Kapital soll kommen, Soziales soll bleiben

Gewerkschaftschefin über Mitgliederzuwachs erfreut

Mit Helga Mausch, Vorsitzende des Geschäftsführenden Vorstandes des FDGB, sprach JW-Mitarbeiter Gunnar Leue.

Nach Ansicht der Jugendfraktion befassen sich viele Gewerkschaftsleitungen weniger mit der Zukunft ihrer Kollegen als vielmehr mit sich selbst Wie sehen Sie das?

Ich muss das zunächst so deuten, dass man den Inhalt des Gesetzes nicht verstand. Es ging uns ja darum, dass erst mal rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden, dass wir uns auf die neuen Bedingungen einstellen und unsere Gewerkschaftsvertreter überhaupt wirksam werden können. Ich weiß, dass wir gerade Jugendliche aufgrund der Schutzfunktion des Gesetzes dazu motivieren können, Verantwortung zu übernehmen. Ich setze auf unsere Jugend und kann deshalb die Äußerungen der Jugendfraktion nicht verstehen.

Wie stehen Sie zu dem Vorwurf westdeutscher Unternehmer, mit diesem Gesetz würden Investitionen des Kapitals in der DDR blockiert?

Ich sage deutlich, wir sind für Investitionen des Kapitals im Interesse unserer Wirtschaft, aber nicht bei Preisgabe all unserer bisherigen sozialen Leistungen.

Besteht die Gefahr, dass sich die Gewerkschaften wieder von einer Partei vereinnahmen lassen könnten?

Das wird nicht wieder geschehen. Wir betreiben hier keinen Wahlkampf, beurteilen alte Parteien einzig danach, wie sie sich den Interessen der Werktätigen gegenüber verhalten.

Kann dieses Gesetz in einem künftig geeinten Deutschland dem Unternehmerdruck standhalten?

Mit diesem Gesetz haben wir etwas einzubringen, was weit über die jetzigen gewerkschaftlichen Rechte in der BRD hinausgeht; wir stellen uns fest auf den Kampf um unsere Rechte auch in Zukunft ein. Mut macht mir, dass in den letzten zwei Wochen ein deutlicher Mitgliederzuwachs zu verzeichnen ist. Und dieses Gewerkschaftsgesetz ist das stärkste, was die Schwachen haben.

Junge Welt, Mi. 07.03.1990, Sozialistische Jugendzeitung

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