion machte deutlich, dass Frauen in der DDR, wenn sie dieses Recht behalten wollen, konsequent dafür eintreten müssen.
Kontrovers wurden Frager. der Berufstätigkeit debattiert Die hohe Zahl der im Beruf stehenden Frauen werde drastisch zurück gehen, da bisher für nie mehr oder weniger ein gesellschaftlicher Zwang nur Arbeit bestanden habe, meinten etliche der Gastgeberinnen. Dem wurde seitens der DDR den ausgeprägte Wunsch der Frauen nach Selbstverwirklichung bei ökonomischer Unabhängigkeit entgegengehalten. Dafür müssen die Voraussetzungen, die es in der DDR gibt. (wie Kinderkrippen, Kindergärten, Schulhort, Schulspeisung usw.) weiter aus- und nicht abgebaut werden.
Einigkeit herrschte darüber, dass kürzere und familienfreundliche Arbeitszeiten, das Recht der Eltern auf eine verkürzte Arbeitszeit und eine insgesamt humanen Gestaltung der Arbeitsumwelt wesentlich dazu beitrugen die Aufgaben in Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen. Dafür einzutreten und nicht ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit von Frauen zuzulassen, darin sehen besonders die Gewerkschaftsfrauen ein wichtiges Wirkungsfeld.
Fazit: Deutlich wurde, dass viele Frauen der BRD gute Verbündete sind. Sie erwarten und erhoffen von uns, dass wir unsere bisherigen Rechte auch verteidigen. Dafür müssen wir alle Frauen in den Betrieben mobilisieren.
M. Stolzenburg, G. Szymczak
Tribüne, Mi. 09.05.1990